AG Charlottenburg – Az.: 204 C 1004/14 – Urteil vom 08.10.2014
1. Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen (Heizung/Anschluss an das Fernwärmenetz, Kalt- und Warmwasserversorgung, Fassadevollwärmeschutz, Elektroarbeiten, Wand- und Putzarbeiten, Einbau einer Einbauküche, vollständige Erneuerung des Bades, Einbau neuer Toranlagen mit Türöffner, neue Briefkastenanlage aus Edelstahl, Fahrradständer, Müllstandsfläche, Instandsetzung Treppenhaus) entsprechend der Modernisierungsankündigung vom 14.05.2014 an den Objekt …, durchzuführen.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin ist seit 1982 Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude … Die Verfügungsbeklagte ist durch Erwerb auf Vermieterseite in den Mietvertrag eingetreten.
Mit Schreiben vom 14.05.2014 kündigte die Verfügungsbeklagte für die Zeit ab 15.08.2014 Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen für das genannte Gebäude an.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.06.2014 erhob die Verfügungsklägerin Einwendungen gegen die Modernisierungsankündigung.
Am 15.09.2014 wurde Gerüstmaterial im Hof des Gebäudes abgestellt.
Am 16.09.2014 wurde mit dem Gerüstaufbau begonnen.
Die Verfügungsklägerin trägt vor: Sie habe einen Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsklägerin, weil diese ohne Duldungstitel Vorarbeiten für die Modernisierungsarbeiten durchführen lasse.
Die Verfügungsklägerin beantragt, wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die Gerüstarbeiten dienten nicht der Vorbereitung von Modernisierungsarbeiten. Vielmehr sollten Sanierungsarbeiten an den Balkonen im zweiten Hof sowie Putz- und Malerarbeiten an der Fassade durchgeführt, die Außenfenster gestrichen und die Treppenhäuser renoviert werden. Es handle sich nur um Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die dazu eingereichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet, weil die Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der angekündigten Maßnahmen hat, und ein Verfügungsgrund für den Erlass besteht.
1.
Grundsätzlich ist eine Besitzstörung durch Modernisierungsarbeiten dann zu bejahen, wenn es sich nicht um lediglich unerhebliche Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen oder sonstige nicht lediglich unwesentliche Gebrauchsbeeinträchtigungen handelt. Dass die Vermieterseite die beabsichtigte Modernisierungsmaßnahme nur angekündigt hat, steht einer Besitzstörung nicht entgegen, da eine solche bereits in dem Verhalten liegt, das den Besitzer über den ungestörten Fortbestand seines Besitzes ernstlich beunruhigt. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen, die mit einer Besitzstörung des Mieters verbunden sind, grundsätzlich erfüllt (LG Berlin, Beschluss vom 1.03.2013, 63 T 29/13, zitiert nach juris, m.w.N.).
Es ist für den Bestand des Verfügungsanspruchs zudem unerheblich, ob der Mieter materiell-rechtlich zur Duldung der Maßnahmen entweder im Rahmen der Instandhaltung gemäß § 555a Absatz 1 BGB oder gemäß § 555d Absatz 1 BGB im Rahmen der Modernisierung verpflichtet ist. Denn selbst wenn sich danach eine Duldungspflicht ergäbe, handelte es sich dabei nur um eine so genannte petitorische Einwendung des Verfügungsbeklagten im Sinne des § 863 BGB, die den Besitzschutzanspruch des Verfügungsklägers bereits grundsätzlich nicht entfallen lässt. Beachtliche Einwendungen sind lediglich, der Mieter sei mit der Maßnahme einverstanden gewesen, die Maßnahme beruhe auf gesetzlicher Gestattung oder der Vermieter habe bereits einen gerichtlichen Duldungstitel erwirkt (LG Berlin a.a.O.; LG Berlin GE 2014, 1138, jeweils m.w.N.).
Der Verfügungsgrund ergibt sich bei verbotener Eigenmacht bereits aus der Natur des beantragten Unterlassungsanspruchs, da eine verbotene Eigenmacht den Verfügungsgrund auch ohne gesonderten Vortrag des Antragstellers stets indiziert und eine besondere Dringlichkeit nicht erforderlich ist (LG Berlin, a.a.O., m.w.N.).
2.
Danach steht der Verfügungsklägerin vorliegend ein Unterlassungsanspruch zu, weil die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 14.05.2014 Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen angekündigt hat.
Einen gerichtlichen Duldungstitel hat die Verfügungsbeklagte nicht erwirkt.
Ob die Verfügungsklägerin zur Duldung der angekündigten Maßnahmen als Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen materiell-rechtlich verpflichtet ist, ist im hiesigen Verfahren irrelevant.
Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der Natur des geltend gemachten und begründeten Unterlassungsanspruchs hinsichtlich der Besitzstörung.
3.
Die prozessuale Nebenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.