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Wohnungseigentümer ist prozessführungsbefugt bei Klage auf Störung des Sondereigentums

Milchglas statt Waldblick: Eine Essener Eigentümergemeinschaft muss eine nachträglich errichtete Sichtschutzwand auf ihrer Dachterrasse wieder abreißen. Ein Nachbar hatte erfolgreich gegen die zwei Meter hohe Konstruktion geklagt, da diese seine Aussicht versperrte. Das Amtsgericht Essen gab ihm Recht und verurteilte die Gemeinschaft zum Rückbau.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Essen
  • Datum: 12.09.2024
  • Aktenzeichen: 196 C 171/23
  • Verfahrensart: Klageverfahren bezüglich baulicher Veränderungen und Protokollberichtigung
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Mitglied der beklagten Eigentümergemeinschaft und Eigentümer einer Dachgeschosswohnung. Argumentiert, dass die Aussicht seines Balkons durch eine Bauliche Veränderung beeinträchtigt wurde und fordert die Entfernung der baulichen Veränderung sowie Protokollberichtigung.
  • Beklagte: Eigentümergemeinschaft, vertreten durch die Hausverwaltung M. Argumentiert, dass keine Protokollberichtigung notwendig ist und dass die zu verantwortende bauliche Veränderung zwar abgelehnt, aber protokollarisch korrekt festgestellt wurde.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger klagte, um die Entfernung einer Glas-Sichtschutzwand zu erreichen, die auf einer benachbarten Terrasse im Zuge einer Sanierung installiert wurde. Diese Wand beeinträchtigte die Aussicht vom Balkon des Klägers. Außerdem forderte der Kläger die Berichtigung eines Protokolls einer Eigentümerversammlung, das seiner Meinung nach einen falschen Ablehnungsgrund für einen Beschluss enthielt.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob die bauliche Veränderung ohne Zustimmung des betroffenen Eigentümers vorgenommen werden durfte und ob das Protokoll der Eigentümerversammlung korrekt war.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Beklagten wurde auferlegt, die Glastrennwand zu entfernen und an das Niveau der restlichen Balkongeländer anzupassen. Der Antrag auf Protokollberichtigung wurde abgewiesen.
  • Begründung: Die bauliche Veränderung wurde ohne die nötige Zustimmung des beeinträchtigten Wohnungseigentümers vorgenommen und ist daher unzulässig. Das Protokoll war nicht fehlerhaft in Bezug auf die Ablehnung des Beschlusses, und die Feststellung darin hat konstitutive Wirkung.
  • Folgen: Die Beklagte muss die Kosten für den Rückbau der Trennwand tragen. Die Abweisung des Protokollberichtigungsantrags bestätigt die bestehende protokollarische Praxis; weitere Maßnahmen zur Beschlussberichtigung wurden nicht eingeleitet. Berufung könnte möglich sein, wenn die Bedingungen erfüllt sind.

Rechte und Pflichten im Wohnungseigentumsrecht: Störungen des Sondereigentums

Im Wohnungseigentumsrecht stellt die Abgrenzung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum einen zentralen Aspekt dar. Wohnungseigentümer haben individuelle Rechte an ihren Einheiten, die durch das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geschützt sind. Störungen des Sondereigentums können zu erheblichen Konflikten innerhalb der Eigentümergemeinschaft führen, wobei häufig Klagen auf Unterlassung oder Schadensersatz angestrebt werden. Die Prozessführungsbefugnis ist dabei entscheidend, da nur bestimmte Eigentümer im Namen der Gemeinschaft klagen dürfen, um ihre Rechtsansprüche durchzusetzen.

Im Rahmen dieser Thematik ist es essenziell zu verstehen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen und welche Schritte unternommen werden können, wenn eine Störung des Sondereigentums vorliegt. Ein konkreter Fall, der diese Fragen aufgreift und beleuchtet, wird im Folgenden detailliert analysiert.

Der Fall vor Gericht


Amtsgericht Essen ordnet Entfernung von Milchglaswand auf Dachterrasse an

Zwei benachbarte Balkone mit Sichtschutzwand aus Milchglas, das die Sicht leicht blockiert. Ein Balkongeländer ist nicht gepflegt.
Beseitigungsanspruch wegen ungenehmigter baulicher Veränderung | Symbolfoto: Flux gen.

Das Amtsgericht Essen hat die Wohnungseigentümergemeinschaft eines Essener Wohnhauses dazu verpflichtet, eine nachträglich installierte Sichtschutzwand aus Milchglas auf einer Dachterrasse zu entfernen. Die etwa zwei Meter hohe und einen Meter breite Konstruktion war im Rahmen einer Terrassensanierung im Jahr 2022 ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer errichtet worden.

Ungenehmigte bauliche Veränderung beeinträchtigt Nachbarbalkon

Der klagende Wohnungseigentümer wehrte sich gegen die Installation der Glastrennwand, die sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Balkon befindet. Die Wand, bestehend aus einer Edelstahlumrandung mit Milchglasverkleidung, setzt sich deutlich vom übrigen Balkongeländer ab und beeinträchtigt erheblich die Aussicht des Klägers, insbesondere auf die hinter dem Objekt befindliche Bewaldung.

Hausverwaltung handelte ohne erforderliche Eigentümerzustimmung

Die bauliche Veränderung wurde von der Hausverwaltung in Auftrag gegeben, ohne dass der betroffene Nachbar oder die übrigen Eigentümer dieser Maßnahme zugestimmt hatten. In einer Eigentümerversammlung am 30. Oktober 2023 wurde ein nachträglicher Genehmigungsantrag für die Glastrennwand mit vier Ja-Stimmen und drei Nein-Stimmen abgelehnt. Eine geplante Beschlussfassung über den Rückbau wurde zunächst vertagt. In einer außerordentlichen Versammlung am 27. Februar 2024 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, die Wand auf Kosten der Gemeinschaft zurückzubauen.

Gericht bestätigt Beseitigungsanspruch des beeinträchtigten Eigentümers

Das Amtsgericht Essen gab der Klage auf Beseitigung der Glastrennwand statt. Nach Auffassung des Gerichts steht dem Kläger ein Beseitigungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu, da die Wohnungseigentümergemeinschaft als unmittelbare Handlungsstörerin die ungenehmigte bauliche Veränderung zu verantworten hat. Das Gericht bestätigte, dass die Installation der Glaswand als bauliche Veränderung die Zustimmung des beeinträchtigten Nachbarn erfordert hätte.

Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu einem Drittel dem Kläger und zu zwei Dritteln der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger muss für die Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 3.300 Euro leisten.


Die Schlüsselerkenntnisse


„Das Amtsgericht Essen entschied, dass eine ohne Zustimmung des Klägers errichtete, höher als die übrigen Balkongeländer reichende Glastrennwand zu entfernen ist. Die Kosten werden anteilig auf Kläger und Beklagten (Wohnungseigentümergemeinschaft) aufgeteilt. Das Gericht wies die Protokollberichtigung ab, stellte aber fest, dass der Beschluss zur Genehmigung der Wand aufgrund fehlender Zustimmung des betroffenen Eigentümers ungültig war. Das Urteil unterstreicht die Rechte betroffener Eigentümer bei baulichen Veränderungen im gemeinschaftlichen Eigentum.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Sie als Wohnungseigentümer ein Recht auf Einspruch gegen bauliche Veränderungen haben, die Ihre Wohnqualität beeinträchtigen und ohne Ihre Zustimmung errichtet wurden. Sollten solche Veränderungen vorgenommen werden, können Sie rechtlich gegen die Gemeinschaft vorgehen und die Entfernung der unerlaubten Anlagen verlangen. Beachten Sie jedoch, dass dies mit Kosten verbunden sein kann, die sowohl Sie als auch die Gemeinschaft tragen müssen. Ein frühzeitiges Gespräch mit der Gemeinschaft und eventuell eine juristische Beratung sind ratsam, um ähnliche Konflikte zu vermeiden und Ihre Rechte zu schützen. Das Urteil beweist, dass Ihre Zustimmung zu baulichen Maßnahmen erforderlich ist.


Ihr Recht auf freie Sicht

Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, seine Rechte als Wohnungseigentümer zu kennen und durchzusetzen. Bauliche Veränderungen im Gemeinschaftseigentum können Ihre Wohnqualität erheblich beeinträchtigen, wie der Fall des Sichtschutzes auf der Dachterrasse verdeutlicht. Um Ihre Interessen zu wahren und unnötige Kosten zu vermeiden, ist es ratsam, sich frühzeitig über Ihre Rechte zu informieren und im Zweifel juristischen Rat einzuholen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Ansprüche geltend zu machen und Ihre Wohnqualität zu schützen.
Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche baulichen Veränderungen sind zustimmungspflichtig durch die Eigentümergemeinschaft?

Eine bauliche Veränderung liegt vor, wenn Maßnahmen über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Jede bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum erfordert einen Beschluss der Eigentümerversammlung.

Definition und Grundsatz

Eine bauliche Veränderung muss das Gemeinschaftseigentum substanziell und auf Dauer umgestalten. Der Zustand ist in der Teilungserklärung festgelegt. Auch rein optische Veränderungen können zustimmungspflichtig sein, wenn sie nachhaltig auf die äußere Gestaltung einwirken.

Beschlussfassung und Mehrheitserfordernisse

Seit der WEG-Reform reicht für bauliche Veränderungen eine einfache Mehrheit in der Eigentümerversammlung aus. Allerdings gibt es wichtige Einschränkungen:

  • Bauliche Veränderungen dürfen die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten
  • Kein Wohnungseigentümer darf unbillig benachteiligt werden

Privilegierte Maßnahmen

Bestimmte bauliche Veränderungen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung. Dazu gehören Maßnahmen für:

  • Menschen mit Behinderungen
  • Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge
  • Einbruchsschutz
  • Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität
  • Ab 17.10.2024: Stromerzeugung durch Steckersolargeräte

Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung

Wird eine bauliche Veränderung ohne erforderlichen Beschluss durchgeführt, ist sie rechtswidrig. Die Eigentümergemeinschaft kann dann die Beseitigung der Veränderung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen.


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Welche rechtlichen Schritte kann ein Eigentümer bei ungenehmigten baulichen Veränderungen einleiten?

Bei ungenehmigten baulichen Veränderungen stehen Eigentümern mehrere rechtliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Wahl des geeigneten Vorgehens hängt davon ab, ob das Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betroffen ist.

Störungen des Sondereigentums

Als Sondereigentümer können Sie Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche selbst geltend machen, auch wenn gleichzeitig das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Stellen Sie sich vor, ein Nachbar hat ohne Genehmigung Umbauarbeiten vorgenommen, die in Ihren Wohnbereich eingreifen – in diesem Fall können Sie direkt rechtliche Schritte einleiten.

Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums

Bei Störungen des Gemeinschaftseigentums ist ausschließlich die Wohnungseigentümergemeinschaft prozessführungsbefugt. In solchen Fällen müssen Sie zunächst einen Beschlussantrag in der Eigentümerversammlung stellen. Die Gemeinschaft muss sich dann mit der Situation befassen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

Durchsetzung der Ansprüche

Der Weg zur Durchsetzung Ihrer Rechte erfolgt in mehreren Stufen:

  1. Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung
  2. Beschlussantrag zur Beseitigung der unerlaubten baulichen Veränderung
  3. Anfechtungsklage bei Ablehnung des Beseitigungsbeschlusses
  4. Beschlussersetzungsklage, wenn die WEG untätig bleibt

Die Gemeinschaft hat bei der Entscheidung über den Umgang mit rechtswidrigen baulichen Veränderungen einen Ermessensspielraum. Beachten Sie die Verjährungsfrist von drei Jahren für Rückbauansprüche, die mit Kenntnis der anderen Eigentümer beginnt.


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Wie werden die Kosten bei einem Rechtsstreit um bauliche Veränderungen verteilt?

Grundsätzliche Kostenverteilung im Prozess

Bei einem Rechtsstreit um bauliche Veränderungen gilt der allgemeine Grundsatz: Die unterliegende Partei trägt die Prozesskosten. Wenn Sie als klagender Wohnungseigentümer den Prozess gewinnen, muss die beklagte Partei sowohl die Gerichtskosten als auch Ihre Anwaltskosten übernehmen.

Beseitigungskosten bei unzulässigen Veränderungen

Stellt sich eine bauliche Veränderung als unzulässig heraus, können Sie als betroffener Eigentümer die Beseitigung auf eigene Kosten durchführen und anschließend Erstattung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Beseitigungsanspruch bereits verjährt ist.

Kostentragung bei beschlossenen Veränderungen

Bei genehmigten baulichen Veränderungen richtet sich die Kostenverteilung nach dem Beschluss der Eigentümergemeinschaft:

  • Einzelne Eigentümer tragen die Kosten allein, wenn die Veränderung nur ihnen gestattet wurde.
  • Alle Eigentümer müssen sich an den Kosten beteiligen, wenn die Maßnahme mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit (zwei Drittel der Stimmen und Hälfte der Miteigentumsanteile) beschlossen wurde.
  • Bei Amortisation der Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums tragen ebenfalls alle Eigentümer die Kosten.

Vorschusspflichten und Sicherheitsleistungen

Wenn Sie eine bauliche Veränderung beseitigen lassen wollen, können Sie einen Kostenvorschuss verlangen. Das Gericht kann die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich dabei an den zu erwartenden Beseitigungskosten.


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Ab wann liegt eine erhebliche Beeinträchtigung durch bauliche Veränderungen vor?

Eine erhebliche Beeinträchtigung durch bauliche Veränderungen liegt vor, wenn die Maßnahmen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen und die Rechte anderer Wohnungseigentümer erheblich beeinträchtigen. Dies ist stets eine Einzelfallentscheidung, bei der verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen:

Intensität der Beeinträchtigung

Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Nutzung des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums durch andere Eigentümer spürbar eingeschränkt wird. Beispielsweise könnte dies der Fall sein, wenn durch einen Balkonanbau die Aussicht oder Belichtung einer anderen Wohnung deutlich verschlechtert wird.

Dauer der Beeinträchtigung

Temporäre Einschränkungen während einer Bauphase stellen in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung dar. Anders verhält es sich bei dauerhaften Veränderungen, die langfristige Auswirkungen auf die Wohnqualität oder den Wert anderer Einheiten haben.

Optischer Gesamteindruck

Die Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage kann ebenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Wenn beispielsweise durch einen Dachausbau die harmonische Gesamterscheinung des Gebäudes erheblich gestört wird, kann dies als wesentliche Beeinträchtigung gewertet werden.

Funktionale Einschränkungen

Funktionale Einschränkungen des Gemeinschaftseigentums sind ein weiterer wichtiger Aspekt. Wird durch eine bauliche Veränderung die Nutzung gemeinschaftlicher Flächen oder Einrichtungen erheblich erschwert, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor. Ein Beispiel wäre die Umwandlung eines gemeinschaftlichen Trockenraums in eine private Abstellkammer.

Sicherheitsaspekte

Bauliche Veränderungen, die die Standsicherheit des Gebäudes gefährden oder Fluchtwege beeinträchtigen, gelten in der Regel als erhebliche Beeinträchtigung.

Interessen der Gemeinschaft

Die Gerichte berücksichtigen bei der Beurteilung auch die Interessen der Gemeinschaft. Eine bauliche Veränderung, die zwar einzelne Eigentümer beeinträchtigt, aber der Gemeinschaft insgesamt Vorteile bringt, wird möglicherweise nicht als erhebliche Beeinträchtigung eingestuft. Dies könnte etwa bei der Installation einer Aufzugsanlage der Fall sein, die zwar einzelne Wohnungen beeinträchtigt, aber die Barrierefreiheit des gesamten Gebäudes verbessert.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung findet sich in § 20 Abs. 1 und Abs. 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Demnach kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Eigentümer, deren Rechte dadurch über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Die Schwelle für eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ist niedrig anzusetzen, und nur ganz geringfügige und völlig belanglose Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht.

Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Fenstereinbau: Ein Gericht entschied, dass der Einbau eines Fensters in einer Wohnung keine erhebliche Beeinträchtigung darstellt, solange keine wesentlichen Rechte anderer Eigentümer beeinträchtigt werden.
  • Balkonanbau: Ein Balkonanbau, der die Aussicht oder Belichtung einer anderen Wohnung erheblich verschlechtert, kann als erhebliche Beeinträchtigung gewertet werden.
  • Dachausbau: Ein Dachausbau, der die harmonische Gesamterscheinung des Gebäudes stört, kann ebenfalls als erhebliche Beeinträchtigung angesehen werden.

Wenn Sie eine bauliche Veränderung planen, sollten Sie diese detailliert darlegen und begründen und die Zustimmung der Eigentümerversammlung einholen. Es ist wichtig, dass Sie die möglichen Auswirkungen auf andere Eigentümer sorgfältig abwägen und sicherstellen, dass keine wesentlichen Rechte beeinträchtigt werden.


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Welche Rolle spielt die Hausverwaltung bei baulichen Veränderungen?

Die Hausverwaltung hat bei baulichen Veränderungen keine eigene Entscheidungsbefugnis. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, die Eigentümerversammlung zu organisieren, in der über die baulichen Veränderungen abgestimmt wird.

Kernaufgaben der Hausverwaltung

Wenn Sie als Eigentümer eine bauliche Veränderung planen, müssen Sie sich zunächst an die Hausverwaltung wenden. Diese setzt Ihren Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung. Die Hausverwaltung hat dabei die Pflicht zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Beschlussfassung.

Durchführung und Überwachung

Nach einem positiven Beschluss der Eigentümerversammlung übernimmt die Hausverwaltung die Organisation der Handwerkerarbeiten. Die Überwachung der Bauarbeiten gehört allerdings nur dann zu ihren Pflichten, wenn sie dazu ausdrücklich beauftragt wurde.

Grenzen der Verwaltungsbefugnisse

Die Hausverwaltung darf keine eigenständigen Entscheidungen über bauliche Veränderungen treffen. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Umbauanträgen ist sie berechtigt und verpflichtet, diese der Eigentümerversammlung zur Abstimmung vorzulegen. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Hausverwaltung wegen verzögerter Zustimmung ist in der Regel aussichtslos, solange sie den Antrag ordnungsgemäß zur Abstimmung stellt.

Dokumentation und Verwaltung

Die Hausverwaltung ist verpflichtet, die Beschlüsse über bauliche Veränderungen in der Beschlusssammlung zu dokumentieren. Sie muss außerdem sicherstellen, dass die Kostenverteilung entsprechend der gesetzlichen Vorgaben erfolgt. Bei privilegierten Maßnahmen, wie etwa dem Einbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Maßnahmen zur Barrierefreiheit, muss die Hausverwaltung die besonderen gesetzlichen Anforderungen beachten.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Prozessführungsbefugnis

Die rechtliche Befugnis einer Person, einen Prozess vor Gericht zu führen und Klage zu erheben. Im Wohnungseigentumsrecht bedeutet dies die Berechtigung eines einzelnen Eigentümers, rechtliche Schritte im Namen der Gemeinschaft einzuleiten. Diese Befugnis ist in § 9a WEG geregelt. Ein Wohnungseigentümer kann beispielsweise gegen Störungen seines Sondereigentums klagen, wenn seine individuellen Rechte beeinträchtigt werden.


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Sondereigentum

Das ausschließliche Eigentum eines Wohnungseigentümers an bestimmten Räumen oder Gebäudeteilen einer Wohnanlage gemäß § 5 WEG. Es umfasst die Wohnung selbst sowie zugeordnete Räume wie Keller oder Balkone. Im Gegensatz zum Gemeinschaftseigentum kann der Eigentümer über sein Sondereigentum frei verfügen. Beispiel: Die Innenräume einer Eigentumswohnung einschließlich der nichttragenden Wände.


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Bauliche Veränderung

Eine wesentliche Umgestaltung des Gebäudes oder der Wohnanlage, die von der ursprünglichen Beschaffenheit abweicht. Nach § 20 WEG bedürfen solche Maßnahmen grundsätzlich der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft. Typische Beispiele sind der Anbau eines Balkons, die Installation einer Markise oder wie im vorliegenden Fall die Errichtung einer Sichtschutzwand.


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Beseitigungsanspruch

Ein rechtlicher Anspruch auf Entfernung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des Eigentums, geregelt in §§ 823, 1004 BGB. Der Anspruch ermöglicht es dem Betroffenen, die Beseitigung der Störung zu verlangen. Im Wohnungseigentumsrecht kann dies beispielsweise die Entfernung unerlaubt errichteter Bauteile betreffen, wie hier die Milchglaswand.


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Sicherheitsleistung

Ein Geldbetrag oder eine andere finanzielle Sicherheit, die bei vorläufiger Vollstreckung eines Urteils hinterlegt werden muss, um mögliche Schäden der Gegenseite abzusichern. Geregelt in § 708 ZPO. Die Sicherheitsleistung schützt den Beklagten für den Fall, dass das Urteil in höherer Instanz aufgehoben wird. Im konkreten Fall musste der Kläger 3.300 Euro als Sicherheit leisten.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 20 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG):
    Dieser Paragraph regelt, dass bauliche Veränderungen, die das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers nachteilig beeinträchtigen, der Zustimmung des betroffenen Eigentümers bedürfen. Eine solche Zustimmung ist Voraussetzung, um eine bauliche Veränderung rechtmäßig umzusetzen.
    Im vorliegenden Fall wurde die Glastrennwand als bauliche Veränderung ohne die Zustimmung des Klägers installiert. Da der Kläger durch die Sichtschutzwand erheblich in der Aussicht von seinem Balkon beeinträchtigt ist, hätte seine Zustimmung zwingend vorliegen müssen. Das Fehlen dieser Zustimmung macht die bauliche Veränderung rechtswidrig und begründet seinen Anspruch auf Rückbau.
  • § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
    Dieser Paragraph sieht vor, dass der Eigentümer eines Grundstücks oder einer Sache die Beseitigung von Beeinträchtigungen verlangen kann, die durch Handlungen anderer verursacht wurden. Ein solcher Anspruch besteht, sofern keine Duldungspflicht vorliegt.
    Der Kläger beruft sich darauf, dass die Glastrennwand seine Aussicht beeinträchtigt, die zu seinem Sondereigentum zählt. Da die Beklagte durch die Verwalterin die bauliche Maßnahme veranlasst hat, ist sie als Handlungsstörerin verpflichtet, die Beeinträchtigung zu beseitigen. Der Kläger kann somit die Entfernung der Glastrennwand verlangen.
  • § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
    Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Schadensersatz, wenn durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten ein Rechtsgut, wie das Eigentum, verletzt wird. Auch eine rechtswidrige bauliche Veränderung, die Sondereigentum beeinträchtigt, kann eine Eigentumsverletzung darstellen.
    Die Installation der Glastrennwand erfolgte ohne Zustimmung des Klägers und beeinträchtigt sein Eigentumsrecht in Form der ungehinderten Aussicht. Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (vertreten durch die Verwalterin) diese Maßnahme zu verantworten hat, wurde das Eigentumsrecht des Klägers verletzt, was den Anspruch auf Rückbau untermauert.
  • § 9a Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG):
    Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist grundsätzlich für die Durchsetzung von Ansprüchen zuständig, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen. Jedoch kann ein einzelner Wohnungseigentümer selbst tätig werden, wenn sein Sondereigentum betroffen ist und er eine Störung in seinem räumlichen Bereich geltend macht.
    Der Kläger beruft sich auf die Beeinträchtigung seines Sondereigentums durch die Glastrennwand. Da seine Aussicht als Teil des Sondereigentums erheblich beeinträchtigt ist, kann er im eigenen Namen die Beseitigung der Störung verlangen.
  • § 44 Wohnungseigentumsgesetz (WEG):
    Dieser Paragraph behandelt die Beschlussfassung und das Protokollieren der Ergebnisse von Eigentümerversammlungen. Fehler bei der Verkündung oder Protokollierung können nur mittels einer Anfechtungsklage innerhalb der gesetzlichen Frist korrigiert werden.
    Der Kläger rügt, dass der Beschluss zu TOP 8.2.1 im Protokoll falsch wiedergegeben wurde. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Verkündung zwar fehlerhaft war, der Beschluss jedoch konstitutive Wirkung entfaltet und nicht durch das Protokoll selbst unrichtig wird. Da der Kläger keine Anfechtungsklage erhoben hat, bleibt der Beschluss formal gültig.

Das vorliegende Urteil


AG Essen – Az.: 196 C 171/23 – Urteil vom 12.09.2024


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