AG Charlottenburg, Az.: 234 C 106/14, Urteil vom 03.03.2015
1. Das Versäumnisurteil vom 07.10.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagten werden verurteilt die von ihnen innengehaltenen Wohnräume im Hause …, bestehend aus fünf Zimmern, Küche,
Bad, zwei Balkonen und zwei Dielen, mit einer Größe von rund 109,82m2, nebst einem Kellerraum, belegen durch den Hausflur des Seiteneinganges,
die Tür geradeaus öffnen, zweiter Keller links, bezeichnet mit
„…“ zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
3. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2015 gewährt.
4. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Säumniskosten, welche dem Kläger auferlegt werden, haben die Beklagten zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Beklagte zu 1) schloss mit dem Rechtsvorgänger des Klägers im Januar 2004 einen Mietvertrag über die streitgegenständlichen Wohnräume. Der Beklagte zu 2) ist der Ehemann der Beklagten zu 1 und bewohnt ebenfalls die streitgegenständliche Wohnung. Er sollte Mitmieter werden. Nachdem dies vermieterseits abgelehnt wurde, wurde er mit Schreiben der Beklagten vom 30.11.2009 bevollmächtigt und soll seitdem wie ein Mieter handeln können. Später trat der Kläger als Vermieter in den Vertrag ein.
Am 15.10.2013 räumten die Herren … und … im Auftrag der Hausverwaltung des Klägers eine sich auf dem streitgegenständlichen Hausgrundstück befindende Garage eines verstorbenen Mieters aus. Dabei sprach sie der Beklagte zu 2) unter im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Umständen an und hinderte sie am Verlassen des Grundstücks durch Anbringung eines Fahrradschlosses an dem Zufahrtstor. Erst die herbeigerufene Polizei konnte die Situation klären, woraufhin der Beklagte zu 2) das Schloss wieder entfernte. Das gegen den Beklagten eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde durch die Amtsanwaltschaft eingestellt. Der Kläger erfuhr von dem Vorfall Anfang Dezember 2013.
Mit Schreiben vom 04.12.2013 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) auf, sich bis zum 13.12.2013 schriftlich vom Verhalten des Beklagten zu 2) zu distanzieren und mahnte sie entsprechend ab. Die Beklagte zu 1) distanzierte sich nicht. Mit Schreiben vom 14.01.2014, zu dessen Einzelheiten auf die als Anlage K 5 (Bl. 21 f. d. A.) zu den Akten gereichte Abschrift Bezug genommen wird, kündigte der Kläger der Beklagten zu 1) das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit der Aufforderung, die Räumlichkeiten umgehend, längstens bis zum 20.01.2014 zu räumen und an ihn herauszugeben. Die Beklagte zu 1) widersprach der Kündigung.
Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Herren … und … – auch gegenüber vorbeigehenden Passanten – als Diebe bezeichnet und von ihnen das Diebesgut herausverlangt. Das Tor sei für ungefähr 1½ Stunden mit dem Fahrradschloss verschlossen gewesen, nach dem Anruf bei der Polizei seien sie für ungefähr eine halbe Stunde am Verlassen des Grundstücks gehindert gewesen.
Mit den Beklagten am 28.03.2014 zugestellter Klageschrift hat der Kläger ursprünglich angekündigt, zu beantragen, die Beklagten wie Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen innengehaltenen Wohnräume im Hause …, bestehend aus fünf Zimmern, Küche, Bad, zwei Balkone und zwei Dielen, mit einer Größe von rund 109,82 qm, nebst einem Kellerraum, belegen durch den Hausflur des Seiteneinganges, die Tür geradeaus öffnen, zweiter Keller links, bezeichnet mit „…“ zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.10.2014 ist der Kläger nicht erschienen. Das Gericht hat antragsgemäß Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen, zu dessen Einzelheiten auf das Versäumnisurteil (Bl. 113 d. A.) Bezug genommen wird. Gegen das ihm am 09.10.2014 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger am 17.10.2014 Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagten antragsgemäß zur Räumung zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten, hilfsweise, eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO zu gewähren.
Die Beklagten behaupte, die Herren … und … hätten vor dem 15.10.2013 mehrfach Blumenkübel der Beklagten aus dem Garten des Grundstücks entfernt. Zuletzt hätten sie dies am 11.10.2013 getan und seitdem die Blumenkübel nicht herausgegeben. Der Beklagte zu 2) habe daher die Herren … und …, nachdem er sie darauf angesprochen gehabt hätte, nebst ihrem Fahrzeug am Verlassen des Grundstücks gehindert, um die Blumenkübel, die er noch am 15.10.2013 in dem Fahrzeug vermutete, zurückzuerlangen. Die Zeitspanne vom Verschließen des Tors bis zum Eintreffen der Polizei habe höchstens 30 Minuten gedauert.
Sie sind der Ansicht, der mit der Beklagten zu 1) bestehende Mietvertrag dürfe nicht wegen eines Verhaltens des Beklagten zu 2) gekündigt werden. Ferner sei das Mietverhältnis durch die Gebrauchsfortsetzung verlängert.
Entscheidungsgründe
Es ist über Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zu entscheiden, da der Rechtsstreit durch den zulässigen, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 339 ZPO eingelegten, Einspruch der Beklagen in den Stand vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt wurde, § 342 ZPO.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe und Räumung der Wohnung aus § 985 BGB, gegen die Beklagte zu 1) darüber hinaus auch aus § 546 Abs. 1 BGB. Der Kläger ist Eigentümer und die Beklagte haben auf Grund der wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses kein Recht zum weiteren Besitz der Wohnung gemäß § 986 BGB.
Das Mietverhältnis endete durch die Kündigung vom 14.01.2014. Dabei kann dahinstehen, ob das Verhalten des Beklagten einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellte, denn jedenfalls ist die Kündigung als ordentliche gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Beklagte zu 2 ist als Ehegatte der Beklagten zu 1) deren Erfüllungsgehilfe im Hinblick auf das Mietverhältnis mit der Folge, dass die Beklagte zu 1) für Vertragsverletzungen durch den Beklagten zu 2) einzustehen hat.
Unabhängig davon, ob der Beklagte zu 2) die Herren … und … als Diebe bezeichnet hat, hat er bereits mit der diesen gegenüber begangenen Freiheitsberaubung eine hinreichend schwere Pflichtverletzung gegenüber dem Kläger begangen, dass diesem ein Kündigungsrecht zusteht. Straftatbestände stellen Vertragsverletzungen des Mietverhältnisses dar, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner, dessen Stellvertreter, Beauftragten oder Mitarbeitern verübt werden (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht. 11. Aufl. 2013, § 543 Rn. 187). Dies ist hier der Fall. Unstreitig hat der Beklagte zu 2) die Mitarbeiter der von dem Kläger beauftragten Hausverwaltung am Verlassen des Grundstücks gehindert. Damit hat er den Tatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB erfüllt. Dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, hindert die hiesige Feststellung nicht, zumal dieses nicht eine Freiheitsberaubung betraf. Der Darstellung des Klägers, der Beklagte zu 2) habe die Mitarbeiter ungefähr 30 Minuten lang am Verlassen des Grundstücks gehindert, treten die Beklagten nicht substantiiert entgegen. Insbesondere der Vortrag, es seien höchstens 30 Minuten gewesen, ist nicht geeignet, eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit anzunehmen. Ein Entschuldigungsgrund greift zugunsten des Klägers nicht ein. Eine Notwehr im Hinblick auf die Verteidigung seines Eigentums in Form der Blumenkübel scheidet bereits deshalb aus, weil es diesbezüglich an der gemäß § 32 StGB erforderlichen Gegenwärtigkeit des Angriffs auf sein Eigentum fehlt. Die Blumenkübel wurden nach dem Vortrag der Beklagten bereits vier Tage zuvor entfernt. Ein Festnahmerecht gemäß § 127 StPO oder ein Notstand gemäß §§ 34, 35 StGB des Beklagten zu 2) im Hinblick auf das Ausräumen der Garage eines Dritten durch die Herren … und … kommt nicht in Betracht, da der Beklagte zu 2) diese nach eigenem Vortrag nur deshalb am Verlassen des Grundstücks gehindert hat, weil er die Blumenkübel zurückerlangen wollte. Einer Abmahnung bedurfte es gemäß § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB insoweit nicht, da die Straftat gegen die Mitarbeiter der Hausverwaltung derart schwer wiegt, dass die sofortige Kündigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt war. Die dennoch ausgesprochene Abmahnung ist unschädlich, zumal die Beklagte zu 1) auf diese zu erkennen gegeben hat, dass ein vorwerfbares Verhalten nach Ansicht der Beklagten nicht vorgelegen habe.
Das Mietverhältnis hat sich nicht gemäß § 545 BGB durch Gebrauchsfortsetzung verlängert. Eines ausdrücklichen Fortsetzungswiderspruchs bedurfte es insoweit nicht, da der Kläger in der Kündigung hinreichend deutlich gemacht hat, dass er eine Fortsetzung des Mietverhältnisses als unzumutbar ansieht (vgl. Schmidt/Futterer/Blank, ebd., § 545, Rn. 21).
Auf den Hilfsantrag der Beklagten hin war diesen gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist einzuräumen. Im Hinblick auf die Dauer des Mietverhältnisses, den Zeitpunkt der Kündigung und die derzeitige Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt erscheint die tenorierte Räumungsfrist als angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100,344 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708Nr. 7, Nr. 11, 711 ZPO.