LG Bremen, Az.: 1 O 26/18, Urteil vom 16.10.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf: 201.360 € (7.300 € x 12 + 113.760 €).
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten Räumung und Zahlung behaupteter Mietrückstände.
Die Parteien verbindet ein Mietverhältnis über die Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Hauses T […]. Der Beklagte betreibt dort den Gastronomiebetrieb „[…]“. Als Inhaber des Gastronomiebetriebs besteht für den Beklagten die Möglichkeit, bei der Stadt Bremen widerruflich für jeweils ein Jahr gegen eine entsprechende Gebühr die Sondernutzung für die vor der Immobilie der Klägerinnen gelegene öffentliche Flächen zu beantragen. Der Beklagte machte von dieser Möglichkeit Gebrauch, wobei er – mangels entsprechender Gastronomiebetriebe – auch Außenflächen nutzen kann, die anderen Immobilien zugeordnet sind. Der Beklagte verfügt daher über Innen- und Außenplätze.
Der Beklagte trat zunächst als Untermieter (vgl. Anlage B3) und sodann als Hauptmieter in den Mietvertrag vom 20.01.1998 ein (vgl. Vereinbarung vom 29.03.2005 und 31.05.2005, Anlage B4).
Das Mietverhältnis begann am 01.09.1998 und endete gem. § 2 des Mietvertrags am 31.12.2008. Dem Mieter wurde ein dreimaliges Optionsrecht für jeweils weitere fünf Jahre eingeräumt, das er spätestens sechs Monate vor Ablauf der festen Mietzeit oder der jeweiligen Optionsperiode schriftlich ausüben muss. Der Beklagte machte von seinem Optionsrecht jeweils Gebrauch.
In § 4 Nr. 3 des Mietvertrags trafen die Parteien folgende Regelung:
„Für die Zeit nach Ablauf der ersten Optionsperiode soll der Mietzins neu festgelegt werden. Die Verhandlungen sollen 18 Monate vor Ablauf der ersten Optionsperiode, d.h. ab dem 01. Juli 2012 aufgenommen werden. Einigen sich Vermieter und Mieter nicht innerhalb von 2 Monaten über den Mietzins, d.h. bis zum 31. August 2012, ist jede Seite berechtigt, ein Gutachten über die marktübliche Miete zu bestellen und der Gegenseite zuzustellen. Können sich die Parteien bis zum 31.12.2012 nicht über die neue Marktmiete einigen, wird diese durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der auf Antrag einer Partei durch die Handelskammer Bremen bestellt wird, verbindlich festgelegt. Auf diese Marktmiete findet dann Ziffer 2 entsprechende Anwendung“. Wegen der weiteren Details des Mietvertrags wird auf Anlage K1, Bl. 7 ff. d.A. Bezug genommen.
Da die Parteien sich nicht bis zum Ablauf des Jahres 2012 auf einen neuen Mietzins einigen konnten, gaben sie beim Sachverständigen K[…] ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Dieser ermittelte zunächst einen monatlichen Mietzins in Höhe von 7.300 € (Bl. 29 ff. d.A.), den der Beklagte seit dem 01.01.2014 zahlt. Der Sachverständige ermittelte dabei einen tatsächlichen Umsatz pro Tag und Platz in Höhe von 17,70 € und legte dies auf 110 Innenplätze für 12 Monate und 200 Außenplätze für 5,5 Monate um.
Die Klägerinnen gaben einen Nachtrag zum Sachverständigengutachten in Auftrag. In dem ergänzenden Gutachten vom 23.10.2013 ermittelte der Sachverständige K[…] eine monatliche Nettokaltmiete von 9.670 €. Er stellte die Voraussetzung für die Nutzung der Außenflächen dar und führte aus, dass die Gesamtmiete aufgeteilt werden solle in eine festgeschriebene Miete für den Gastronomiebetrieb (Innenbereich) und in eine flexible Miete für die Außensitzterrassenflächen, da diese widerruflich seien (S. 8 des Nachtrags). Sodann berechnete der Sachverständige die Miete – wiederum ausgehend von einem Umsatz pro Tag und Platz in Höhe von 17,70 € und 110 Innenplätze (Faktor 12), abweichend jedoch mit 344 Außenplätzen. Er berücksichtigte 200 Außenplätze im Außenbereich der Verlängerung der T[…] und weitere 144 Sitzplätze im Außenbereich der Verlängerung der T[…], den der Beklagte ebenfalls nutzt (vgl. Bl. 20 ff. d.A.). Wegen des weiteren Inhalts der Gutachten wird auf Bl. 18 ff. d.A. Bezug genommen.
Der Beklagte wies diese Berechnung aus dem Nachtrag als unrichtig zurück.
Mit Schreiben vom 09.11.2017 kündigten die Klägerinnen das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs (Bl. 43 ff. d.A.).
Sie meinen, durch den Nachtrag des Gutachtens sei die Miete verbindlich zwischen den Parteien festgelegt worden. In § 4 Nr. 3 des Mietvertrags hätten die Parteien einen strengeren Prüfungsmaßstab als den der offenbaren Unrichtigkeit vereinbart, nämlich den Prüfungsmaßstab der Sittenwidrigkeit. Der Beklagte hätte das Gutachten angreifen müssen und ggfs. eine richterliche Ersatzbestimmung zu beantragen, was er aber nicht getan habe. Bis zur richterlichen Ersatzbestimmung sei das Gutachten bindend. Er habe zudem auch nicht dargelegt, dass das Gutachten – was aber erforderlich sei – im Ergebnis zu seinen Lasten unrichtig sei.
Mit der am 02.01.2018 erhobenen Klage erklärten die Klägerinnen erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß die Kündigung des Mietverhältnisses. Diese außerordentliche fristlose Kündigung stützen die Klägerinnen neben dem Zahlungsverzug auf folgenden Sachverhalt: Der Beklagte lagerte die Mülltonnen auf der nicht zum Mietvertrag gehörenden Hoffläche des Grundstücks, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies weiterhin der Fall ist oder der Beklagte die Mülltonnen zwischenzeitlich in der Garage lagert. Die Parteien korrespondierten ab Mai 2017 über die Nutzung der Hoffläche zum Abstellen der Mülltonnen im Jahr 2017. Mit Schreiben vom 18.05.2017 untersagten die Klägerinnen dem Beklagten eine Nutzung der Hoffläche. Der Beklagte fragte im Juni 2017 bei der Stadtgemeinde an, ob er die Mülltonnen auf den Gehweg stellen könne, und forderte die Beklagte nach negativer Antwort der Stadtgemeinde mit Schreiben vom 03.07.2017 auf, einen geeigneten Stellplatz für die Mülltonnen zur Verfügung zu stellen (Bl. 118 ff. d.A.).
Die Klägerinnen meinen, das Mietverhältnis ordentlich kündigen zu können, und bezweifeln, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis dem Schriftformerfordernis genügt.
Die Klägerinnen beantragen,
1. Der Beklagte wird verurteilt, das im Parterre gelegene Gewerbeobjekt im Haus T […] Bremen, bestehend aus – jeweils im Erdgeschoss – Hauptnutzfläche: Gastraum mit Tresenbereich, Handlager, Windfang, Servicegang, Küche, Handlager und Nebennutzfläche: Büro und Personalbereich sowie der Nebennutzfläche im Kellergeschoss sofort zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklaget wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin rückständigen Mietzins in Höhe von 113.760 €
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 2.370 € seit dem 06.01.2014, 06.02.2014, 06.03.2014, 06.07.2014 und 06.08.2014 sowie nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 2.370 € seit dem 06.09.2014, 06.10.2014, 06.11.2014, 06.12.2014, 06.01.2015, 06.02.2015, 06.03.2015, 06.04.2015, 06.05.2015, 06.06.2015, 06.07.2015, 06.08.2015, 06.09.2015, 06.10.2015, 06.11.2015, 06.12.2015, 06.01.2016, 06.02.2016, 06.03.2016, 06.04.2016, 06.05.2016, 06.06.2016, 06.07.2016, 06.08.2016, 06.09.2016, 06 10.2016, 06.11.2016, 06.12.2016, 06.01.2017, 06.02.2017, 06.03.2017, 06.04.2017, 06.05.2017, 06.06.2017, 06.07.2017, 06.08.2017, 06.09.2017, 06.10.2017, 06.11.2017, 06.12.2017 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, das Gutachten sei nicht verbindlich, weil es auf grundsätzlich falschen Annahmen beruhe. Insbesondere würden die Außenflächen voll mit einberechnet, obwohl diese nicht Gegenstand des Mietvertrags seien und sein könnten. Zudem seien Außenflächen einbezogen worden, die nicht dem Grundstück der Klägerinnen zugeordnet seien, sondern Nachbargrundstücken. In der Klageerwiderung führte er insoweit aus: „Für den Beklagten wirkt dies in einer Form, dass die Klägerinnen dafür, dass der Beklagte fremde Flächen zusätzlich nutzt und auch als Sondernutzungsrecht für eine „quasi Miete“ bezahlt, noch einmal zusätzlich „abkassieren“ wollen.“ (Bl. 60 d.A.).
Gestützt auf diese Äußerung erklärten die Klägerinnen im Schriftsatz vom 02.07.2018 nochmals die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung der gemieteten Immobilie T[…] gem. § 546 BGB, da das Mietverhältnis nicht infolge der durch die Klägerinnen ausgesprochenen Kündigungen beendet worden ist. Im Einzelnen:
1. Außerordentliche fristlose Kündigungen
Gem. § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 S. 2 BGB).
a) Kündigung wegen Zahlungsverzugs
Ein die Klägerinnen zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Zahlungsverzug des Beklagten ist nicht gegeben. Ein wichtiger Grund liegt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB insbesondere vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Daran fehlt es vorliegend.
aa) Die Miethöhe ist durch das Ausgangsgutachten des Sachverständigen K[…] gem. § 4 Nr. 3 des Mietvertrags in Verbindung mit §§ 317 ff. BGB analog auf 7.300 € monatlich verbindlich festgelegt worden. Zwischen den Parteien nicht im Streit steht, dass § 4 Nr. 3 des Mietvertrags eine Schiedsgutachtenklausel im engeren Sinne enthält, auf die die §§ 317 ff. BGB analog anwendbar sind. Der Beklagte zahlt unstreitig die in dem Ausgangsgutachten festgesetzte monatliche Miete in Höhe von 7.300 €.
bb) Durch den durch die Klägerinnen angeforderten Nachtrag zum Gutachten ist der Mietzins zwischen den Parteien nicht verbindlich auf 9.670 € festgelegt worden.
(1) Gem. § 319 Abs. 1 BGB ist, sofern der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen soll, die getroffene Bestimmung für die Vertragsschließenden verbindlich, solange sie nicht offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt bei Unbilligkeit der Bestimmung durch Urteil. Da der Schiedsgutachter jedoch nicht eine „billige“, sondern eine richtige Entscheidung treffen muss, ist § 319 BGB mit der Maßgabe anwendbar, dass das Schiedsgutachten für die Parteien bei offenbarer Unrichtigkeit nicht verbindlich ist (vgl. BGH NJW-RR 2014, 492, 493; MüKo/Würdinger, BGB, 7. Aufl., § 319 Rn. 14, § 317 Rn. 38). Anders als die Klägerinnen meinen kann dem Mietvertrag eine abweichende Vereinbarung dahingehend, dass hier im Rahmen des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog ein strengerer Maßstab gelten soll – Sittenwidrigkeit statt offenbarer Unrichtigkeit – nicht entnommen werden (§§ 133, 157 BGB). Die Parteien regelten in § 4 Nr. 3 des Mietvertrags, dass der Schiedsgutachter den Mietzins „verbindlich festlegt“. Damit haben die Parteien, die dabei den Sprachgebrauch der §§ 315 ff. BGB aufgegriffen haben, lediglich die Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne getroffen. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie damit die richterliche Nachprüfung beschränken wollten.
(2) Sowohl das Ausgangsgutachten als auch das Nachtragsgutachten sind offensichtlich unrichtig. Offenbare Unrichtigkeit ist gegeben, wenn sich die Unrichtigkeit einem Sachkundigen (wenn auch erst nach eingehender Prüfung) aufdrängt (MüKo/Würdinger, BGB, 7. Aufl., § 319 Rn. 15). Dabei ist nicht erforderlich, dass auch das Ergebnis unrichtig ist. Von dem Erfordernis, dass die Fehler der Berechnung auch das Gesamtergebnis verfälschen müssen, ist der BGH mittlerweile abgerückt. Es reicht für die offenbare Unrichtigkeit aus, dass die Begründung des Sachverständigen so lückenhaft oder fehlerhaft sind, dass selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann (BGH NJW 2001, 3775, 377; MüKo/Würdinger, BGB, 7. Aufl., § 319 Rn. 17). Die offenbare Unrichtigkeit der Gutachten folgt daraus, dass bei Berechnung der monatlichen Miete nach Umsatz pro Platz pro Tag die Außenplätze des „[…]“ mit einem Faktor von 5,5 einberechnet werden, obwohl diese nicht Gegenstand des Mietvertrags sind und sein können. Mitvermietet ist nur die Möglichkeit, für die der Immobilie zugeordneten Außenflächen eine entsprechende Sondernutzung zu beantragen. Diese Möglichkeit ist selbstredend im Rahmen der Berechnung der ortsüblichen Miete zu berücksichtigen, nicht jedoch auf die Weise, dass man die Außenflächen so behandelt als seien sie Gegenstand des Mietvertrags. Dies erschließt sich selbst dem unbeteiligten Leser auf den ersten Blick. Diese fehlerhafte Grundannahme wirkt sich im Nachtragsgutachten stärker aus als im Ausgangsgutachten, da dort sogar noch Außenflächen einbezogen wurden, die gar nicht der Immobilie der Klägerinnen zugeordnet sind. Überdies krankt das Nachtragsgutachten daran, dass der Sachverständige sagt, dass wegen der Widerruflichkeit und Befristung der Sondergenehmigung die Miete in eine festgeschriebene Miete für den Gastronomiebetrieb (Innenbereich) und in eine flexible Miete für die Außensitzterrassenflächen aufgeteilt werden solle. Dies setzt er jedoch dann nicht um.
(3) Ob ein Schiedsgutachten für die Parteien bei § 319 BGB trotz offenbarer Unrichtigkeit bis zur Ersetzung durch ein gerichtliches Urteil bindend ist, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl. MüKo/Würdinger, BGB, 7. Aufl., § 319 Rn. 23; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2015, § 319 Rn. 21). Nach Auffassung des Gerichts sprechen die besseren Argumente dafür, dem Wortlaut des Gesetzes zu folgen, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung für die Vertragsschließenden ohne weiteres nicht verbindlich ist. Die Norm macht die Unverbindlichkeit nicht von weiteren Voraussetzungen wie der gerichtlichen Geltendmachung der Unverbindlichkeit abhängig. § 319 BGB sieht damit ebenso wenig wie § 315 BGB eine materiell-rechtliche Beseitigungslast durch Gegengestaltungsakt oder Einrede vor, geschweige denn eine Klagelast. Anders als bei der Parteileistungsbestimmung des § 315 BGB ist die Regelung zur Unverbindlichkeit in § 319 BGB auch nicht halbseitig ausgestaltet, sondern greift für beide Teile („für die Vertragschließenden“). Für eine Selbstbindung des falsch entscheidenden Dritten besteht überdies im Normalfall anders als bei der Bestimmung der Leistung durch eine Partei kein Bedürfnis, weil der Dritte in der Regel außerhalb des Schuldverhältnisses steht (Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2015, § 319 Rn. 21; MüKo/Würdinger, BGB, 7. Aufl., § 319 Rn. 23).
Die streitige Frage muss jedoch vorliegend nicht beantwortet werden.
Folgt man im vorliegenden Fall der wohl herrschenden, aber nicht überzeugenden Auffassung, dass die Unverbindlichkeit gerichtlich geltend gemacht werden muss, so wurde die Höhe des Mietzinses zwischen den Parteien durch das Ausgangsgutachten des Sachverständigen K[…] auf 7.300 € verbindlich festgelegt. Die Klägerinnen, die mit dem Ergebnis des auf Grundlage des § 4 Nr. 3 des Mietvertrags eingeholten Gutachtens offensichtlich nicht zufrieden waren, hätten nach dieser Auffassung den gerichtlichen Weg beschreiten müssen (§ 319 Abs. 1 BGB), um eine Berücksichtigung weiterer Außenplätze und einen höheren Mietzins zu erzielen, und hätten nicht ein Nachtragsgutachten in Auftrag geben dürfen. Dieser Schluss ist nach Auffassung des Gerichts zwingend und folgerichtig, da – wie die Klägerinnen zutreffend ausführen – eine Vereinbarung über die Festsetzung der Miete durch einen gemeinsam beauftragten Sachverständigengutachter sonst schlichtweg nie der ihr angedachten Schiedswirkung gerecht werden kann. Für die Einholung eines Nachtragsgutachtens besteht weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage.
Sofern man eine materiell-rechtliche Beseitigungslast ablehnt, sind wegen der offenbaren Unrichtigkeit weder Ausgangs- noch Nachtragsgutachten gem. § 319 Abs. 1 BGB verbindlich und Beklagte schuldet lediglich die auf Grundlage des § 4 Nr. 2 erhöhte Miete.
b) Kündigung wegen des Abstellens der Mülltonnen auf der Hoffläche
Auch ein – ggfs. weiterhin erfolgendes – Abstellen der Mülltonnen auf der Hoffläche rechtfertigt die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gem. § 543 BGB nicht. Von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerinnen wegen des Abstellens der Mülltonnen auf der Hoffläche kann nicht ausgegangen werden.
Der zur Kündigung Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 314 Abs. 3 BGB, vgl. MüKo/Bieber, BGB, 7. Aufl., § 543 Rn. 72). Denn aus längerem Zuwarten kann geschlossen werden, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses diesem eben doch zumutbar ist. So liegt es auch im vorliegenden Fall. Die Parteien haben erstmals im Mai 2017 und – nach Aktenlage – letztmalig im Juli 2017 über die Mülltonnen korrespondiert. Im Juli 2017 kündigte der Beklagte an, die Mülltonnen weiterhin auf dem Hof abzustellen, solange ihm kein geeigneter Stellplatz durch die Klägerinnen zugewiesen werde. Nach dieser Ankündigung haben die Klägerinnen sodann ein halbes Jahr mit dem Ausspruch der Kündigung zugewartet. Dies ist angesichts der überschaubaren Problematik nicht mehr als „innerhalb einer angemessenen Frist“ im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB zu werten.
c) Kündigung wegen der Äußerung in der Klageerwiderung
Die Klägerinnen sind ferner nicht wegen der Äußerung in der Klageerwiderung, dass das Verlangen des Nachtrags für den Beklagten so wirke, „dass die Klägerinnen dafür, dass der Beklagte fremde Flächen zusätzlich nutzt und auch als Sondernutzungsrecht für eine „quasi Miete“ bezahlt, noch einmal zusätzlich „abkassieren“ wollen“ nicht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 543 BGB berechtigt.
aa) Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdungen können als Vertragsverletzungen die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen, wobei bei Beleidigungen nur schwerwiegende Beleidigungen ausreichen (Blank/Börstinghaus/Blank, BGB, 5. Aufl., § 543 Rn. 28 ff.). Bei der im Rahmen des § 543 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob dem anderen Vertragsteil wegen einer Äußerung die Fortsetzung des Mietverhältnisses zuzumuten ist, ist zu prüfen, ob die Äußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt und der Schutz des Persönlichkeitsrechts im Einzelfall (z.B. wegen der Wahrnehmung berechtigter Interessen) hinter die Meinungsfreiheit zurücktreten muss. Denn Äußerungen mit ehrverletzendem Charakter, die im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen fallen, rechtfertigen im Allgemeinen keine Kündigung des Mietverhältnisses (Blank/Börstinghaus/Blank, BGB, 5. Aufl., § 543 Rn. 28 ff.; OLG München NJWE-MietR 1996, 270).
bb) Es mag dahinstehen, ob die von den Klägerinnen beanstandete Äußerung, sie wollten abkassieren, ehrverletzenden Charakter hat. Denn selbst wenn man hier einen ehrverletzenden Charakter annehmen wollte, kann auf die Äußerung keine außerordentliche fristlose Kündigung gestützt werden. Die Äußerungen des Beklagten unterfallen als Meinungsäußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Der Beklagte hat kundgetan, wie er das außerprozessuale Verhalten der Klägerinnen (subjektiv) wahrgenommen hat und dies durch das Wort „abkassieren“ bewertet. Deshalb ist eine umfassende Abwägung mit dem den Seiten der Klägerinnen zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Belangen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Schranke des Grundrechts der Meinungsfreiheit vorzunehmen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 3487/14 -, Rn. 13, juris). Die Abwägung ist sowohl auf Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwertes der betroffenen Grundrechtspositionen als auch unter Berücksichtigung der Intensität ihrer Beeinträchtigung im konkreten Fall vorzunehmen. Zu berücksichtigen ist, in welche Sphäre der Persönlichkeit eingegriffen wurde, die Schwere des Eingriffs (insbesondere Verbreitungsgrad) und seine Folgen sowie das eigene Verhalten des Verletzten, Anlass, Motive und Zweckrichtung der Äußerung (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 823 Rn. 95 ff.).
cc) Die gebotene Abwägung fällt vorliegend zugunsten der Meinungsfreiheit des Beklagten aus. Die Klägerinnen sind allenfalls in ihrer Sozialsphäre betroffen. Die Äußerung diente der Rechtsverteidigung innerhalb des vorliegenden Zivilprozesses und damit der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Der Verbreitungsgrad ist angesichts der Tatsache, dass es sich um ein innerprozessual geäußertes Vorbringen handelt, denkbar gering. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die der Wertung des Beklagten zugrundeliegenden Tatsachen (Berücksichtigung der Außenflächen bei der Miete und gleichzeitiges Anfallen einer Gebühr für die Sondernutzung) objektiv zutreffend sind.
2. Ordentliche fristgemäße Kündigung
Die ordentliche fristgemäße Kündigung, die mit der Klageerhebung hilfsweise ausgesprochen wurde, ist nicht wirksam. Die ordentliche Kündigung ist vorliegend, da es sich um ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis handelt, gem. § 542 BGB ausgeschlossen.
Das Mietverhältnis gilt auch vorliegend nicht gem. § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die von § 550 BGB geforderte Schriftform ist gewahrt.
Zweck der Schriftform des § 550 BGB ist der Schutz des Grundstückserwerbers zum Ausgleich für dessen Bindung an den Mietvertrag nach § 566 BGB (MüKo/Bieber, BGB, 7. Aufl., § 550 Rn. 1). Dies erfordert, dass Klarheit über den Vertragsinhalt besteht. Hierzu gehören der Mietgegenstand, die Vertragsparteien, der Mietzins und die Dauer des Mietverhältnisses (BGH NJW 2016, 311 Rdn. 12). Dabei genügt es, wenn diese Merkmale im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar sind (BGH NJW-RR 1990, 270; NJW 2006, 139; NJW 2006, 140; NJW 2014, 52; NJW 2014, 2102; KG ZMR 2015, 117). Dabei unterliegen auch ergänzende Vereinbarungen (z.B. der Austausch des Mietobjekts oder dessen Veränderung hinsichtlich der Größe, ein Wechsel des Vertragspartners, der Austausch der Mieter bzw. Beitritt eines weiteren Mieters oder deren zeitweilige Ersetzung, eine Veränderung der Höhe und der Zahlungsweise des Mietzinses, eine Verlängerung der Vertragslaufzeit; ferner Abreden über die Veränderung des Mietobjekts zum Zwecke der vertraglich vorausgesetzten Nutzung etc.) dem Schriftformerfordernis (Schmidt-Futterer/Lammel, BGB, 13. Aufl., § 550 Rn. 41 ff; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 – I-24 U 103/12). Dabei genügt es, wenn diese Merkmale im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der ergänzenden Vereinbarung bestimmbar sind (BGH NJW-RR 1990, 270; NJW 2006, 139; NJW 2006, 140; NJW 2014, 52; NJW 2014, 2102; KG ZMR 2015, 117). Insoweit kann auch auf Umstände außerhalb der Vertragsurkunde zurückgegriffen werden (BGH NJW 1999, 3257, 3259; BGH NJW 2006, 139; NJW 2006, 140)
Sowohl der ursprüngliche Mietvertrag als auch der Eintritt des Beklagten in den Mietvertrag erfolgten schriftlich.
Auch die erfolgten Änderungen der Höhe des Mietzinses auf Grundlage der Wertsicherungsklausel in § 4 des Mietvertrags führen nicht zur Formunwirksamkeit des Mietvertrags. Für die Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ist es insoweit sowohl aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung als auch nach vernünftiger Betrachtung als ausreichend anzusehen, dass die Mieterhöhungen aufgrund der vereinbarten Wertsicherungsklausel im Mietvertrag angelegt sind und sich die erfolgten Mieterhöhungen im Rahmen dieser Vereinbarung hielten. Es dürfte juristisch nicht geschulten Vertragsparteien nur schwer zu vermitteln und den getroffenen Vereinbarung gegenläufig sein, dass ein mit einer festen Laufzeit geschlossener langfristiger Mietvertrag mit einer gerade aufgrund der langfristigen Bindung enthaltener Wertsicherungsklausel nur deshalb vorzeitig gekündigt werden kann, weil eine auf Grund dieser vertraglich vereinbarter Anpassungsklausel getroffene Mieterhöhung nicht dem Erfordernis der Schriftform genügt (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 13. März 2008 – 1 U 130/07 -, Rn. 105, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 – I-24 U 103/12). Die erste Anpassung der Miete nach Ablauf von 10 Jahren erfolgte wie im Mietvertrag vereinbart nach den Regeln des § 4 Nr. 2. Unklarheiten über die Miethöhe ergeben sich insoweit nicht. Die auf § 4 Nr. 3 basierende Mieterhöhung durch das Gutachten des Sachverständigen ist ebenfalls dem Grunde nach im Mietvertrag angelegt und durch das schriftliche Gutachten als ein außerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umstand hinreichend bestimmbar.
Weitere Änderungen sind nicht vorgetragen – die Klägerinnen, die aus dem angedeuteten Schriftformverstoß positive Folgen herleiten wollen, lediglich bezweifelten, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis dem Schriftformerfordernis genügt, dies aber nicht weiter ausgeführt haben – und auch sonst nicht ersichtlich.
II.
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 2.370 € für den eingeklagten Zeitraum gem. §§ 535 Abs. 2, 317 ff. BGB in Verbindung mit § 4 Nr. 3 des Mietvertrags. Auf die obigen Ausführungen zum Nichtbestehen von Zahlungsrückständen wird Bezug genommen.
III.
Die prozessualen Nebenfolgen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, S. 2 ZPO.