Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein Streit unter Nachbarn: Wer muss die Nebenkostenabrechnung erstellen, wenn der Verwalter fehlt?
- Der lange Weg zur Abrechnung für das Jahr 2017
- Das Kernproblem: Darf ein einzelner Eigentümer die ganze Gemeinschaft verklagen?
- Die Entscheidung des Landgerichts: Der Eigentümer bekommt Recht
- Warum das Gericht so entschied: Eine schrittweise Erklärung
- Wer trägt die Kosten des Verfahrens?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer ist für die Jahresabrechnung zuständig, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Verwalter hat?
- Kann ich als einzelner Eigentümer eine fehlende Jahresabrechnung der Gemeinschaft einfordern?
- Muss ich eine Eigentümerversammlung abwarten oder einberufen, bevor ich wegen einer fehlenden Jahresabrechnung klage?
- Was passiert, wenn die Eigentümergemeinschaft gerichtlich zur Erstellung der Jahresabrechnung verurteilt wird?
- Reicht es aus, wenn die Jahresabrechnung nur erstellt wird, oder muss sie auch allen Eigentümern zugeschickt werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 10 S 33/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Stuttgart
- Datum: 31.01.2024
- Aktenzeichen: 10 S 33/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, das die Erstellung und Übersendung der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2017 forderte.
- Beklagte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft, die für das Wirtschaftsjahr 2017 keine Jahresabrechnung erstellt hatte und zeitweise verwalterlos war.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte für das Jahr 2017 keine Jahresabrechnung erstellt und war zeitweise ohne Verwalter. Ein Wohnungseigentümer forderte mittels Klage die Erstellung und Übersendung dieser Abrechnung.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob ein Wohnungseigentümer die Erstellung einer Jahresabrechnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich einfordern kann, auch wenn die Gemeinschaft zeitweise keinen Verwalter hatte und das Thema zuvor nicht in einer Eigentümerversammlung besprochen wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung einer Partei, die die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft im Verfahren unterstützte, gegen das Urteil der Vorinstanz wurde zurückgewiesen. Damit blieb die Verpflichtung der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung und Übersendung der Jahresabrechnung für 2017 bestehen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass eine Klage auf Erstellung einer Jahresabrechnung zulässig ist, ohne dass das Anliegen vorher in einer Eigentümerversammlung behandelt werden muss. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist grundsätzlich zur Abrechnung verpflichtet, unabhängig davon, ob sie einen Verwalter hat.
- Folgen: Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft muss die Jahresabrechnung für 2017 erstellen und dem Kläger sowie den anderen Wohnungseigentümern zusenden. Die Partei, die die Berufung eingelegt hatte, trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Fall vor Gericht
Ein Streit unter Nachbarn: Wer muss die Nebenkostenabrechnung erstellen, wenn der Verwalter fehlt?
Wer in einer Eigentumswohnung lebt, kennt sie: die jährliche Jahresabrechnung. Sie listet alle Einnahmen und Ausgaben der Hausgemeinschaft auf und rechnet ab, wer nachzahlen muss oder eine Gutschrift erhält. Doch was passiert, wenn diese wichtige Abrechnung einfach nicht kommt, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft zeitweise keinen Verwalter hat? Genau diese Frage musste ein Gericht klären. Ein einzelner Eigentümer hatte genug vom Warten und verklagte seine eigene Gemeinschaft auf Erstellung der Abrechnung für ein Jahre zurückliegendes Wirtschaftsjahr.
Der lange Weg zur Abrechnung für das Jahr 2017

Die Ausgangslage war verfahren: Ein Wohnungseigentümer, der Kläger, und die anderen Mitglieder der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft (alle Eigentümer des Gebäudes zusammen) warteten vergeblich auf die Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2017. Die damalige Verwaltung hatte diese schlicht nicht erstellt. Erschwerend kam hinzu, dass die Gemeinschaft für eine gewisse Zeit komplett ohne einen Hausverwalter dastand. Man spricht hier von einer „verwalterlosen Gemeinschaft“.
Der klagende Eigentümer wollte diese Situation nicht länger hinnehmen. Er war der Meinung, dass ihm ein direkter Anspruch gegen die Gemeinschaft zustehe, diese Abrechnung zu erstellen und ihm zuzusenden. Deshalb reichte er eine sogenannte Leistungsklage ein. Das ist eine Klage, mit der man jemanden dazu zwingen will, eine bestimmte Handlung vorzunehmen – in diesem Fall, die Abrechnung zu erstellen. Ein anderer Miteigentümer, der in diesem Verfahren als Nebenintervenient (eine Person, die sich auf der Seite einer der Hauptparteien am Prozess beteiligt, weil sie ein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang hat) auftrat, schloss sich der beklagten Gemeinschaft an und forderte, die Klage abzuweisen. Er war also gegen die Forderung seines Miteigentümers.
Das Kernproblem: Darf ein einzelner Eigentümer die ganze Gemeinschaft verklagen?
Der Streit landete zunächst vor dem Amtsgericht Böblingen. Der unterstützende Miteigentümer brachte vor allem zwei Argumente vor, warum die Klage seiner Meinung nach scheitern müsse. Was genau waren seine Bedenken?
Die erste Hürde: Die fehlende Diskussion in der Eigentümerversammlung
Sein erstes Argument war, die Klage sei unzulässig. Der Grund: Es fehle an einer sogenannten Vorbefassung der Eigentümerversammlung. Damit ist gemeint, dass ein Eigentümer ein Anliegen zuerst in die Eigentümerversammlung einbringen muss, damit alle gemeinsam darüber beraten und einen Beschluss fassen können. Er argumentierte, es sei treuwidrig – also grob unfair –, die Gemeinschaft zu verklagen, die ohne Verwalter quasi „wehrlos“ und „handlungsunfähig“ sei. Man hätte das Problem erst einmal gemeinsam besprechen müssen.
Die zweite Hürde: Eine Klage gegen eine „handlungsunfähige“ Gemeinschaft?
Sein zweites Argument war, die Klage sei zumindest unbegründet. Eine Gemeinschaft ohne Verwalter sei handlungsunfähig. Wie könne man sie also dazu verurteilen, eine Verwaltungsaufgabe zu erfüllen, die sie gar nicht erbringen kann? Er forderte quasi eine Pause für die Pflichten der Gemeinschaft, solange kein Verwalter da ist. Ein Urteil wäre ohnehin nicht vollstreckbar, also nicht durchsetzbar.
Das Amtsgericht sah das jedoch anders. Es verurteilte die Wohnungseigentümergemeinschaft dazu, die Abrechnung für 2017 zu erstellen und zu übersenden. Die Richter dort meinten, die Pflicht zur Abrechnung treffe die Gemeinschaft als Ganzes, nicht nur den Verwalter. Wenn kein Verwalter da ist, müsse die Gemeinschaft eben einen neuen bestellen oder eine externe Firma beauftragen. Das Gebot der Vorbefassung gelte hier nicht. Dagegen legte der unterstützende Miteigentümer Berufung ein, sodass der Fall vor dem Landgericht Stuttgart landete.
Die Entscheidung des Landgerichts: Der Eigentümer bekommt Recht
Das Landgericht Stuttgart wies die Berufung des unterstützenden Miteigentümers zurück. Das bedeutet, das Urteil des Amtsgerichts wurde bestätigt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss die fehlende Jahresabrechnung für 2017 erstellen und dem klagenden Eigentümer zusenden. Der unterstützende Miteigentümer, der die Berufung eingelegt hatte, muss die Kosten für dieses Berufungsverfahren tragen.
Warum das Gericht so entschied: Eine schrittweise Erklärung
Um zu verstehen, warum das Gericht zu diesem Ergebnis kam, müssen wir uns seine Argumentation Schritt für Schritt ansehen. Es prüfte die Einwände des unterstützenden Miteigentümers Punkt für Punkt.
Ist die Klage überhaupt richtig angekommen?
Zuerst musste das Gericht klären, ob die Klage der Gemeinschaft überhaupt wirksam zugestellt wurde, also rechtlich korrekt übergeben wurde. Denn ohne Verwalter gab es keinen offiziellen Ansprechpartner. Das Gericht stellte klar: Ja, die Zustellung war wirksam. Das Gesetz regelt, dass bei einer verwalterlosen Gemeinschaft alle Eigentümer gemeinsam zur Vertretung berechtigt sind. Für eine Klagezustellung reicht es dann aus, die Papiere nur einem einzigen Wohnungseigentümer zuzustellen. Man kann das vergleichen mit einem Brief an eine Wohngemeinschaft: Wenn ein Mitglied den Brief annimmt, gilt er als für die ganze WG zugestellt.
Muss man immer erst in der Versammlung fragen?
Der wichtigste Punkt war die Frage der fehlenden Vorbefassung. Muss ein Eigentümer wirklich immer erst die Eigentümerversammlung anrufen, bevor er klagen darf? Das Gericht sagte hier ganz klar: Nein, nicht in diesem Fall. Das Gebot der Vorbefassung gilt nur für eine ganz bestimmte Art von Klage, die sogenannte Beschlussersetzungsklage. Eine solche Klage erhebt man, wenn man will, dass das Gericht einen bestimmten Beschluss fasst, den die Eigentümerversammlung nicht fassen wollte oder konnte. Ein Beispiel wäre: Ein Eigentümer will, dass das Dach repariert wird, die Versammlung lehnt ab, also klagt er darauf, dass das Gericht die Reparatur beschließt.
Die Erstellung einer Jahresabrechnung ist aber kein Beschluss, sondern ein reines Zahlenwerk, eine Rechenschaftslegung. Wenn die Gemeinschaft diese Pflicht nicht erfüllt, kann man sie nicht mit einer Beschlussersetzungsklage dazu zwingen. Stattdessen muss der Eigentümer eine Leistungsklage erheben, wie es hier geschehen ist. Und für diese Art von Klage gilt das Gebot der Vorbefassung nicht. Man fordert hier eine geschuldete Leistung ein, ähnlich wie wenn man einen Handwerker verklagt, damit er die bezahlte, aber nicht durchgeführte Reparatur endlich erledigt.
Wer ist wirklich für die Abrechnung verantwortlich – der Verwalter oder die Gemeinschaft?
Aber wer schuldet diese Leistung denn nun? Der Verwalter oder die Gemeinschaft? Das Gesetz sagt zwar, dass der Verwalter die Abrechnung aufstellt. Das Gericht erklärte jedoch, dass dies nur die Aufgabenverteilung innerhalb der Gemeinschaft beschreibt (die sogenannte Organzuständigkeit). Der eigentliche Schuldner der Abrechnungspflicht ist aber immer die Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes.
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen in einem Restaurant ein Essen. Der Koch ist dafür zuständig, es zuzubereiten. Wenn der Koch aber plötzlich krank wird, können Sie trotzdem vom Restaurant verlangen, dass Sie Ihr Essen bekommen. Das Restaurant ist Ihr Vertragspartner und schuldet Ihnen die Leistung, nicht der Koch persönlich. Genauso ist es hier: Die Gemeinschaft schuldet die Abrechnung, und der Verwalter ist nur das „Organ“, das sie ausführt. Fehlt das Organ, muss die Gemeinschaft einen Weg finden, ihre Pflicht trotzdem zu erfüllen. Da im Laufe des Berufungsverfahrens ohnehin eine neue Verwaltung bestellt wurde, war das Argument der „Handlungsunfähigkeit“ endgültig vom Tisch.
Muss die fertige Abrechnung auch verschickt werden?
Zuletzt bestätigte das Gericht, dass die Pflicht zur Erstellung der Abrechnung auch die Pflicht beinhaltet, diese jedem einzelnen Eigentümer mitzuteilen. Es reicht also nicht, die Abrechnung nur zu erstellen und in einem Ordner abzulegen. Sie muss aktiv an jeden Eigentümer übersendet werden.
Wer trägt die Kosten des Verfahrens?
Die Kostenentscheidung war eine logische Folge des Urteils. Wer ein Gerichtsverfahren verliert, trägt in der Regel die Kosten. Hier war es der unterstützende Miteigentümer, der die Berufung eingelegt hatte. Da seine Berufung erfolglos war, muss er die dafür angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten übernehmen. Dies gilt insbesondere, da die beklagte Gemeinschaft selbst im Berufungsverfahren untätig geblieben war und er den Prozess allein vorangetrieben hatte.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil macht klar, dass Wohnungseigentümer einen direkten Anspruch gegen ihre Gemeinschaft haben, fehlende Jahresabrechnungen zu erstellen und zuzusenden – auch wenn zeitweise kein Hausverwalter da ist. Ein Eigentümer muss nicht erst in der Eigentümerversammlung um Erlaubnis fragen, bevor er seine Gemeinschaft auf die Abrechnung verklagt, da es sich um eine geschuldete Verwaltungsleistung und nicht um einen Gemeinschaftsbeschluss handelt. Die Verantwortung für die Abrechnung liegt letztendlich bei der Eigentümergemeinschaft als Ganzes, nicht nur beim Verwalter – fehlt dieser, muss die Gemeinschaft eben einen neuen bestellen oder externe Hilfe beauftragen. Das Urteil stärkt die Rechte einzelner Eigentümer erheblich und verhindert, dass wichtige Abrechnungen einfach „unter den Tisch fallen“, nur weil gerade Chaos in der Hausverwaltung herrscht.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer ist für die Jahresabrechnung zuständig, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Verwalter hat?
Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) selbst ist für die Erstellung der Jahresabrechnung zuständig, auch wenn sie keinen externen oder internen Verwalter bestellt hat. Viele Eigentümer glauben fälschlicherweise, dass diese Aufgabe ausschließlich einem bestellten Verwalter obliegt. Tatsächlich gehört die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung jedoch zur grundlegenden Aufgabe der gesamten Gemeinschaft, die ihre Finanzen transparent darlegen muss.
Die Pflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Erstellung einer Jahresabrechnung ist eine gesetzliche Pflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie dient dazu, alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft über ein Wirtschaftsjahr zu dokumentieren und die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Eigentümer übersichtlich darzustellen. Diese Pflicht bleibt auch dann bestehen, wenn die Gemeinschaft aktuell keinen Verwalter hat. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als juristische Person muss dafür sorgen, dass diese Aufgabe erfüllt wird, um eine ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums sicherzustellen.
Möglichkeiten der Gemeinschaft zur Erfüllung der Pflicht
Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Verwalter hat, stehen ihr verschiedene Wege offen, um ihrer Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nachzukommen:
- Bestellung eines neuen Verwalters: Der naheliegendste Weg ist die zeitnahe Bestellung eines neuen professionellen Verwalters. Dies geschieht in der Regel durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer auf einer Eigentümerversammlung. Ein bestellter Verwalter übernimmt dann die komplette kaufmännische Verwaltung, wozu auch die Erstellung der Jahresabrechnung gehört.
- Beauftragung externer Dienstleister: Die Gemeinschaft kann auch beschließen, einen externen Dienstleister ausschließlich mit der Erstellung der Jahresabrechnung zu beauftragen. Dies könnte beispielsweise ein Steuerberater, ein Buchhaltungsbüro oder ein auf Immobilien spezialisierter Service sein. Diese Option ist sinnvoll, wenn die Verwaltersuche Zeit in Anspruch nimmt oder die Gemeinschaft die Abrechnung kurzfristig erstellen lassen möchte. Wichtig ist, dass die hierfür notwendigen Unterlagen (Belege, Kontoauszüge etc.) vom jeweils zuständigen Organ oder den beauftragten Eigentümern gesammelt und bereitgestellt werden.
Kann ich als einzelner Eigentümer eine fehlende Jahresabrechnung der Gemeinschaft einfordern?
Als einzelner Wohnungseigentümer haben Sie grundsätzlich das Recht, die Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung von Ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) einzufordern, wenn diese aussteht. Dieses Recht ist ein individueller Anspruch jedes Eigentümers und muss nicht erst von der gesamten Eigentümergemeinschaft beschlossen werden.
Ihr individueller Anspruch auf die Jahresabrechnung
Die Jahresabrechnung ist für jeden Wohnungseigentümer von großer Bedeutung. Sie zeigt Ihnen nicht nur die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft auf, sondern auch, wie hoch Ihr persönlicher Anteil an den Kosten war und ob Sie Nachzahlungen leisten oder Guthaben erhalten. Ohne eine Jahresabrechnung können Sie Ihre eigenen finanziellen Verpflichtungen nicht korrekt überprüfen und Ihre Rechte als Eigentümer nicht vollumfänglich ausüben.
Der Verwalter der WEG ist gesetzlich dazu verpflichtet, eine Jahresabrechnung zu erstellen und vorzulegen (§ 28 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes – WEG). Kommt der Verwalter dieser Pflicht nicht nach, kann jeder einzelne Eigentümer diesen Anspruch geltend machen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten wissen, wie Ihr Hausgeld verwendet wurde – die Jahresabrechnung gibt Ihnen hierüber Auskunft. Dieser Anspruch richtet sich dabei nicht direkt an den Verwalter persönlich, sondern an die Wohnungseigentümergemeinschaft, die vom Verwalter oder im Falle seiner Untätigkeit von den übrigen Eigentümern vertreten wird.
Durchsetzung des Anspruchs
Da es sich um einen individuellen Anspruch handelt, ist kein vorheriger Beschluss der Eigentümergemeinschaft erforderlich, um die fehlende Jahresabrechnung einzufordern. Sie müssen also nicht warten, bis die Mehrheit der Eigentümer entscheidet, die Abrechnung zu verlangen. Wenn alle außer Ihnen untätig bleiben, können Sie dennoch aktiv werden.
Sollte die Jahresabrechnung trotz Aufforderung nicht erstellt werden, kann dieser individuelle Anspruch im äußersten Fall auch gerichtlich durchgesetzt werden. Das bedeutet, ein einzelner Eigentümer kann eine Klage erheben, um die Gemeinschaft zur Erstellung der Abrechnung zu verpflichten. Dieses Vorgehen zeigt, wie wichtig der Gesetzgeber die Transparenz über die Finanzen der Gemeinschaft für jeden einzelnen Eigentümer bewertet.
Muss ich eine Eigentümerversammlung abwarten oder einberufen, bevor ich wegen einer fehlenden Jahresabrechnung klage?
Die direkte Antwort: Klage auf Erstellung der Jahresabrechnung
Nein, grundsätzlich müssen Sie keine Eigentümerversammlung abwarten oder selbst einberufen, bevor Sie Klage auf Erstellung einer fehlenden Jahresabrechnung erheben. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung ist eine direkte gesetzliche Aufgabe des Verwalters, die dieser regelmäßig und fristgerecht erfüllen muss. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob die Eigentümergemeinschaft dies durch einen Beschluss einfordert oder nicht.
Warum die Unterscheidung wichtig ist: Leistungsklage vs. Beschlussersetzungsklage
Im Recht der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gibt es unterschiedliche Arten von Klagen, und die Notwendigkeit einer vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung hängt stark von der Art des Klageziels ab:
- Klage auf Leistung (Leistungsklage): Stellen Sie sich vor, jemand hat eine direkte Pflicht zu erfüllen. Bei einer Leistungsklage fordert man genau diese Erfüllung der Pflicht. Die Erstellung der Jahresabrechnung ist eine solche direkte Pflicht des Verwalters, die sich aus dem Gesetz und dem Verwaltervertrag ergibt. Sie ist also keine Entscheidung, die die Eigentümerversammlung erst treffen müsste. Für eine Klage, die den Verwalter zur Erstellung der Jahresabrechnung zwingen soll, ist daher keine vorherige Befassung der Versammlung erforderlich. Der Eigentümer hat einen direkten Anspruch darauf, dass diese Pflicht erfüllt wird.
- Klage auf Beschlussersetzung (Beschlussersetzungsklage): Diese Klageart kommt ins Spiel, wenn die Eigentümerversammlung eigentlich eine Entscheidung hätte treffen müssen, dies aber nicht getan hat oder eine fehlerhafte Entscheidung getroffen hat. Hierbei bittet man das Gericht, die fehlende oder falsche Entscheidung der Versammlung zu ersetzen und selbst eine verbindliche Regelung zu schaffen. Für diese Art von Klagen ist die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung in der Regel zwingend notwendig (dies nennt man den Grundsatz der „Vorbefassung“). Das Gericht soll nur dann an die Stelle der Versammlung treten, wenn diese ihre Aufgabe nicht oder nicht richtig erledigt hat.
Was das für Sie bedeutet
Für Sie als Wohnungseigentümer bedeutet dies, dass Ihr Anspruch auf die Erstellung der Jahresabrechnung unabhängig von einem Beschluss der Eigentümerversammlung besteht. Da die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung eine direkte und laufende Aufgabe des Verwalters ist, müssen Sie die Versammlung nicht „dazu auffordern“, diese Pflicht einzuhalten, bevor Sie gerichtliche Schritte einleiten. Sie können Ihren Anspruch direkt geltend machen, sobald die Jahresabrechnung fällig und überfällig ist.
Was passiert, wenn die Eigentümergemeinschaft gerichtlich zur Erstellung der Jahresabrechnung verurteilt wird?
Wird eine Eigentümergemeinschaft gerichtlich zur Erstellung der Jahresabrechnung verurteilt, bedeutet dies, dass ein Gericht rechtskräftig festgestellt hat, dass die Gemeinschaft ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen ist, eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung zu erstellen. Dieses Urteil ist bindend und muss umgesetzt werden. Es ist kein unverbindlicher Vorschlag, sondern eine einklagbare Verpflichtung.
Die gerichtliche Verpflichtung zur Abrechnung
Die Jahresabrechnung ist für Wohnungseigentümer von großer Bedeutung, da sie Transparenz über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft schafft und die Grundlage für die Höhe des Hausgeldes im nächsten Wirtschaftsjahr bildet. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung ergibt sich direkt aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Ein gerichtliches Urteil bekräftigt diese Pflicht und macht sie zwangsweise durchsetzbar. Das bedeutet, dass die Gemeinschaft, vertreten durch ihren Verwalter oder – falls kein Verwalter vorhanden ist – durch die Eigentümer selbst, nun aktiv werden muss, um die Abrechnung zu erstellen und vorzulegen.
Durchsetzung des Urteils: Die Zwangsvollstreckung
Kommt die Eigentümergemeinschaft der gerichtlichen Anordnung zur Erstellung der Jahresabrechnung nicht fristgerecht nach, kann der klagende Eigentümer die Zwangsvollstreckung des Urteils beantragen. Dies ist der Mechanismus, mit dem der Staat die Einhaltung gerichtlicher Entscheidungen erzwingt.
Die häufigsten Mittel zur Durchsetzung einer solchen Verurteilung sind:
- Zwangsgeld: Das Gericht kann der Gemeinschaft ein Zwangsgeld androhen und später auch festsetzen, wenn die Abrechnung nicht erstellt wird. Dieses Zwangsgeld kann empfindlich hoch sein und muss von der Gemeinschaft aus den gemeinsamen Mitteln gezahlt werden. Das Ziel des Zwangsgeldes ist es, einen finanziellen Druck auf die Gemeinschaft auszuüben, damit sie ihrer Pflicht nachkommt. Es wird in der Regel gegen die Gemeinschaft als Ganzes festgesetzt.
- Ersatzvornahme: Eine weitere und oft praktikablere Möglichkeit ist die sogenannte Ersatzvornahme. Hierbei kann das Gericht auf Antrag des klagenden Eigentümers eine andere Person oder Stelle (beispielsweise einen Sachverständigen oder einen neuen Verwalter) damit beauftragen, die Jahresabrechnung auf Kosten der Eigentümergemeinschaft zu erstellen. Das Urteil erlaubt es dann, die dafür anfallenden Kosten von der Gemeinschaft einzuziehen. Für die betroffenen Eigentümer bedeutet dies, dass sie zusätzliche Kosten für die verspätete Erstellung der Abrechnung tragen müssen, da die Kosten der Zwangsvollstreckung und der Ersatzvornahme ebenfalls der Gemeinschaft auferlegt werden.
Bedeutung für die Eigentümergemeinschaft
Für die Eigentümergemeinschaft und jeden einzelnen Eigentümer hat eine solche Verurteilung erhebliche Konsequenzen. Neben dem finanziellen Aufwand für die gerichtlichen Verfahren, das Zwangsgeld und die Kosten einer möglichen Ersatzvornahme kann das Vertrauen innerhalb der Gemeinschaft leiden. Die ernsthafte Gefahr finanzieller Belastungen und externer Einmischung verdeutlicht, dass gerichtliche Urteile zur Erstellung der Jahresabrechnung keine Bagatelle sind, sondern eine dringende Handlungsaufforderung mit weitreichenden Folgen, wenn ihr nicht nachgekommen wird.
Reicht es aus, wenn die Jahresabrechnung nur erstellt wird, oder muss sie auch allen Eigentümern zugeschickt werden?
Es reicht nicht aus, wenn die Jahresabrechnung lediglich erstellt wird. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung umfasst stets auch die Pflicht zur Mitteilung und Übermittlung an jeden einzelnen Wohnungseigentümer.
Dieser Versand ist entscheidend, damit Sie als Eigentümer die Einnahmen und Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft nachvollziehen und überprüfen können. Nur durch die tatsächliche Kenntnisnahme der Abrechnung können Transparenz geschaffen und Ihre Rechte zur Kontrolle der Finanzen wahrgenommen werden. Ohne die Zusendung oder eine andere Form der Übermittlung wäre eine wirksame Prüfung der getätigten Ausgaben nicht möglich.
Die Übermittlung der Jahresabrechnung ist damit ein wesentlicher Bestandteil der ordnungsgemäßen Verwaltung. Sie ist zudem Voraussetzung dafür, dass die Eigentümer auf einer Versammlung wirksame Beschlüsse fassen können, beispielsweise über die Genehmigung der Abrechnung oder die Entlastung des Verwalters. Für Sie als Wohnungseigentümer bedeutet dies, dass Sie einen Anspruch darauf haben, die Jahresabrechnung zugesandt oder auf andere Weise zugänglich gemacht zu bekommen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG)
Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Gesamtheit aller Eigentümer einer Immobilie, die in mehreren Wohnungen aufgeteilt ist (§ 10 WEG). Sie ist eine juristische Einheit, die gemeinsam über gemeinschaftliches Eigentum entscheidet und bestimmte Pflichten wahrnimmt, wie beispielsweise die Verwaltung und Abrechnung der gemeinschaftlichen Kosten. Die WEG haftet als Gemeinschaft, auch wenn einzelne Eigentümer unterschiedliche Anteile besitzen. Im vorliegenden Fall ist sie als Gesamtheit dafür verantwortlich, die Jahresabrechnung aufzustellen, auch wenn kein Verwalter bestellt ist.
Leistungsklage
Eine Leistungsklage ist eine gerichtliche Klage, mit der eine bestimmte Handlung von einer anderen Partei verlangt wird, also die Erfüllung einer Leistung (§ 253 ZPO). Im Beispiel will der klagende Eigentümer mit dieser Klage die Wohnungseigentümergemeinschaft dazu verpflichten, die fehlende Jahresabrechnung zu erstellen und zu übermitteln. Anders als eine Beschlussersetzungsklage, mit der ein Gericht anstelle der Eigentümerversammlung einen Beschluss fassen würde, fordert eine Leistungsklage eine bereits bestehende Pflicht zur Leistung ein.
Beispiel: Wenn jemand einen Handwerker bezahlt hat, dieser aber nicht liefert, kann er mittels Leistungsklage auf die ausstehende Arbeit klagen.
Vorbefassung der Eigentümerversammlung
Die Vorbefassung ist ein Grundsatz im Wohnungseigentumsrecht, wonach vor bestimmten gerichtlichen Verfahren die Eigentümerversammlung zuerst über das betreffende Thema beraten und einen Beschluss fassen muss. Dieser Grundsatz gilt insbesondere bei sogenannten Beschlussersetzungsklagen, bei denen die Versammlung handlungsunfähig ist oder nicht entscheidet (§ 43 Abs. 4 WEG). Im vorliegenden Fall wurde jedoch entschieden, dass die Vorbefassung bei einer Leistungsklage zur Erstellung der Jahresabrechnung nicht erforderlich ist, da es sich um die Einforderung einer gesetzlichen Pflicht handelt, keine Beschlussersetzung.
Organzuständigkeit
Organzuständigkeit beschreibt im Wohnungseigentumsrecht die Zuständigkeit und Aufgabenverteilung zwischen der Gemeinschaft (der juristischen Person) und ihren Organen, etwa dem Verwalter. Während der Verwalter als Organ für die tatsächliche Durchführung, etwa die Erstellung der Jahresabrechnung zuständig ist, ist die Verpflichtung zur Herstellung der Leistung rechtlich bei der Gemeinschaft als Ganzes angesiedelt. Im Beispiel bedeutet das, dass auch ohne Verwalter die WEG selbst für die Abrechnung verantwortlich bleibt und für Ersatz durch andere Organe oder Dienstleister sorgen muss.
Beispiel: In einem Unternehmen kann der Geschäftsführer (Organ) bestimmte Aufgaben ausführen, aber rechtlich haftet die Gesellschaft (Organträger).
Zwangsvollstreckung
Die Zwangsvollstreckung ist ein staatliches Verfahren, mit dem die Durchsetzung eines rechtskräftigen Urteils erzwungen wird (§§ 704 ff. ZPO). Falls sich die Wohnungseigentümergemeinschaft weigert, die Jahresabrechnung zu erstellen, kann der klagende Eigentümer die Zwangsvollstreckung beantragen, etwa durch die Androhung eines Zwangsgeldes oder die Ersatzvornahme durch einen Dritten. Ziel ist es, die Gemeinschaft zur Erfüllung ihrer Pflicht zu bewegen, andernfalls entstehende Kosten trägt sie selbst.
Beispiel: Wenn jemand eine Geldforderung per Gerichtsurteil zugestanden bekommt, aber der Schuldner nicht zahlt, kann das Gericht das Geld zwingen einziehen, z.B. durch Kontopfändung.
Nebenintervenient
Ein Nebenintervenient ist eine Person, die sich freiwillig an einem Gerichtsverfahren beteiligt, weil sie ein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang hat, ohne selbst Kläger oder Beklagter zu sein (§ 66 ZPO). Im geschilderten Fall hat ein Miteigentümer die Gemeinschaft unterstützt, indem er sich als Nebenintervenient der Beklagtenseite anschloss, um die Klage gegen die Gemeinschaft abzuwehren. Diese Rolle erlaubt es ihm, eigene Argumente vorzutragen und das Verfahren mitzubestimmen, ohne selbst Hauptpartei zu sein.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs. 5 Wohnungseigentumsgesetz (WEG a.F.) zur Jahresabrechnungspflicht: Dieser Paragraph der alten Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes regelte die Pflicht zur Erstellung einer jährlichen Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Jahresabrechnung dient der transparenten Darstellung der Verwaltungstätigkeit und ermöglicht es den Eigentümern, ihre individuellen Kostenanteile zu ermitteln. Sie ist eine wesentliche Grundlage für die finanzielle Klarheit und die ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Obwohl die Erstellung dieser Abrechnung primär dem Verwalter obliegt, begründet sie eine Grundpflicht der gesamten Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedern. Diese Pflicht ist auch nach der WEG-Reform in § 28 Abs. 1 WEG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG n.F. verankert. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Nichterstellung dieser gesetzlich vorgeschriebenen Jahresabrechnung für 2017 war der direkte Auslöser für die Klage des Eigentümers und Kern des gesamten Rechtsstreits. Das Gericht stellte klar, dass die Gemeinschaft als solche zur Abrechnung verpflichtet ist, unabhängig vom Fehlen eines Verwalters.
- Wohnungseigentumsgesetz (WEG) allgemein: Das Wohnungseigentumsgesetz reg das Sondereigentum an Wohnungen und die damit verbundene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es schafft die rechtlichen Grundlagen für das Zusammenleben und die Verwaltung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Das WEG definiert Rechte und Pflichten der Eigentümer untereinander sowie die Aufgaben des Verwalters und der Eigentümerversammlung. Es ist die zentrale Rechtsquelle für alle Belange des Wohnungseigentums und wurde im Jahr 2020 umfassend reformiert. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das gesamte Verfahren basiert auf den Vorschriften des WEG, das die rechtliche Struktur der Gemeinschaft und die grundlegenden Ansprüche der Eigentümer auf ordnungsgemäße Verwaltung festlegt. Es bildet den Rahmen für die Frage, wer welche Pflichten hat und wie diese durchgesetzt werden können.
- § 10 Abs. 6 Satz 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG a.F.) zur Rechtsfähigkeit der WEG: Dieser Paragraph der alten Fassung des WEG stellte klar, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst eine eigenständige juristische Einheit ist, die als solche im Rechtsverkehr auftreten, Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaft selbst verklagt werden oder klagen kann, unabhängig von den einzelnen Eigentümern. Sie ist Trägerin der Rechte und Pflichten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums und wird seit der WEG-Reform 2020 in § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG n.F. noch deutlicher als teilrechtsfähiger Verband definiert. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rechtsfähigkeit der beklagten WEG war grundlegend dafür, dass die Klage eines einzelnen Eigentümers gegen die gesamte Gemeinschaft überhaupt zulässig war und diese als Partei vor Gericht auftreten konnte. Dies widerlegte das Argument der „Handlungsunfähigkeit“ der Gemeinschaft.
- Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere die Klagearten Leistungsklage und Beschlussersetzungsklage: Die Zivilprozessordnung regelt das Verfahren vor den Zivilgerichten und unterscheidet verschiedene Klagearten. Eine Leistungsklage zielt darauf ab, dass das Gericht jemanden zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung verurteilt, weil eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht besteht. Eine Beschlussersetzungsklage hingegen wird im Wohnungseigentumsrecht erhoben, um einen gerichtlichen Beschluss zu erwirken, der einen Beschluss der Eigentümerversammlung ersetzt, weil die Versammlung keinen wirksamen Beschluss fassen konnte oder wollte. Die Wahl der richtigen Klageart ist entscheidend für die Zulässigkeit und Erfolgsaussichten eines Verfahrens. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Unterscheidung dieser Klagearten war ausschlaggebend für die Gerichtsentscheidung zur „Vorbefassungspflicht“, da diese nur für Beschlussersetzungsklagen gilt, nicht aber für die hier erhobene Leistungsklage auf Erstellung der Abrechnung.
- § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Grundsatz von Treu und Glauben: Dieser fundamentale Paragraph des BGB besagt, dass jeder Schuldner seine Leistung so zu erbringen hat, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Er ist ein allgemeiner Verhaltensgrundsatz, der dazu dient, übermäßige Formalitäten zu vermeiden und die Fairness im Rechtsverkehr zu gewährleisten. Aus ihm werden oft ungeschriebene Pflichten abgeleitet, wie das Gebot der Rücksichtnahme oder das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Im WEG-Recht fließt er beispielsweise in die Anforderung einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung ein, um der Gemeinschaft die Möglichkeit zur Selbstorganisation zu geben. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte argumentierte auf Basis dieses Grundsatzes, die Klage sei wegen fehlender „Vorbefassung“ der Eigentümerversammlung treuwidrig und damit unzulässig, was vom Gericht jedoch für die Leistungsklage auf Abrechnung verneint wurde.
Das vorliegende Urteil
LG Stuttgart – Az.: 10 S 33/22 – Urteil vom 31.01.2024
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