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WEG – Nutzung einer Gewerbeeinheit zu Wohnzwecken – Zulässigkeit

LG Berlin – Az.: 55 S 10/18 WEG – Urteil vom 26.02.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.12.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Spandau – 70 C 69/16. WEG – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der beklagten Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10% abzuwenden, sofern nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, der Beklagte ist Miteigentümer dieser Gemeinschaft und Eigentümer der im Aufteilungsplan mit den Ordnungsziffern 19 und 20 bezeichneten Teileigentumseinheiten. Die Teilungserklärung bestimmt, dass der jeweilige Eigentümer dieser beiden Einheiten berechtigt ist, die Einheiten „im Rahmen der geltenden gewerberechtlichen Vorschriften nach freiem Ermessen“ zu nutzen. Für die übrigen 18 Sondereigentumseinheiten sieht die Teilungserklärung eine Nutzung zu Wohnzwecken vor.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts waren die Räume jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 5.12.2017 einer Vielzahl von Personen zu Wohnzwecken überlassen worden. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin will erreichen, dass dem Beklagten die Nutzung der Räume zu Wohnzwecken und die Überlassung der Räume an Dritten zu diesem Zweck untersagt wird. Das Amtsgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei typisierender Betrachtungsweise sei die derzeitige Nutzungsform nicht störender als eine gewerbliche Nutzung der Räume.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.

Sie beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Teileigentumseinheiten Nr. 19 und 20 selbst zu Wohnzwecken zu nutzen oder Dritten zu Wohnzwecken zu überlassen und den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,– EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100,– EUR ein Tag Ordnungshaft oder sogleich Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verhängen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Unterlassungsklage und einen auf § 15 Abs. 3 WEG in Verbindung mit § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG beruhenden Unterlassungsanspruch der Klägerin zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

1.

Grundsätzlich können Wohnungs- und Teileigentümer mit ihrem Sondereigentum nach Belieben verfahren (§ 13 Abs. 1 WEG). Sie können den Gebrauch aber durch Vereinbarung regeln und die Gebrauchsmöglichkeiten beschränken (§ 15 Abs. 1 WEG). Eine solche Gebrauchsregelung kann bereits die Teilungserklärung enthalten (§§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG); sie kann anordnen, dass die Nutzung von Räumen nur zu bestimmten Zwecken gestattet ist. Ordnet die Teilungserklärung an, dass bestimmte Räume “Wohnzwecken dienen” und andere “nicht zu Wohnzwecken dienen”, so sind diese Anordnungen als Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG anzusehen (BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41, 42). Dient eine Einheit nach der Teilungserklärung Wohnzwecken, darf sie daher grundsätzlich nur zu Zwecken genutzt werden, die dem Wohnen zuzuordnen sind. Handelt es sich dagegen um Teileigentum, darf sie nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zugeordnet sind. Grundsätzlich gilt, dass sich die mit Wohnungseigentum und Teileigentum gesetzlich vorgesehenen Grundtypen der Nutzungsbefugnis – vorbehaltlich anderer Vereinbarungen – gegenseitig ausschließen (BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41, 42).

Eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung kann sich indes gleichwohl als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die nach der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung (BGH v. 23.3.2018 – V ZR 307/16, – Tz. 8; BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41 – Tz. 9). Um eine Vergleichsbetrachtung zu ermöglichen, ist der Gebrauch nach seiner Art und den damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz und Besucherstruktur) zu konkretisieren und zu den örtlichen Gegebenheiten (Umfeld, Lage der Räume im Gebäude, Nutzungszweck der übrigen Einheiten) und den zeitlichen Verhältnissen (z.B. Öffnungszeiten) in Bezug zu setzen. Von Bedeutung kann insbesondere sein, in welchem Maße Lärm- oder Geruchsimmissionen sowie sonstige Belästigungen aufgrund einer anderweitigen Nutzung zunehmen. Streiten die Wohnungseigentümer wie hier über die Duldung einer Wohnnutzung in Teileigentumseinheiten, kommt es für den Vergleich insbesondere darauf an, welche übrigen Nutzungsarten in der Teileigentumseinheit erlaubt sind. Sind diese Nutzungsmöglichkeiten nicht beschränkt, so ist nicht lediglich auf eine die übrigen Wohnungseigentümer möglichst schonende Nutzung (z.B. als Atelier oder Büro), sondern auf die für die Miteigentümer ggfs. lästigere Nutzung als Tanz-, Sport- und Fitnesscenter oder als Schank- und Speisewirtschaft, Pension oder hotelähnlicher Betrieb abzustellen (vgl. LG München I ZMR 2016, 989, 990).

2.

Setzt man die derzeitige Wohnnutzung in Bezug zu der nach der Teilungserklärung jedenfalls zulässigen gewerblichen Nutzung der Räume als Gaststätte, als Pension, hotelähnlicher Betrieb oder als Boardinghaus (zur Zulässigkeit in Teileigentumseinheiten siehe LG Frankfurt a.M. ZWE 2017, 405, 406), so kann sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht als störender angesehen werden. Auch im Rahmen eines Gaststätten- oder eines gewerblichen Beherbergungsbetriebes wäre es zulässig, in den Räumen Speisen zuzubereiten. Neben den hierdurch verursachten Geruchsbelästigungen hätten die übrigen Wohnungseigentümer ebenfalls den dauerhaften Aufenthalt von Personen in den Räumen und die damit verbundenen Geräusch- und Lärmimmissionen hinzunehmen.

Nicht zu folgen vermag die Kammer in diesem Zusammenhang der Auffassung der Klägerin, die Wohnnutzung sei bereits deshalb unzulässig, weil sie „die intensivste Form des Gebrauches“ darstelle. Einen solchen allgemein gültigen Erfahrungssatz vermag die Kammer nicht anzuerkennen, zumal völlig unklar ist, auf welche Tatsachen oder empirische Erhebungen er sich stützen könnte und welcher Beurteilungsmaßstab ihm zugrunde liegt. Die Intensität einer Wohnnutzung hängt ebenso wie eine anderweitige Nutzung von so vielen unterschiedlichen Kriterien und Merkmalen (Anzahl und Alter der Personen, Anzahl der Kinder, Größe und Ausstattung der Räume; technische Ausstattung; Zugangsmöglichkeiten, Lage) ab, dass sie einer solchen allgemeinen Beurteilung nicht zugänglich ist.

Im Rahmen der typisierenden Betrachtungsweise misst die Kammer im Streitfall vielmehr dem Umstand besonderes Gewicht bei, dass mit Ausnahme der beiden im Eigentum des Beklagten stehenden Einheiten die übrigen 18 Sondereigentumseinheiten ebenfalls als Wohnungen genutzt werden. Durch die Wohnnutzung der Einheiten Nr. 19 und 20 wird daher insbesondere der Charakter des Grundstücks als Wohnanlage weder geändert noch gestört. Auch ist weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen, dass aufgrund der baulichen Begebenheiten oder der vorhandenen Ausstattungsmerkmale durch die Wohnnutzungen Belästigungen entstehen, die in vergleichbarer Weise bei einer anderweitigen intensiven Nutzungsform nicht entstehen würden.

3.

Eine andere Beurteilung ist nicht im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.3.2018 (V ZR 307/16) geboten, nach der die Wohnnutzung in einem ausschließlich beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude bei typisierender Betrachtung unzulässig ist. Die Anlage der Klägerin dient nicht allein beruflichen und gewerblichen Zwecken, vielmehr sind in ihr zu einem ganz überwiegenden Anteil Wohnungen vorhanden. Für solche gemischt genutzte Anlagen hat es der BGH aber ausdrücklich offen gelassen, ob eine Wohnnutzung in Teileigentumseinheiten im Einzelfall zulässig sein kann (BGH a.a.O., Tz. 9).

4.

Die Wohnnutzung ist dem Beklagten schließlich auch nicht deshalb zu untersagen, weil die Räume – jedenfalls nach den Feststellungen des Amtsgerichts – von 9 Personen (Teileigentumseinheit Nr. 19) bzw. 7 Personen (Teileigentumseinheit Nr. 20) bewohnt werden. Ist eine Wohnnutzung bei generalisierender Betrachtungsweise nicht störender als eine gewerbliche Nutzung der Räume, muss die Gemeinschaft die Wohnnutzung dulden. Diese Duldungspflicht ist aber nicht grenzenlos. Sie besteht nicht mehr, wenn die konkrete Ausgestaltung der Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer in einem nach § 14 Nr. 1 WEG nicht mehr hinnehmbaren Maß beeinträchtigt. Solche Beeinträchtigungen sind nach § 15 Abs. 3 WEG zu unterlassen (BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, ZWE 2010, 130, 132 – Tz 32). Auf die Unterlassung solcher Beeinträchtigungen zielt der Klageantrag indes nicht ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision hat die Kammer nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Es ist – ausweislich der in Bezug genommenen Entscheidungen – bereits höchstrichterlich geklärt, dass die von einer Zweckbestimmung abweichende Nutzung von den Miteigentümern einer Gemeinschaft zu dulden ist, wenn die abweichende Nutzung bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die nach der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung. Die Anwendung dieses allgemein anerkannten Rechtssatzes auf den Einzelfall ist indes allein Aufgabe der Tatsacheninstanzen.

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