AG Berlin-Mitte, Az.: 122 C 100/15, Urteil vom 21.01.2016
1. Das Versäumnisurteil vom 19.11.2015 wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte
1. verurteilt worden ist, bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten, folgende Arbeiten in seiner Wohnung zu dulden:
c) Anschluss des bestehenden Wohnungsleitungsnetzes an die neuen, im Zuge der Strangsanierung eingebauten Kaltwasser-, Warmwasser- und Zirkulationsleitungen,
d) Installation des neuen Rohrleitungsschachts 03 mit den Abmessungen (BxT) ca. 60 cm x 30 cm im Bad des Hinterhauses,
e) Erneuerung des Steigstranges S 04 im Kinderzimmer und in der Küche sowie Installation des dazu notwendigen neuen Schachtes in der Küche mit den Abmessungen (BxT) von ca. 60 cm x 30 cm,
f) Öffnung des bestehenden Schornsteinzugs im ersten Zimmer rechts auf der gesamten Raumhöhe und Verlegung eines Abwasserrohrs mit Abzweig zum Flur,
2. bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten verurteilt worden ist, den von der Klägerin mit der Durchführung der unter Ziffer 1. aufgeführten Maßnahmen beauftragten Personen nach vorheriger Ankündigung werktags (montags bis freitags) in der Zeit von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr Zutritt zu der von ihm gemieteten Wohnung zur Durchführung dieser Arbeiten zu gewähren.
2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 19.11.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten seiner Säumnis im Termin am 19.11.2015 vorab zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin zu 88,1% und der Beklagte zu 11,9% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Beklagte bewohnt die Räume in der …, 4. Obergeschoss links. Mit Schreiben vom 29.04.2015, bezüglich dessen Inhalts auf Bl. 30 ff. d.A. Bezug genommen wird und das dem Beklagten am 04.05.2015 zuging, kündigte die Klägerin Modernisierungsmaßnahmen an. Der Beklagte widersprach der Durchführung der Arbeiten.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Duldung des Anschlusses der Wohnung an das Fernwärmenetz und die Sanierung des Bades als Modernisierungsmaßnahme und die Duldung weiterer Arbeiten als Erhaltungsmaßnahmen.
Die Klägerin behauptet, Vermieterin des Beklagten zu sein. Durch den Anschluss der Wohnung an das Fernwärmenetz komme es zu einer Energieeinsparung. Eine Unterschreitung der Dreimonatsfrist gemäß § 555c Abs. 1 BGB habe lediglich zur Folge, dass der Vermieter drei Monate warten müsse, bevor er mit den Arbeiten beginnen dürfe. Die betreffenden Arbeiten und Ausführungszeiten seien im Ankündigungsschreiben hinreichend konkret genannt.
Im Termin am 19.11.2015 hat das Gericht auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen, mit dem dieser
1. verurteilt wurde, bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten, folgende Arbeiten in seiner Wohnung zu dulden:
a) Anschluss an das Fernwärmenetz zur Versorgung der Wohnung mit Heizung und Warmwasser, dafür insbesondere
aa) Anschluss des Wohnungsheizungsnetzes an den neu zu installierenden, zentralen Heizungsschacht,
bb) Demontage der Gas-Therme im Badezimmer im Hinterhaus und Rückbau des Gasanschlusses,
cc) Fachgerechte Befestigung der Heizkörper,
b) Sanierung des Bades im Hinterhaus durch Einbau eines neuen WCs, Entfernung der Sanitärobjekte und des Bodens, Neuaufbau des Bodens mit Trockenestrich sowie fachgerechter Abdichtung, Behebung der Wasserschäden im Deckenbereich, Neufliesen des Bodens und der Wandflächen,
c) Anschluss des bestehenden Wohnungsleitungsnetzes an die neuen, im Zuge der Strangsanierung eingebauten Kaltwasser-, Warmwasser- und Zirkulationsleitungen,
d) Installation des neuen Rohrleitungsschachts 03 mit den Abmessungen (BxT) ca. 60 cm x 30 cm im Bad des Hinterhauses,
e) Erneuerung des Steigstranges S 04 im Kinderzimmer und in der Küche sowie Installation des dazu notwendigen neuen Schachtes in der Küche mit den Abmessungen (BxT) von ca. 60 cm x 30 cm,
f) Öffnung des bestehenden Schornsteinzugs im ersten Zimmer rechts auf der gesamten Raumhöhe und Verlegung eines Abwasserrohrs mit Abzweig zum Flur.
2. bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten verurteilt wurde, den von der Klägerin mit der Durchführung der unter Ziffer 1. aufgeführten Maßnahmen beauftragten Personen nach vorheriger Ankündigung werktags (montags bis freitags) in der Zeit von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr Zutritt zu der von ihm gemieteten Wohnung zur Durchführung dieser Arbeiten zu gewähren.
Gegen das ihm am 24.11.2015 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 08.12.2015 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 19.11.2015 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, die angekündigten Maßnahmen würden für ihn und seine Familie eine besondere Härte darstellen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Einspruch des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
II.
In der Sache hat der Einspruch jedoch nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch lediglich auf Duldung der angekündigten Erhaltungsmaßnahmen.
1.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis. Die Klägerin hat unter Vorlage des Mietvertrages zwischen der … mbH und Herrn … sowie der Vereinbarung vom 29.09.1992 zwischen der … mbH, Herrn … und dem Beklagten belegt, dass der Beklagte in das Mietverhältnis eintrat. Unter auszugsweiser Vorlage des betreffenden Grundbuchauszugs hat sie weiterhin belegt, dass sie durch Eigentumserwerb gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die Vermieterstellung eintrat. Nach Vorlage dieser Unterlagen hat der Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis auch nicht mehr bestritten.
2.
Ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen durch den Beklagten besteht nicht. Die Klägerin begehrt insoweit die Duldung des Anschlusses der Wohnung an das Fernwärmenetz und der Sanierung des Bades als Modernisierungsmaßnahme. Für diese Maßnahmen fehlt es jedoch bereits an einer ordnungsgemäßen Ankündigung im Sinne des § 555 c Abs. 1 BGB. Abgesehen davon, dass das Schreiben vom 29.04.2015 nur den Anschluss an das Fernwärmenetz, nicht aber auch die Badsanierung als Modernisierung ankündigt, fehlt es an der Einhaltung der Dreimonatsfrist. Denn nach dem Vortrag des Beklagten, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat dieser das Schreiben vom 29.04.2015 erst am 04.05.2015 erhalten. Da der Beginn der Arbeiten ausweislich Seite 2 des Schreibens vom 29.04.2015 für den 03.08.2015 angekündigt wurde, war die Dreimonatsfrist nicht gewahrt. Dies hat entgegen der klägerischen Ansicht nicht nur zur Folge, dass der Vermieter drei Monate ab Zugang der Ankündigung warten muss, bis er mit den Arbeiten beginnen kann. Vielmehr ist eine dem § 555 c Abs. 1 BGB nicht genügende Modernisierungsankündigung vollständig nachzuholen, um eine Duldungspflicht begründen zu können (Schmidt/Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 555c BGB Rdnr. 65 f.; Palandt-Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 75. Aufl., § 555c Rdnr. 11). Dies ist jedoch nicht geschehen.
3.
Die angekündigten übrigen Maßnahmen, bei denen nicht in Streit steht, dass es sich um erforderliche Erhaltungsmaßnahmen handelt, hat der Beklagte hingegen gemäß § 555 a Abs. 1 BGB zu dulden. Die Klägerin hat diese Maßnahmen den Anforderungen des § 555a Abs. 2 BGB entsprechend angekündigt. Die Rechtzeitigkeit der Ankündigung erfordert hier nicht die Einhaltung einer dreimonatigen Frist; vielmehr sind für die Bemessung der Frist die Dringlichkeit und der Umfang der Maßnahmen entscheidend (Palandt-Weidenkaff, aaO., § 555a Rdnr. 4). Eine fast dreimonatige Frist genügt hier. Weiterhin müssen bei Erhaltungsmaßnahmen Art und Umfang sowie Beginn und Dauer der Arbeiten nur ungefähr angegeben werden (Palandt-Weidenkaff, aaO., § 555a Rdnr. 4). Diesem Erfordernis genügt das Schreiben vom 29.04.2015 ebenfalls.
Inhaltlich hat der Beklagte gegen die angekündigten Erhaltungsmaßnahmen keine Einwände erhoben.
Ein Härteeinwand steht dem Beklagten im Fall von Erhaltungsmaßnahmen nicht zu (vgl. Schmidt/Futterer, aaO., § 555a Rdnr. 12).
4.
Schließlich hat die Klägerin einen Anspruch auf Zutrittsgewährung zum Zweck der Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen.
5.
Die Ordnungsgeldandrohung beruht auf § 890 ZPO.
6.
Eine Erklärungsfrist war den Parteien nicht mehr zu gewähren. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15.01.2015 umfassend zur Einspruchsbegründung Stellung genommen. Einer Erklärungsfrist des Beklagten auf diesen Schriftsatz bedurfte es nicht, da dieser Schriftsatz sich lediglich mit den angekündigten Modernisierungsmaßnahmen auseinandersetzt, die der Beklagte nach den vorstehenden Darlegungen ohnehin nicht dulden muss.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 344, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.