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WEG-Gemeinschaft darf Rechtsanwalt beauftragen Hausgeldforderungen einzufordern

Die Erbengemeinschaft haftet für rückständige Hausgelder und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, unabhängig von ihrer finanziellen Lage. Der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ gilt auch im Fall von Erbfällen, bei denen die Erben als Gesamtschuldner haften.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 980a C 7/23 WEG >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die unbekannten Erben als Beklagte wurden als Gesamtschuldner zur Zahlung der rückständigen Hausgeldforderungen verurteilt.
  • Die Erben waren mit den Wohngeldzahlungen seit dem Erbfall in Verzug, unabhängig vom Verschulden des Nachlasspflegers.
  • Der Nachlasspfleger hätte zumindest ein Schuldanerkenntnis abgeben müssen, um der Klägerin einen Titel zu verschaffen.
  • Die Erben können sich nicht auf fehlende Geldmittel berufen – „Geld hat man zu haben“.
  • Eine Dürftigkeitseinrede wegen Überschuldung des Nachlasses wurde nicht vorgetragen.
  • Die Erben gaben Veranlassung zur Klageerhebung, da keine Reaktion auf die Mahnung erfolgte.
  • Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klägerin waren als Verzögerungsschaden zu ersetzen.
  • Das Teilanerkenntnis der Erben führte nicht zur Anwendung der Kostenregelung des § 93 ZPO.
  • Die Geldmittel aus einem möglichen Immobilienverkauf sind für die Bedienung der Forderungen zu verwenden.

WEG-Klage: Erben haftbar für Hausgeld und Anwaltskosten

(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) sind rechtlich komplexe Gemeinschaften, in denen zahlreiche Rechte und Pflichten der Eigentümer aufeinandertreffen. Eine zentrale Aufgabe ist dabei die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Einforderung von Beiträgen, den sogenannten Hausgeldvorauszahlungen, von den Eigentümern. Häufig ist dies in der Praxis eine Herausforderung, da nicht alle Eigentümer ihren finanziellen Verpflichtungen fristgerecht nachkommen.

In solchen Fällen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten der WEG zur Verfügung stehen, um rückständige Zahlungen einzufordern. Eine zentrale Rolle spielt dabei oft der Einsatz eines Rechtsanwalts, der die Interessen der Gemeinschaft vertreten und die ausstehenden Forderungen rechtlich durchsetzen kann. Inwieweit eine WEG dazu berechtigt ist, einen Anwalt zu beauftragen und ob die daraus entstehenden Kosten von den säumigen Eigentümern getragen werden müssen, ist Gegenstand kontroverser juristischer Diskussionen.

Das folgende Gerichtsurteil eines Amtsgerichts in Hamburg befasst sich eingehend mit dieser Thematik und liefert wichtige Erkenntnisse für die Praxis von Wohnungseigentümergemeinschaften.

Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg im Detail

Streit um Hausgeldforderungen: Erbengemeinschaft in der Pflicht

In diesem Fall stritt eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit den unbekannten Erben eines verstorbenen Wohnungseigentümers um ausstehende Hausgeldzahlungen. Der Erblasser war bis zu seinem Tod im Mai 2021 Mitglied der WEG. Nach Eintritt des Erbfalls wurden jedoch keine Hausgeldzahlungen mehr geleistet. Die WEG beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, um ihre Forderungen gegenüber dem Nachlass geltend zu machen. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob die Erbengemeinschaft verpflichtet ist, die rückständigen Hausgelder zu zahlen und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der WEG zu tragen.

Entscheidung: Erben haften für Hausgeld und Anwaltskosten

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg entschied zugunsten der WEG. Die Erben wurden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, die ausstehenden Hausgelder in Höhe von 12.303,23 Euro zuzüglich Zinsen an die WEG zu zahlen. Darüber hinaus müssen sie auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,10 Euro nebst Zinsen tragen.

Verzug der Erbengemeinschaft trotz Nachlasspfleger

Das Gericht stellte fest, dass die Erbengemeinschaft seit Eintritt des Erbfalls mit den Hausgeldzahlungen in Verzug war. Dies gelte unabhängig davon, ob der eingesetzte Nachlasspfleger ein Verschulden an der Nichtzahlung der fälligen Beträge traf. Ein Erbfall und die damit verbundene Gesamtrechtsnachfolge setze keine Kenntnis der Erben voraus. Daher wirke ein bestehender Verzug automatisch auch gegen die Erben.

Zahlungspflicht der Erben unabhängig von finanziellen Mitteln

Die Erbengemeinschaft konnte sich auch nicht darauf berufen, dass ihr die finanziellen Mittel zur Begleichung der Forderungen fehlten. Das Gericht betonte den Grundsatz „Geld hat man zu haben“ und stellte klar, dass ein Verzug auch dann vorliegt, wenn dem Schuldner die zur Leistung erforderlichen Geldmittel fehlen. Demnach müsste die Erbengemeinschaft anderweitig Mittel beschaffen, z.B. durch einen Verkauf der geerbten Immobilie.

Rechtsanwaltskosten als Verzögerungsschaden

Die Erbengemeinschaft wurde zur Übernahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der WEG verurteilt, da sie Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hatte. Der Nachlasspfleger hatte die WEG zwar über Monate hinweg vertröstet und eine Verwertung der Immobilie in Aussicht gestellt, jedoch keine konkreten Schritte unternommen, um die Forderungen zu erfüllen. Die WEG war daher gezwungen, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um ihre Interessen durchzusetzen.

✔ FAQ zum Thema: Rechtliche Pflichten von WEG und Erben


Was sind die Pflichten der Erbengemeinschaft gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft?

Tritt eine Erbengemeinschaft durch Erbfall in eine Wohnungseigentümergemeinschaft ein, übernimmt sie grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten, die auch der Erblasser als Wohnungseigentümer hatte. Dazu gehört insbesondere die Verpflichtung, die laufenden Kosten und Lasten des Gemeinschaftseigentums mitzutragen, was sich vor allem in der Pflicht zur Zahlung des Hausgelds niederschlägt.

Das Hausgeld dient dazu, die Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft zu decken, die im jährlichen Wirtschaftsplan veranschlagt werden. Dazu zählen Kosten für Verwaltung, Instandhaltung, Versicherungen und andere gemeinschaftliche Aufwendungen. Die Erbengemeinschaft schuldet das Hausgeld der Wohnungseigentümergemeinschaft in voller Höhe, unabhängig davon, ob einzelne Miterben zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig sind.

Kommt die Erbengemeinschaft ihrer Zahlungspflicht nicht nach, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft die rückständigen Hausgelder einklagen und vollstrecken. Dabei richtet sich der Zahlungsanspruch gegen die Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Die Miterben haften als Gesamtschuldner, d.h. jeder von ihnen kann auf das volle Hausgeld in Anspruch genommen werden.

Neben der Pflicht zur Hausgeldzahlung treffen die Erbengemeinschaft auch alle weiteren Pflichten, die sich aus der Gemeinschaftsordnung und den Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung ergeben. Dazu können etwa Verhaltensregeln zur Nutzung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums oder Instandhaltungs- und Modernisierungspflichten gehören. Auch insoweit ist die Erbengemeinschaft gesamthänderisch berechtigt und verpflichtet.

Um sich dauerhaft von den Eigentümerpflichten zu befreien, muss die Erbengemeinschaft im Wege der Erbauseinandersetzung aufgelöst werden. Dann kann das geerbte Wohnungseigentum einem Miterben zugewiesen oder an einen Dritten veräußert werden. Bis dahin bleibt die Erbengemeinschaft aber Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft und muss deren Regeln befolgen.


Wie wirkt sich der Erbfall auf die Zahlungspflichten aus?

Mit dem Erbfall gehen sämtliche vermögensrechtlichen Beziehungen des Erblassers, also sowohl Aktiva als auch Passiva, auf die Erben über. Die Erben treten damit in alle bestehenden Verpflichtungen des Verstorbenen ein und müssen diese grundsätzlich auch erfüllen.

Zu den sogenannten Erblasserschulden, die auf die Erben übergehen, zählen insbesondere vertragliche Verbindlichkeiten wie Mietzahlungen, Ratenzahlungen oder Darlehen. Auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen wie rückständige Steuern oder Abgaben gehören dazu. Die Erben haften für diese „geerbten“ Schulden unbeschränkt, also auch mit ihrem eigenen Vermögen.

Daneben entstehen durch den Erbfall selbst neue Verbindlichkeiten, für die die Erben einstehen müssen, sogenannte Erbfallschulden. Dazu gehören vor allem die Beerdigungskosten, Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche. Auch diese Nachlassverbindlichkeiten treffen die Erben in voller Höhe.

Handelt es sich um eine Erbengemeinschaft, haften alle Miterben als Gesamtschuldner. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich mit ihren Hausgeldforderungen also an jeden einzelnen Erben halten, auch wenn dieser die Zahlung verweigert. Die Erbengemeinschaft muss die laufenden Kosten und Lasten des geerbten Wohnungseigentums, insbesondere das Hausgeld, in vollem Umfang tragen.

Um sich von den ererbten Zahlungspflichten zu befreien, müsste die Erbengemeinschaft im Wege der Erbauseinandersetzung aufgelöst werden. Bis dahin bleiben die Miterben aber Schuldner aller Nachlassverbindlichkeiten und müssen für deren Erfüllung geradestehen.


Welche rechtlichen Schritte kann eine WEG ergreifen, wenn Hausgeldforderungen ausstehen?

Wenn ein Wohnungseigentümer seiner Pflicht zur Zahlung des Hausgeldes nicht nachkommt, stehen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um die ausstehenden Beträge einzufordern.

Als erster Schritt empfiehlt es sich, das persönliche Gespräch mit dem säumigen Eigentümer zu suchen und die Gründe für den Zahlungsrückstand zu klären. Lässt sich keine einvernehmliche Lösung finden, sollte die WEG den Eigentümer schriftlich abmahnen und zur Zahlung auffordern. Hierfür ist kein Beschluss der Eigentümerversammlung erforderlich, da der Verwalter dazu seit der WEG-Reform 2020 im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung allein berechtigt ist.

Bleibt die Abmahnung erfolglos, kann die WEG die gerichtliche Geltendmachung der Hausgeldforderungen beschließen. Der Verwalter darf die Forderungen dann ohne weiteren Beschluss einklagen, wenn er sich im Rahmen der ihm nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG eingeräumten Befugnisse hält. Er muss die Gemeinschaft im Prozess als deren gesetzlicher Vertreter vertreten.

Zur gerichtlichen Durchsetzung kann der Verwalter zunächst einen Mahnbescheid gegen den Schuldner beantragen. Widerspricht dieser dem Mahnbescheid nicht, kann die WEG einen Vollstreckungsbescheid erwirken und daraus die Zwangsvollstreckung betreiben. Andernfalls muss sie Klage erheben. Dafür kann der Verwalter einen Rechtsanwalt beauftragen, ohne dass es eines gesonderten Beschlusses der WEG bedarf. Die Beauftragung ist schon dann zulässig, wenn die WEG das Bestehen der Forderungen für plausibel hält.

Erstreitet die WEG einen Titel gegen den Schuldner, stehen ihr als Vollstreckungsmaßnahmen insbesondere die Pfändung von Bankkonten und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung offen. Besitzt der Schuldner selbst eine vermietete Eigentumswohnung, kann auch die Pfändung und Überweisung der Mietzinsansprüche in Betracht kommen.

In Ausnahmefällen darf die WEG sogar beschließen, den Schuldner bei erheblichen Hausgeldrückständen von mindestens 6 Monaten von der Wasser-, Strom- und Heizungsversorgung auszuschließen. Als Ultima Ratio kommt schließlich die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums in Betracht. Dabei muss der Verwalter die offenen Hausgelder im Versteigerungsverfahren auch ohne gesonderten Beschluss anmelden, um sie aus dem Erlös zu erhalten.


Inwiefern haften die Erben gesamtschuldnerisch für ausstehende Verbindlichkeiten?

Miterben haften für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten wie ausstehende Hausgelder grundsätzlich als Gesamtschuldner. Das bedeutet, ein Gläubiger des Erblassers kann die geschuldete Leistung nach seinem Belieben von jedem einzelnen Miterben ganz oder teilweise fordern.

Diese gesamtschuldnerische Haftung gilt sowohl vor als auch nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Bis zur Erbauseinandersetzung kann jedoch jeder Miterbe die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus seinem Eigenvermögen verweigern. Er haftet dann nur beschränkt mit seinem Erbteil.

Nach der Erbauseinandersetzung besteht die gesamtschuldnerische Haftung fort, eine Beschränkung auf den übernommenen Nachlass ist dann aber nicht mehr möglich. Die Miterben haften nun auch mit ihrem Privatvermögen.

Für den Ausgleich unter den Miterben gilt: Der in Anspruch genommene Miterbe hat gegen die übrigen einen Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB. Dieser verjährt mit Begründung der Gesamtschuld, in der Regel nach drei Jahren ab Kenntnis.

Die gesamtschuldnerische Haftung soll eine disziplinierende Wirkung auf die Miterben entfalten, die Nachlassverbindlichkeiten zügig zu begleichen. Andernfalls droht jedem Einzelnen die persönliche Inanspruchnahme durch die Gläubiger.


Was bedeutet der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ im Kontext der Verpflichtungen einer Erbengemeinschaft?

Der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ bedeutet im Kontext der Verpflichtungen einer Erbengemeinschaft, dass sich die Miterben nicht darauf berufen können, aktuell nicht über ausreichend liquide Mittel zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten zu verfügen.

Die Erbengemeinschaft muss die Nachlassverbindlichkeiten in voller Höhe begleichen, unabhängig davon, ob im Nachlass genügend Bargeld vorhanden ist. Reicht das vorhandene Geld nicht aus, müssen die Miterben andere Nachlassgegenstände, notfalls auch Immobilien, verkaufen, um an Liquidität zu gelangen.

Bis zur Erbauseinandersetzung können die Miterben zwar die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten aus ihrem Privatvermögen verweigern. Sie haften dann nur beschränkt mit ihrem Erbteil. Nach der Erbauseinandersetzung besteht die gesamtschuldnerische Haftung aber unbeschränkt fort.

Die Miterben können sich dann nicht darauf berufen, ihr aus dem Nachlass erhaltenes Vermögen bereits anderweitig verwendet zu haben und daher die Schulden nicht bezahlen zu können. Sie müssen notfalls Gegenstände aus ihrem Privatvermögen veräußern, um zahlungsfähig zu sein.

Der Grundsatz dient dem Gläubigerschutz und soll verhindern, dass sich Schuldner ihrer Leistungspflicht entziehen, indem sie sich auf Geldmangel berufen. Er gilt nicht nur für Erbengemeinschaften, sondern allgemein im Zivilrecht.



§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Gesamtrechtsnachfolge: Dieser Paragraph ist grundlegend, da er die Übertragung des gesamten Vermögens des Verstorbenen auf die Erben regelt. Im Kontext dieses Falles bedeutet das, dass die Erben nicht nur Vermögen, sondern auch die Verbindlichkeiten des Erblassers, einschließlich der ausstehenden Wohngeldforderungen, übernehmen.
  • § 286 BGB – Verzug bei Fälligkeit: Dieser Paragraph ist zentral, weil er regelt, wann ein Schuldner in Verzug gerät. Die Erben waren hier automatisch in Verzug, da sie nach dem Tod des Erblassers die fälligen Zahlungen nicht geleistet haben. Der Verzug trat ein, ohne dass es einer Mahnung bedurfte, da die Fälligkeit und die Höhe der Schulden bekannt waren.
  • § 2058 BGB – Haftung der Erben als Gesamtschuldner: Dieser Paragraph ist wichtig, da er die Haftung der Erben für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner festlegt. Dies bedeutet, dass jeder Erbe für die gesamte Schuld haftbar gemacht werden kann, unabhängig von seinem individuellen Erbteil.
  • § 249 BGB – Schadensersatzpflicht: Besagt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Erben die Rechtsanwaltskosten tragen müssen, die entstanden sind, weil sie die fälligen Zahlungen nicht geleistet haben.
  • § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung: Dieser Paragraph ergänzt § 249 BGB, indem er allgemein eine Schadensersatzpflicht bei Pflichtverletzungen regelt, die im Falle des Zahlungsverzugs der Erben relevant ist.
  • § 1960 BGB – Sicherungspflicht des Nachlasspflegers: Legt fest, dass der Nachlasspfleger die Verpflichtung hat, den Nachlass zu sichern und zu erhalten. Dazu gehört auch, dass er offene Forderungen begleicht, um weiteren Schaden oder Kosten, wie beispielsweise Gerichtskosten, zu vermeiden.

Diese Gesetze und Paragraphen bilden das juristische Fundament des Falles und verdeutlichen, wie die Rechtslage bezüglich der Zahlungspflichten der Erben und der Rolle des Nachlasspflegers im deutschen Recht gestaltet ist. Sie helfen, die rechtlichen Verantwortlichkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft im Kontext von Wohnungseigentum klarzustellen.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980a C 7/23 WEG – Urteil vom 28.07.2023

In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 980a – auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2023 für Recht:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 12.303,23 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.03.2023 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ab März 2023 bis einschließlich Dezember 2023 jeweils zum 3. Werktag eines Monats im Voraus 665,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweils 4. Werktag des Monats zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.054,10 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.03.2023 zu zahlen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist betreffend Ziffer 1) und 2) vorläufig vollstreckbar, im Übrigen nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Pflicht der Beklagten zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und zur Tragung von Prozesskosten im Zusammenhang mit Wohngeldforderungen.

Die Beklagten sind die unbekannten Erben nach Herrn P. M. G., der bis zu seinem Tod am 31.05.2021 Mitglied der Klägerin war. Zum Nachlasspfleger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 14.06.2022 Herr Rechtsanwalt G. J. bestellt.

Auf der Eigentümerversammlung vom 01.07.2021 wurden die „Vorschüsse zur Kostentragung“ für das Jahr 2021 beschlossen; danach entfiel auf die Einheit des o.g. Erblassers monatlich ein Betrag von 710,00 Euro (Anlagen K4 und K5). Auf der Eigentümerversammlung vom 19.04.2022 wurde die „Hausgeldabrechnung 2021“ mit den „Ergebnisse[n] der Einzelabrechnungen über die Einforderung von Nachschüssen (Nachzahlungen) und die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse (Guthaben), in der Fassung vom 16.03.2022“ genehmigt (Anlagen K6 und K7). Daraus ergab sich eine positive Abrechnungsspitze zugunsten der Einheit des Erblassers i.H.v. 1.496,88 Euro. Ferner wurde mit Wirkung ab dem 01.06.2022 der „Wirtschaftsplan 2022“ genehmigt (Anlage K8), woraus sich für die Einheit des Erblassers ein monatlicher Zahlbetrag von 665,00 Euro ergibt.

Für die streitbehaftete Einheit wurden seit 7/2021 keine Zahlungen mehr geleistet. Das seinerzeit noch eingezogene Hausgeld wurde am 12.07.2021 mit einer Gebühr i.H.v. 5,11 Euro zurückgebucht.

Mit E-Mail vom 13.09.2022 (Anlage B1a) wurde die Verwaltung der Klägerin vom o.g. Nachlasspfleger auf folgendes hingewiesen: „(…) zurzeit sind wir noch im Aufbau des Nachlasses, wir warten nunmehr die Fehlenden Bankinformationen und die entsprechenden Gelder ab. Sobald Gelder des Nachlasses verfügbar sind, werden wir Ihre Forderungen begleichen.“

In einer weiteren E-Mail an die Verwaltung vom 27.10.2023 (Anlage B1b) heißt es u.a.: „(…) wir sind nunmehr in der Vorbereitung die Wohnung des oben genannten Erblassers zu verkaufen. Sobald durch den Verkauf der Immobilie Gelder verfügbar sind, werden wir unaufgefordert die aufgelaufenen Rückstände ausgleichen.“ Und in einer E-Mail vom 10.01.2023 (Anlage K9) schrieb der Nachlasspfleger: „(…) derzeitig können wir keinerlei Nachlassverbindlichkeiten bedienen, sodass die C.bank AG aller Voraussicht nach in die Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung gehen wird.“

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19.01.2023 (Anlage K10) forderte die Klägerin gegenüber dem Nachlasspfleger den Nachlass dazu auf, den seit Juli 2021 aufgelaufenen Hausgeldrückstand in Höhe von 11.683,23 Euro bis zum 01.02.2023 auf eines ihrer Konten zu überweisen.

Die Klägerin macht geltend, dass sie mangels einer Zahlung des Nachlasspflegers auf die fälligen Wohngeldforderungen sowie eine Reaktion auf das Schreiben vom 19.01.2023 gezwungen gewesen sei, zur Titulierung ihrer Ansprüche das gerichtliche Verfahren einzuleiten. Die Beklagten seien verpflichtet, die ausstehenden Hausgelder ebenso zu begleichen wie zukünftige, ferner seien sie verpflichtet, ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.054,10 Euro zu tragen. Mit den in Rede stehenden Wohngeldern habe sich der Nachlass durchgehend in Verzug befunden.

Die Klägerin hat mit ihrer ursprünglich gegen den „Nachlass nach P. M. G., vertreten durch den Nachlassverwalter“ gerichteten Klage angekündigt zu beantragen, die Beklagten, hilfsweise als Gesamtschuldner zu verurteilen,

(1) an sie 12.303,23 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

(2) an sie ab März 2023 bis einschließlich Dezember 2023 jeweils zum 3. Werktag eines Monats im Voraus 665,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweils 4. Werktag des Monats zu zahlen;

(3) an sie Klägerin 1.054,10 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 17.03.2023 hat der Nachlasspfleger die Klageanträge zu 1) und 2) für sich anerkannt („Der Beklagte erkennt an, …“).

Auf Hinweis des Gerichts (Verfügung vom 25.04.2023), dass sich die Klage richtigerweise gegen die „unbekannten Erben nach Herrn P. M. G., vertreten durch den Nachlasspfleger G. J. (…)“ richten müsste, weil der Nachlasspfleger selbst nicht Prozesspartei sei, und dass die Beklagten (Erben) für die Klagforderung als Gesamtschuldner haften (§ 2058 BGB), hat der Nachlasspfleger mit Schriftsatz v. 03.05.2023 erklärt, dass „ein weiteres Teilanerkenntnis (…) nur insoweit abgegeben [wird], soweit die unbekannten Erben nach Herrn P. M. G. als Gesamtschuldner haften.“ In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Anpassung des Rubrums gem. Verfügung v. 25.05.2023 beantragt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagten nach Maßgabe ihres Anerkenntnisses und dahin zu verurteilen, dass sie an sie, die Klägerin, 1.054,10 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage – unter Verwahrung gegen die Kostenlast – im Übrigen abzuweisen.

Sie machen geltend, dass sie durch das Verhalten des Nachlasspflegers keine Veranlassung zur Klage gegeben hätten. Dieser habe außergerichtlich mehrfach mitgeteilt, dass bislang – und ohne den Verkauf der Einheit des Erblassers – keine ausreichenden Gelder zur Verfügung stünden, um die Forderungen zu begleichen. Die Forderungen seien auch im Vorwege anerkannt worden. Vor dem Amtsgericht bestehe ferner kein Anwaltszwang, so dass die Klägerin auch selbst hätte klagen können; in diesem Fall wären die Rechtsanwaltskosten nicht angefallen. Nach einem Verkauf der Einheit des Erblassers werde Geld vorhanden sein, um die Forderungen zu bedienen.

Derzeit habe die C.bank AG noch Darlehensforderungen gegen den Nachlass und die Zwangsversteigerung der Immobilie sei ebenfalls eingeleitet; ein freihändiger Verkauf sei noch möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage wurde dem Nachlasspfleger, der die Beklagten vertritt, am 03.03.2023 zugestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) sind die Beklagten ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Das Rubrum war entsprechend der Verfügung des Gerichts zu berichtigen. Die Klage ist den Beklagten am 03.03.2023 zugestellt worden, ab dem Folgetag schulden sie Zinsen.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,10 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 286, 249 BGB.

Die Beklagten („unbekannte Erben“) befanden sich seit dem Eintritt des Erbfalls am 31.05.2021 mit der Zahlung der beschlossenen Wohngelder in Verzug (§ 286 BGB). Anders als die Beklagten (sowie das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek im Schlussurteil vom 01.09.2020 – 750 C 12/20 gemäß Anlage B2 und das Landgericht Kiel im Beschluss vom 20.03.2018 – 4 T 6/18 gemäß Anlage B3) beurteilt das erkennende Gericht das Vertretenmüssen i.S.v. § 286 Abs. 4 BGB nicht anhand des Verschuldens des Nachlasspflegers, sondern bemisst dieses an den Beklagten selbst. Ein Erbfall nach § 1922 BGB sowie die Gesamtrechtsnachfolge setzt eine Kenntnis der Erben davon nicht voraus, so dass auch ein (bestehender) Verzug von selbst gegen die Erben (weiter) wirkt. Die in Anspruch genommenen Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, sind von der Klägerin mehrfach außergerichtlich aufgefordert worden, die fälligen Wohngelder auszugleichen. Die Beklagten haben aber nichts dafür unternommen, der Klägerin insoweit einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen. Im Interesse des Erben hat der Nachlasspfleger etwa klarliegende Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen, wenn so Schäden oder unnötige Prozesse und Kosten vermieden werden (vgl. MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1960 Rn. 73); das gilt auch für die Schaffung eines vollstreckbaren Titels, zumal Grund und Höhe der in Rede stehenden Wohngeldzahlungen vorliegend nicht im Streit standen. Auf die Frage, wann die Beklagten die Forderungen bedienen können, kommt es indes nicht an. Und selbst wenn nach dem Eintritt des Verzuges und der Bestellung des Nachlasspflegers am 14.06.2022 keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden haben, um die streitbehafteten Forderungen zu bedienen, hätten die Beklagten, vertreten durch den Nachlasspfleger, zur (Ab-)Sicherung der fälligen Forderungen zumindest ein notarielles Schuldanerkenntnis abgeben können und müssen, um der Klägerin einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen. Entgegen der Meinung der Beklagten beinhalten die E-Mails des Nachlasspflegers vom 13.09.2022 und vom 27.10.2023 keine entsprechende Erklärung.

Insoweit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Verzug i.S.v. § 286 BGB auch dann vorliegt, wenn dem Schuldner die zur Beschaffung der Leistung erforderlichen Geldmittel fehlen; der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, er habe sich ohne Verschulden die notwendigen Mittel nicht beschaffen können vgl. Ernst, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 286, Rn. 133) – „Geld hat man zu haben“ (§ 276 BGB). Daher entlastet die Beklagten hier ein fehlendes Vertretenmüssen des Nachlasspflegers nicht. Auf das Fehlen einer Dürftigkeitseinrede i.S.v. § 1990 BGB gegenüber der Klägerin kommt es zudem nicht an, zumal eine Überschuldung des Nachlasses weder vorgetragen noch ersichtlich ist.

Auf diese (Haupt-)Forderung haben die Beklagten (Prozess-)Zinsen nach § 291 BGB zu zahlen.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 1 und 709 S. 2 ZPO. Die Anwendung der Kostenregelung in § 93 ZPO zugunsten der Beklagten im Hinblick auf die Klageanträge zu 1) und 2) kommt nicht in Betracht. Die Beklagten habe die Klageforderungen insoweit schon nicht „sofort“ anerkannt, weil der Nachlasspfleger die Klageanträge zu 1) und 2) mit Schriftsatz vom 17.03.2023 – der Klageerwiderung – nur für sich anerkannt hat („Der Beklagte erkennt an, …“) und erst nach Hinweis des Gerichts, dass die „unbekannten Erben“ als Beklagte (und als Gesamtschuldner) haften, das Anerkenntnis insoweit erweitert hat. Hinzu kommt ferner, dass die Beklagten auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben. Die Beklagten befanden sich mit der Begleichung der unstreitigen Forderungen durchgehend in Verzug (s.o.) und auf das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 19.01.2023 hatte ihr Nachlasspfleger nicht reagiert – nachdem er der Klägerin bzw. deren Verwaltung über mehrere Monate hinweg zwar eine Verwertung der Immobilie in Aussicht gestellt, aber diese auch immer wieder vertröstet hatte.

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