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Streitwert bei Herausgabeklagen: Wer ist bei Räumung der WEG zuständig?

Eine Münchner WEG forderte von einem Eigentümer und einem ehemaligen Vertragspartner die Räumung der Dachfläche und den Rückbau eines Aufzugs. Der komplizierte Streitwert bei Herausgabeklagen musste nach einer seltenen Formel berechnet werden, um den gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 102 AR 119/25 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 20.11.2025
  • Aktenzeichen: 102 AR 119/25 e
  • Verfahren: Bestimmung des zuständigen Gerichts
  • Rechtsbereiche: Zuständigkeitsrecht, Wohnungseigentumsrecht, Zivilprozess

  • Das Problem: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von zwei Nutzern die Räumung einer Dachfläche. Sie fordern außerdem den Rückbau einer dort ohne Genehmigung errichteten Aufzugsanlage. Die Nutzer hatten die Fläche trotz beendetem Nutzungsrecht nicht freigegeben.
  • Die Rechtsfrage: Welches Gericht ist für die Klage zuständig, das Amtsgericht oder das Landgericht?
  • Die Antwort: Das Amtsgericht München ist für den gesamten Rechtsstreit zuständig. Obwohl der Streitwert für einen Nutzer die Grenze zum Landgericht überschritt, wählte das Gericht das Amtsgericht. Dies geschah aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit und Spezialisierung.
  • Die Bedeutung: Bei Klagen auf Räumung und Herausgabe von Flächen bemisst sich der Streitwert nach dem 3,5-fachen jährlichen Nutzungsentgelt. Selbst wenn für verschiedene Beklagte unterschiedliche Gerichte zuständig wären, kann ein gemeinsames, sachlich passendes Gericht bestimmt werden.

Wer entscheidet über die Räumung von Gemeinschaftseigentum?

Ein Konflikt über den Dächern von München beschäftigte die Justiz nicht in der Sache selbst, sondern zunächst mit der Frage, wer überhaupt richten darf. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) musste am 20. November 2025 unter dem Aktenzeichen 102 AR 119/25 e klären, welches Gericht zuständig ist, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gegen zwei unterschiedliche Gegner gleichzeitig vorgeht.

Eine massive, aufdringliche Stahlschacht-Konstruktion durchbricht die gemeinschaftliche Dachfläche eines Mehrfamilienhauses.
BayObLG klärt Zuständigkeit bei WEG-Klagen gegen Eigentümer und Nicht-Eigentümer. | Symbolbild: KI

Im Zentrum des Streits steht eine Dachfläche im sechsten Obergeschoss eines Münchner Mehrfamilienhauses und ein dort errichteter Aufzug. Die klagende Eigentümergemeinschaft verlangt von den Antragsgegnern die Räumung dieser Fläche und die Duldung des Rückbaus der Aufzugsanlage.

Die Konstellation ist juristisch vertrackt, weil die beiden Gegner in unterschiedlichen Beziehungen zur Gemeinschaft stehen. Der eine Antragsgegner ist noch Wohnungseigentümer, der andere nicht mehr. Die Gemeinschaft beruft sich darauf, dass ein uraltes Nutzungsrecht aus einem Vergleich von 1995 längst gekündigt sei. Dennoch nutzen die beiden die Fläche weiter und haben besagten Aufzug installiert, der das Dach mit der darunterliegenden Wohnung verbindet – nach Ansicht der Gemeinschaft eine unzulässige bauliche Veränderung. Da die Klägerin den Streitwert pauschal auf 10.000 Euro bezifferte, wollte sie wissen, ob nun das Amtsgericht oder wegen der Höhe der Summe das Landgericht zuständig sei.

Wann ist das Amtsgericht und wann das Landgericht zuständig?

Um die Entscheidung des Senats zu verstehen, muss man die Zweiteilung der deutschen Zivilgerichtsbarkeit kennen. Grundsätzlich landen Streitigkeiten mit einem wirtschaftlichen Wert von bis zu 5.000 Euro vor dem Amtsgericht, alles darüber gehört vor das Landgericht. Das regelt das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in den Paragraphen 23 und 71. Doch es gibt Ausnahmen: Manche Streitigkeiten landen unabhängig vom Geldwert immer beim Amtsgericht. Dazu gehören typische Wohnraummietsachen und, sehr wichtig für diesen Fall, Streitigkeiten, die direkt aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) herrühren, gemäß § 43 Nr. 2 WEG.

Hier prallen zwei Logiken aufeinander. Für den einen Gegner, den aktuellen Eigentümer, ist das Amtsgericht München per Gesetz ausschließlich zuständig, egal wie teuer der Streit ist. Für den anderen, den Nichteigentümer, gilt diese Spezialregel jedoch nicht zwingend. Hier entscheidet der Streitwert. Liegt dieser über der 5.000-Euro-Grenze, wäre eigentlich das Landgericht München I am Zug. Wenn nun gegen beide gemeinsam geklagt wird, entsteht ein Prozessuales Patt. In solchen Fällen erlaubt § 36 der Zivilprozessordnung (ZPO) einem höheren Gericht – hier dem BayObLG –, ein gemeinsames Gericht zu bestimmen, um den Prozess nicht künstlich zu zersplittern.

Wie berechnet sich der Streitwert bei dauerhafter Nutzung?

Das Herzstück dieser Entscheidung ist eine Lehrstunde in Sachen Rechnen vor Gericht. Die Klägerin hatte es sich einfach gemacht und pro Antrag einen sogenannten „Auffangstreitwert“ von 5.000 Euro angesetzt, in der Summe also 10.000 Euro. Damit wäre das Landgericht für den Nichteigentümer zwingend zuständig gewesen. Das BayObLG musste nun prüfen, ob diese Zahl der Realität entspricht oder ein juristisches Luftschloss ist.

Gilt der pauschale oder der errechnete Wert?

Der Senat lehnte die pauschale Schätzung der Klägerin rigoros ab. Stattdessen griff das Gericht zum Taschenrechner und zum Gesetzbuch. Bei einer Klage auf Herausgabe einer Fläche, die auf unbestimmte Zeit genutzt wird, greift § 9 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dieser Paragraph besagt, dass der Wert des Streitgegenstandes mit dem dreieinhalbfachen Wert der einjährigen Nutzung anzusetzen ist. Man kann sich das vorstellen wie bei einer Unternehmensbewertung, wo zukünftige Einnahmen hochgerechnet werden, allerdings kappt das Gesetz diese Prognose hier beim Faktor 3,5.

Das Gericht blickte zurück in den Vergleich aus dem Jahr 1995. Damals wurde ein jährliches Nutzungsentgelt von 1.104,39 Euro vereinbart. Multipliziert man diesen Betrag mit 3,5, ergibt sich ein Streitwert für den Herausgabeantrag von exakt 3.865,37 Euro. Das Gericht betonte, dass weder heutige Marktpreise noch die für Gerichtsgebühren geltende Ein-Jahres-Berechnung nach dem Gerichtskostengesetz (§ 41 GKG) hier Anwendung finden. Es zählt allein die ZPO-Berechnung für die Zuständigkeit.

Reicht das wirtschaftliche Interesse für die Landgerichts-Grenze?

Mit knapp 3.900 Euro war die 5.000-Euro-Hürde für das Landgericht noch nicht genommen. Doch es gab einen zweiten Antrag: Die Duldung des Rückbaus der Aufzugsanlage. Hierbei zählt nicht, was der Abriss kostet, sondern wie stark das Eigentum der Gemeinschaft durch den Aufzug beeinträchtigt wird – etwa durch Wertminderung oder Schäden. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass die Traglast des Daches gefährdet sei und das Risiko für Wasserschäden steige. Das Gericht bewertete dieses Interesse an der Beseitigung der Störung mit „jedenfalls mehr als 1.135 Euro“.

Addiert man nun die 3.865,37 Euro (Herausgabe) und die über 1.135 Euro (Rückbau), überspringt der Gesamtstreitwert die magische Marke von 5.000 Euro. Damit stand fest: Für den Nichteigentümer (Antragsgegner zu 2) wäre rein rechnerisch das Landgericht zuständig gewesen, während für den Wohnungseigentümer (Antragsgegner zu 1) weiterhin das Amtsgericht zuständig war.

Warum griff nicht für beide das WEG-Recht?

Ein spannendes Detail in der Analyse war die Frage, ob man den Nichteigentümer nicht einfach wie einen Eigentümer behandeln könnte, da der Streit ja seinen Ursprung in der Gemeinschaft hatte. Das Gericht verneinte dies. Die Nutzungsvereinbarung von 1995 begründete eine sogenannte „Sonderverbindung“, die bewusst außerhalb des Gemeinschaftsverhältnisses stand. Da der Gegner kein Mitglied der WEG mehr ist, fehlt der „inneren gemeinschaftsbezogene Gehalt“, der eine automatische Zuweisung zum Amtsgericht nach § 43 WEG gerechtfertigt hätte. Es blieb also bei der gespaltenen Zuständigkeit: Einer gehört zum Amtsgericht, der andere eigentlich zum Landgericht.

Kann ein höheres Gericht die Zuständigkeit festlegen?

Da nun zwei verschiedene Gerichte für denselben Lebenssachverhalt zuständig gewesen wären, nutzte das BayObLG seine Kompetenz zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Ziel ist es,widersprüchliche Urteile zu vermeiden und den Prozess ökonomisch zu führen.

Das Ergebnis ist pragmatisch: Der Senat bestimmte das Amtsgericht München als das gemeinsam zuständige Gericht für den gesamten Rechtsstreit. Zwar lag der Streitwert für den einen Gegner über der Amtsgerichtsgrenze, aber für den anderen Gegner war das Amtsgericht ausschließend zuständig. Zudem verfügt das Amtsgericht über spezialisierte Abteilungen für Wohnungseigentumssachen, was eine fachkundige Bearbeitung sicherstellt. Die Klägerin muss ihren Prozess nun also vollumfänglich vor dem Amtsgericht führen, und die dortigen Richter werden über das Schicksal des Aufzugs und der Dachterrasse entscheiden. Die Entscheidung zeigt, dass im Zivilprozess nicht immer der bloße Geldwert entscheidet, sondern die Sachnähe und die Vermeidung unnötiger Verfahrenstrennungen Vorrang haben können.

Die Urteilslogik

Gerichte müssen aktiv berechnen, welchen Wert ein Dauerstreit hat, um die korrekte Zuständigkeit bei komplexen Klagen der Wohnungseigentümergemeinschaft festzulegen.

  • Streitwertberechnung bei unbefristeter Nutzung: Der Streitwert für Herausgabeansprüche bei dauerhafter Nutzung ergibt sich nicht aus einer pauschalen Schätzung, sondern berechnet sich zwingend aus dem 3,5-fachen Wert des jährlichen Nutzungsentgelts nach der Zivilprozessordnung.
  • Grenzen der WEG-Sonderzuständigkeit: Das Gericht wendet die ausschließliche Zuständigkeit für WEG-Sachen nur auf aktuelle Mitglieder der Gemeinschaft an; ehemalige Eigentümer oder Dritte unterliegen der allgemeinen Gerichtsbarkeit, auch wenn der Streit seinen Ursprung im Gemeinschaftsverhältnis fand.
  • Auflösung gespaltener Zuständigkeit: Wenn dieselbe Klage aufgrund unterschiedlicher Beklagtenkonstellationen rechnerisch zu einer Zuständigkeitsteilung (Amtsgericht und Landgericht) führt, bestimmt ein höheres Gericht einen gemeinsamen Gerichtsstand, um widersprüchliche Urteile und Verfahrenszersplitterung zu verhindern.

Die sachliche Nähe und die Vermeidung von Verfahrenstrennungen bestimmen letztlich die Zuständigkeit, auch wenn dies die starren Schwellenwerte des Zivilprozesses durchbricht.


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Experten Kommentar

Wer gegen verschiedene Parteien gleichzeitig klagt, erlebt schnell ein prozessuales Chaos, besonders wenn eine der Parteien nicht mehr den Regeln der WEG unterliegt. Die Gemeinschaft konnte sich hier nicht mit einem geschätzten Streitwert durchmogeln; das Gericht rechnete knallhart nach der 3,5-fachen Jahresnutzung, um die Zuständigkeit präzise zu klären. Der wichtigste Punkt ist die strategische Konsequenz: Obwohl die Berechnung für den Nichteigentümer eigentlich das Landgericht erforderte, zog das BayObLG den gesamten Fall zum WEG-Spezialgericht. Dies ist eine klare Ansage an die Praxis: Ausschließliche, spezialisierte Zuständigkeit, wie sie das Amtsgericht in WEG-Sachen hat, schlägt meist die allgemeine Streitwertgrenze – das sorgt für Fachkompetenz und vermeidet unnötige Doppelverfahren.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Gehören WEG-Klagen immer vor das Amtsgericht, egal wie hoch der Streitwert ist?

Ja, für die meisten Streitigkeiten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft gilt die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts. Dies ist in § 43 Nr. 2 WEG festgelegt und ignoriert die allgemeine Grenze von 5.000 Euro für zivilrechtliche Auseinandersetzungen. Die Regelung stellt sicher, dass typische WEG-Klagen, wie die Anfechtung von Beschlüssen oder die Durchsetzung von Instandhaltungsmaßnahmen, immer vor spezialisierten Richtern verhandelt werden.

Diese spezialisierte Gerichtsbarkeit entfällt jedoch, sobald ein Nichteigentümer involviert ist und der Konflikt keinen starken inneren gemeinschaftsbezogenen Gehalt mehr aufweist. In solchen Fällen richtet sich die Zuständigkeit nach der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit. Übersteigt der Streitwert die Marke von 5.000 Euro, müsste der Prozess gegen den Dritten theoretisch vor dem Landgericht geführt werden.

Nehmen wir an, Sie klagen als Gemeinschaft gegen einen aktuellen Eigentümer und einen externen Dritten (einen Nichteigentümer). Die Zuständigkeit wäre gespalten: Amtsgericht für den Eigentümer, Landgericht für den Dritten. Zur Vermeidung widersprüchlicher Urteile und unnötiger Verfahrenstrennung kann das übergeordnete Gericht (zum Beispiel das Oberlandesgericht) jedoch das Amtsgericht als gemeinsames Verfahrensgericht bestimmen. Die Spezialisierung des Amtsgerichts genießt hierbei oft den Vorzug.

Prüfen Sie bei Streitigkeiten, die Nichteigentümer betreffen, sofort, ob der Streitgegenstand auf einer Sonderverbindung beruht, die eine Loslösung vom WEG-Recht und damit die Zuständigkeit des Landgerichts bedeuten könnte.


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Kann die WEG den Rückbau eines unzulässigen Aufzugs auf dem Dach überhaupt einklagen?

Ja, eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann den Rückbau unzulässiger baulicher Veränderungen auf dem Gemeinschaftseigentum, wie eines eigenmächtig installierten Dachaufzugs, grundsätzlich einklagen. Bei der Klage wird die Duldung der Beseitigung durch den störenden Eigentümer beantragt. Der Anspruch auf den Rückbau resultiert direkt aus der unrechtmäßigen Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums.

Der zentrale Klagegegenstand ist der Beseitigungsanspruch der Gemeinschaft gegen den Miteigentümer, der die Veränderung vorgenommen hat. Eine solche Klage ist erfolgreich, wenn die bauliche Maßnahme (der Aufzug) ohne notwendige Genehmigung errichtet wurde oder die Substanz des Gemeinschaftseigentums tatsächlich gefährdet. Die WEG muss belegen, dass konkrete Risiken für das Objekt entstehen, wie etwa eine Überlastung der Tragkonstruktion des Daches oder ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Wasserschäden.

Für die gerichtliche Zuständigkeit ist die Berechnung des Streitwerts entscheidend. Hierbei zählt nicht, welche Kosten der Abriss des Aufzugs verursacht. Vielmehr bestimmt das wirtschaftliche Interesse der WEG an der Beseitigung der Störung die Höhe des Streitwerts. Die Gerichte bewerten, wie stark die Eigentümergemeinschaft durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt wird, beispielsweise durch die Wertminderung der Gesamtanlage oder die Gefahr zukünftiger Instandsetzungskosten.

Sichern Sie umgehend sachverständige Gutachten oder Ingenieursberichte, welche die konkrete Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums durch die bauliche Veränderung detailliert belegen.


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Wie berechnet sich der Streitwert bei der unbestimmten Nutzung von Gemeinschaftseigentum?

Die Berechnung des Streitwerts bei Klagen auf Herausgabe von Gemeinschaftsflächen folgt klaren gesetzlichen Vorgaben. Bei unbestimmter Nutzungsdauer müssen Sie den Wert nicht willkürlich schätzen. Die maßgebliche Vorschrift ist § 9 Zivilprozessordnung (ZPO), die eine präzise Grundlage schafft, um die sachliche Zuständigkeit des Gerichts festzulegen. Dieser Paragraph bestimmt, dass der Streitwert das Dreieinhalbfache des einjährigen Nutzungsentgelts beträgt.

Die Basis für diese Kalkulation bildet das früher vertraglich vereinbarte oder das ortsübliche jährliche Nutzungsentgelt. Aktuelle Marktpreise oder Mietspiegel spielen für diese spezifische Berechnung keine Rolle. Der Gesetzgeber nutzt diesen Faktor 3,5 ausschließlich, um festzustellen, ob das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig ist. Diese Methode liefert eine klare und von Schätzungen unabhängige Grundlage für die korrekte gerichtliche Einordnung des Verfahrens.

Nehmen wir an, ein historisches Nutzungsentgelt für die Fläche betrug 1.104,39 Euro pro Jahr. Durch die Multiplikation mit dem Faktor 3,5 ergibt sich ein exakter Streitwert von 3.865,37 Euro. Es ist essenziell, diese ZPO-Berechnung strikt von der Ein-Jahres-Berechnung nach dem Gerichtskostengesetz (§ 41 GKG) abzugrenzen, die nur für Gebühren gilt. Wer stattdessen den pauschalen Auffangstreitwert von 5.000 Euro ansetzt, wenn ein historisches Entgelt existiert, riskiert eine falsche Zuständigkeit.

Suchen Sie alle Dokumente zu historischen Nutzungsentgelten, um diesen Betrag anschließend mit dem Faktor 3,5 zu multiplizieren und so den präzisen Streitwert zu erhalten.


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Was passiert, wenn für dieselbe WEG-Klage Amtsgericht und Landgericht zuständig wären?

Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gegen mehrere Parteien klagt, entsteht leicht eine Zuständigkeitskollision. Für den aktuellen Wohnungseigentümer ist das Amtsgericht (AG) gemäß WEG-Recht stets ausschließend zuständig. Für einen weiteren Gegner, der kein Eigentümer ist, richtet sich die Zuständigkeit dagegen nach dem Streitwert, wodurch bei mehr als 5.000 Euro das Landgericht (LG) zuständig wäre. Dieses prozessuale Patt muss zwingend gelöst werden.

Zur Vermeidung widersprüchlicher Urteile und unnötiger Verfahrenstrennung greift hier die Lösung der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann das übergeordnete Gericht – in Bayern das BayObLG, sonst das zuständige Oberlandesgericht (OLG) – ein einziges gemeinsames Gericht bestimmen. Die gerichtliche Bestimmung stellt sicher, dass der gesamte komplexe Lebenssachverhalt von Anfang an von demselben Richter bearbeitet wird.

Gerichte ziehen häufig das Amtsgericht vor. Obwohl der Gesamtstreitwert die 5.000-Euro-Grenze überschreiten mag, genießt die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts für den WEG-Teil des Streits Vorrang. Zudem verfügen Amtsgerichte über spezialisierte Abteilungen für Wohnungseigentumssachen. Die Richter stellen damit eine fachkundige und ökonomische Bearbeitung des Verfahrens sicher.

Beantragen Sie bei drohender Zuständigkeitsspaltung sofort die gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO bei dem übergeordneten Gericht.


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Ist die Schätzung des Streitwerts durch den Kläger für die Gerichtsentscheidung bindend?

Nein, die bloße Schätzung des Streitwerts durch den Kläger ist für das Gericht nicht bindend. Gerichte lehnen pauschale Annahmen, wie den sogenannten Auffangstreitwert von 5.000 Euro, rigoros ab. Stattdessen prüft das Gericht die Höhe des Streitwerts von Amts wegen anhand der gesetzlichen Vorgaben der Zivilprozessordnung (ZPO).

Kläger neigen dazu, den Streitwert künstlich über die 5.000-Euro-Grenze anzuheben, um eine Zuständigkeit des Landgerichts zu erreichen. Dieses Vorgehen scheitert, sobald klare Berechnungsvorschriften existieren. Bei Klagen, die eine unbestimmte Dauernutzung einer Fläche betreffen, wendet der Richter zwingend § 9 ZPO an. Dieser Paragraph schreibt vor, den Wert mit dem dreieinhalbfachen Wert der einjährigen Nutzung zu beziffern.

Die Konsequenz einer falschen Schätzung ist die gerichtliche Korrektur, welche die gesamte Prozessstrategie beeinflusst. Ein Gericht korrigierte eine willkürliche Schätzung und rechnete anhand eines historischen Nutzungsentgelts präzise 3.865,37 Euro aus. Damit unterschritt der Wert die Zuständigkeitsgrenze für das Landgericht deutlich. Der Fall landet infolgedessen bei einem Amtsgericht, obwohl der Kläger dies ursprünglich vermeiden wollte.

Erstellen Sie immer eine detaillierte Vorabkalkulation und legen Sie in der Klageschrift transparent dar, welche ZPO-Paragraphen und welche historischen Nutzungsentgelte Sie für Ihre Streitwertberechnung herangezogen haben.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Auffangstreitwert

Der Auffangstreitwert ist ein pauschaler Geldwert, der immer dann angesetzt wird, wenn der eigentliche wirtschaftliche Wert eines Gerichtsstreits nicht genau berechnet werden kann oder das Gesetz keine spezielle Berechnungsvorschrift vorsieht. Diese Schätzung dient dazu, überhaupt erst eine Grundlage für die gerichtliche Zuständigkeit und die Gerichtskosten zu haben, falls der wahre Wert des Anspruchs unbekannt bleibt.

Beispiel: Die Klägerin versuchte, für den Herausgabeanspruch pauschal einen Auffangstreitwert von 5.000 Euro anzusetzen, scheiterte aber, da das Gericht eine spezifische Berechnung nach der Zivilprozessordnung vornehmen musste.

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Innerer gemeinschaftsbezogener Gehalt

Juristen meinen mit dem inneren gemeinschaftsbezogenen Gehalt die enge Verknüpfung eines Rechtsstreits mit den spezifischen Rechten und Pflichten, die sich direkt aus der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft ergeben. Nur wenn dieser Gehalt stark ausgeprägt ist, greift die Spezialzuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 43 WEG. Das Gesetz sichert damit, dass typische WEG-Konflikte stets von den dafür spezialisierten Richtern behandelt werden.

Beispiel: Da der Konflikt mit dem Nichteigentümer auf einer alten Sonderverbindung beruhte und ihm der innere gemeinschaftsbezogene Gehalt fehlte, konnte das Gericht die Zuständigkeit nicht automatisch dem Amtsgericht zuweisen.

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Prozessuales Patt

Ein Prozessuales Patt entsteht, wenn bei einer gemeinsamen Klage gegen mehrere Parteien die gesetzlichen Zuständigkeitsregeln für die verschiedenen Beklagten voneinander abweichen und sich gegenseitig blockieren. Diese verfahrene Situation bedroht die Einheit des Verfahrens, da sie ohne Lösung zu zwei getrennten Prozessen mit potenziell widersprüchlichen Urteilen führen würde.

Beispiel: Ein prozessuales Patt lag vor, weil für den einen Gegner das Amtsgericht München ausschließlich zuständig war, während für den anderen aufgrund der Höhe des Streitwerts eigentlich das Landgericht hätte entscheiden müssen.

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Sonderverbindung

Eine Sonderverbindung beschreibt eine individuelle Rechtsbeziehung zwischen der Eigentümergemeinschaft und einer Person (oft einem ehemaligen Eigentümer), die bewusst außerhalb der allgemeinen Regeln des Wohnungseigentumsrechts existiert. Solche vertraglichen Vereinbarungen, wie ein altes Nutzungsrecht, schaffen Rechte und Pflichten, die nicht automatisch den Spezialregeln des WEG-Rechts unterliegen.

Beispiel: Die ursprüngliche Nutzungsvereinbarung von 1995 war eine Sonderverbindung, weshalb der Rechtsstreit mit dem Nichteigentümer nicht zwingend nach den Zuständigkeitsregeln für reine WEG-Verfahren behandelt werden musste.

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Streitwertberechnung nach § 9 ZPO

Diese juristische Rechenformel legt fest, dass der Streitwert bei Klagen auf Herausgabe oder Nutzung, die auf unbestimmte Zeit angelegt sind, mit dem dreieinhalbfachen Wert der einjährigen Nutzung zu beziffern ist. Der Gesetzgeber nutzt diese Multiplikation (Faktor 3,5) als Standard zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses, um zu bestimmen, ob das Amts- oder Landgericht sachlich zuständig ist.

Beispiel: Da das jährliche Nutzungsentgelt 1.104,39 Euro betrug, ermittelte das Gericht den Streitwert mittels der Streitwertberechnung nach § 9 ZPO auf exakt 3.865,37 Euro.

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Zuständigkeitsbestimmung

Als Zuständigkeitsbestimmung bezeichnet man den juristischen Akt eines übergeordneten Gerichts (hier des BayObLG), mit dem es ein einziges, gemeinsames Gericht für einen Rechtsstreit festlegt, obwohl eigentlich mehrere verschiedene Gerichte zuständig wären. Dieses Verfahren nach § 36 ZPO gewährleistet die Prozessökonomie und verhindert, dass identische Sachverhalte von verschiedenen Richtern unterschiedlich beurteilt werden.

Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht nutzte die Zuständigkeitsbestimmung, um trotz des hohen Streitwerts für den Nichteigentümer das Amtsgericht München als ausschließlich zuständiges Gericht für beide Verfahrensteile festzulegen.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 102 AR 119/25 e – Beschluss vom 20.11.2025


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