Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass ein Wohnungseigentümer keine Jahresabrechnungen für andere Eigentümer fordern kann, da dies jedem Eigentümer individuell zusteht. Zudem gibt es keine gesetzliche Frist für die Erstellung der Jahresabrechnung und die Fälligkeit tritt nicht sofort nach dem Ende des Kalenderjahres ein.
→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 34/23 WEG
Übersicht
- 1 ✔ Das Wichtigste in Kürze
- 2 WEG-Recht: Keine Pflicht zur sofortigen Erstellung der Jahresabrechnung
- 3 Der Fall vor dem Landgericht Koblenz im Detail
- 4 ✔ FAQ zum Thema: Jahresabrechnung in Wohnungseigentümergemeinschaft
- 4.1 Welche Rechte hat ein Wohnungseigentümer bezüglich der Jahresabrechnung?
- 4.2 Was muss eine Jahresabrechnung beinhalten?
- 4.3 Wie kann ein Wohnungseigentümer vorgehen, wenn die Jahresabrechnung nicht fristgerecht oder unvollständig erstellt wird?
- 4.4 Welche Fristen gelten für die Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung?
- 5 § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- 6 ➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Koblenz
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Kläger ist nicht berechtigt, für andere Wohnungseigentümer die Erteilung von Einzelabrechnungen zu verlangen, da dieser Anspruch jedem Eigentümer selbst zusteht.
- Die neue Regelung in § 28 Abs. 2 WEG sieht vor, dass der Verwalter die Jahresabrechnung nach Ablauf des Kalenderjahres erstellt, um die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über Nachschüsse oder Anpassung der Vorschüsse vorzubereiten.
- Es gibt keine gesetzliche Frist, bis wann die Jahresabrechnung vorzulegen ist. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Erstellung der Jahresabrechnung tritt nicht vor Ablauf des dritten Quartals des Folgejahres ein.
- Der Zweck der Jahresabrechnung ist nicht die Information der Wohnungseigentümer. Hierfür besteht ein separater Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nach § 18 Abs. 4 WEG.
- Die Interessen vermietender Wohnungseigentümer oder steuerliche Erwägungen sind nicht Regelungsgegenstand des WEG und begründen keinen früheren Fälligkeitseintritt.
- Da der Anspruch des Klägers auf Erstellung der Jahresabrechnung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht fällig war, konnte keine Erledigung eintreten. Die Klage ist abzuweisen.
WEG-Recht: Keine Pflicht zur sofortigen Erstellung der Jahresabrechnung
In der Welt des Wohneigentums spielen die Verwaltung und Abrechnung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten eine zentrale Rolle. Als Eigentümer einer Wohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) haben Bürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber der Gemeinschaft. Die jährliche Erstellung der Jahresabrechnung ist dabei ein wichtiges Element, um die wirtschaftlichen Belange transparent darzulegen und gemeinschaftliche Beschlüsse vorzubereiten.
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt detailliert, wie diese Abrechnungen zu erfolgen haben und welche Ansprüche Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft geltend machen können. In der Praxis ergeben sich dabei jedoch immer wieder komplexe Fragestellungen, die letztlich von den Gerichten geklärt werden müssen.
Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Koblenz zu einem Streit um die Jahresabrechnung bietet daher interessante Einblicke in die Rechtsprechung zu diesem Thema. Der Fall zeigt, welche Rechte und Pflichten Eigentümer und Verwalter im Zusammenhang mit der Erstellung und Offenlegung der Jahresabrechnung haben.
Der Fall vor dem Landgericht Koblenz im Detail
Rechtliche Auseinandersetzung um Jahresabrechnungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Im Zentrum des vorliegenden Falls steht eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und der Gemeinschaft selbst, vertreten durch die Verwalterin. Die Kontroverse begann, als der Kläger, ein Mitglied dieser Gemeinschaft, am 01. August 2022 die Erstellung und Übersendung der Gesamt- sowie der individuellen Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 forderte. Die geforderten Dokumente sollten allen Mitgliedern der Gemeinschaft bis zum 22. August 2022 zur Verfügung gestellt werden. Als Antwort erhielt der Kläger ein Schreiben der Verwalterin vom 05. August, in dem sie die Bearbeitung der Abrechnung bestätigte und eine baldige Übersendung in Aussicht stellte. Diese Frist wurde allerdings nicht eingehalten, was dazu führte, dass der Kläger Klage erhob.
Die Gesamt- und Einzelabrechnungen wurden schließlich am 19. September 2022 verteilt, kurz nachdem die Klage dem Beklagten zugestellt wurde. Der Kläger erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt, was von der Beklagten nicht angenommen wurde, was zu einer weiteren gerichtlichen Überprüfung führte.
Urteil des Landgerichts Koblenz im Berufungsverfahren
Die Entscheidung des Landgerichts Koblenz am 05. Februar 2024 markiert den aktuellen Abschluss der gerichtlichen Auseinandersetzungen. In diesem Urteil wurde die Berufung des Klägers gegen das vorherige Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten hingegen führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, wodurch die Klage des Klägers insgesamt abgewiesen wurde.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht berechtigt war, die Erstellung der Einzelabrechnungen für andere Mitglieder der Gemeinschaft zu verlangen, da dieser Anspruch individuell jedem Eigentümer zusteht und somit der Klage von vornherein die rechtliche Grundlage fehlte. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Prozessführungsbefugnis, die es erfordert, dass ein Kläger eine eigene rechtliche Beziehung zum Streitgegenstand nachweisen muss, um im eigenen Namen klagen zu können.
Rechtliche Grundlagen und Fälligkeit der Jahresabrechnung
Das Gericht bezog sich auch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erstellung der Jahresabrechnung, die sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ergeben. Insbesondere wurde auf die Änderungen im WEG hingewiesen, die seit dem 01. Dezember 2020 gelten. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung liegt bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und muss durch den Verwalter ausgeführt werden.
Entscheidend war hierbei die Feststellung des Gerichts, dass keine gesetzliche Frist für die Erstellung der Jahresabrechnung besteht und dass die Fälligkeit der Abrechnung nicht sofort nach dem Ende des Kalenderjahres eintritt. Das Gericht lehnte daher die Auffassung ab, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits einen fälligen Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung hatte.
Abschließende Beurteilung durch das Landgericht Koblenz
Die Berufung der Beklagten wurde als begründet angesehen, da der Kläger seinen Anspruch auf die Jahresabrechnung nicht wirksam geltend machen konnte, bevor die tatsächliche Fälligkeit eingetreten war. Das Gericht erkannte auch an, dass die Erstellung und Übersendung der Abrechnungen durch die Verwalterin innerhalb einer angemessenen Zeit nach der Klageerhebung keine Erledigung des Rechtsstreits begründete, da die Fälligkeit des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Verwaltung in Wohnungseigentümergemeinschaften und stellt klare Richtlinien für die Fälligkeit und Durchsetzung von Ansprüchen im Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes dar.
✔ FAQ zum Thema: Jahresabrechnung in Wohnungseigentümergemeinschaft
Welche Rechte hat ein Wohnungseigentümer bezüglich der Jahresabrechnung?
Ein Wohnungseigentümer hat folgende Rechte bezüglich der Jahresabrechnung:
Die Jahresabrechnung muss alle tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) enthalten. Sie dient der Transparenz über die finanzielle Situation der Gemeinschaft. Die Eigentümer haben das Recht, dass ihnen durch die Abrechnung ein klarer Überblick über Einnahmen und Ausgaben gegeben wird.
Die Jahresabrechnung muss in eine Gesamt- und Einzelabrechnung aufgeteilt werden. Aus der Einzelabrechnung ergibt sich für den jeweiligen Eigentümer, ob er eine Nachzahlung leisten oder eine Rückerstattung erhalten muss, weil er zu viel oder zu wenig Hausgeld gezahlt hat.
Der Verwalter ist verpflichtet, die Jahresabrechnung fristgerecht zu erstellen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, können die Eigentümer von ihm einen Kostenvorschuss verlangen, um die Abrechnung anderweitig erstellen zu lassen. Dies gilt aber nur, wenn die Abrechnung lediglich als Grundlage für Beschlussfassungen dienen soll.
Soll die Abrechnung hingegen auch der Rechnungslegung zur Kontrolle der Amtsführung des Verwalters dienen, ist ihre Erstellung eine unvertretbare Handlung. In diesem Fall muss der Verwalter selbst die Abrechnung erstellen und versichern, alle Einnahmen und Ausgaben nach bestem Wissen angegeben zu haben.
Was muss eine Jahresabrechnung beinhalten?
Eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung für eine Wohnungseigentümergemeinschaft muss folgende Bestandteile enthalten:
Eine Gesamtabrechnung mit allen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Dazu gehören die Hausgeldeinnahmen, Kosten für Instandhaltung, Betriebskosten wie Strom, Wasser, Müllabfuhr etc. Die Gesamtabrechnung muss eine übersichtliche und nachvollziehbare Aufstellung aller finanziellen Vorgänge bieten.
Einzelabrechnungen für jede Eigentumswohnung, aus denen die auf den jeweiligen Eigentümer entfallenden Kosten und die von ihm geleisteten Vorauszahlungen ersichtlich sind. Daraus ergibt sich eine etwaige Nachzahlung oder Rückerstattung (Abrechnungsspitze) für den Eigentümer.
Eine Übersicht über den Vermögensstand der Gemeinschaft mit Angaben zu Rücklagen, Verbindlichkeiten und Forderungen wie ausstehenden Hausgeldbeträgen. Hieraus wird die finanzielle Situation der WEG ersichtlich.
Die Entwicklung der Instandhaltungs-/Erhaltungsrücklage mit Zu- und Abgängen sowie dem aktuellen Rücklagenbestand.
Die Jahresabrechnung muss vollständig, übersichtlich und für einen durchschnittlichen Eigentümer verständlich sein, damit dieser die Wirtschaftsführung der Verwaltung überprüfen kann.
Wie kann ein Wohnungseigentümer vorgehen, wenn die Jahresabrechnung nicht fristgerecht oder unvollständig erstellt wird?
Wenn der Verwalter die Jahresabrechnung nicht fristgerecht oder unvollständig erstellt, haben die Wohnungseigentümer folgende Möglichkeiten:
Wenn die Abrechnung nur als Grundlage für Beschlussfassungen dienen soll, können die Eigentümer vom Verwalter einen Kostenvorschuss verlangen, um die Abrechnung anderweitig erstellen zu lassen. Dies ist eine vertretbare Handlung, die die Eigentümer selbst oder durch einen Dritten ausführen lassen können.
Soll die Abrechnung aber auch der Rechnungslegung zur Kontrolle der Amtsführung des Verwalters dienen, ist ihre Erstellung eine unvertretbare Handlung. In diesem Fall muss der Verwalter selbst die vollständige Abrechnung erstellen und versichern, alle Einnahmen und Ausgaben nach bestem Wissen angegeben zu haben. Die Eigentümer können ihn hierzu anhalten.
Stellt der Verwalter die Abrechnung trotz Aufforderung nicht ordnungsgemäß, können die Eigentümer Ersatzvornahme auf Kosten des Verwalters verlangen oder Schadensersatzansprüche geltend machen.
Vor der Eigentümerversammlung sollten Fehler oder Unvollständigkeiten der Abrechnung frühzeitig schriftlich bei Verwalter und Verwaltungsbeirat gerügt werden, damit eine Korrektur vor der Beschlussfassung möglich ist.
Wesentliche Mängel der Abrechnung können eine Anfechtung der Beschlüsse rechtfertigen. Die Eigentümer müssen dann innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Monat handeln.
Welche Fristen gelten für die Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung?
Es gibt keine gesetzlich festgelegte Frist, innerhalb derer die Jahresabrechnung erstellt und vorgelegt werden muss. Allerdings haben sich in der Praxis folgende Fristen etabliert:
Die Jahresabrechnung sollte in der Regel 3 bis 6 Monate nach Ablauf des Abrechnungsjahres (Kalenderjahr) vorliegen. Diese Frist wird allgemein als angemessen angesehen, da der Verwalter Zeit für die Auswertung der Belege und Erstellung der Abrechnung benötigt.
Ist in der Teilungserklärung oder dem Verwaltervertrag eine abweichende Frist geregelt, so ist diese für den Verwalter verbindlich.
Liegt die Jahresabrechnung nicht innerhalb dieser üblichen Frist vor, können die Wohnungseigentümer den Verwalter schriftlich zur Erstellung auffordern und ihm eine angemessene Nachfrist setzen. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, können Ersatzvornahme auf Kosten des Verwalters oder Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.
Soll die Abrechnung nur als Grundlage für Beschlussfassungen dienen, können die Eigentümer nach fruchtloser Fristsetzung vom Verwalter einen Kostenvorschuss verlangen, um die Abrechnung anderweitig erstellen zu lassen.
Soll die Abrechnung aber auch der Rechnungslegung zur Kontrolle des Verwalters dienen, ist ihre Erstellung eine unvertretbare Handlung. Dann muss der Verwalter selbst die vollständige Abrechnung erstellen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 18 WEG (Wohnungseigentumsgesetz): Regelung der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümer und des Verwalters. Der Paragraph erklärt die Pflichten der Gemeinschaft, wie die Aufstellung der Jahresabrechnung, die hier im konkreten Fall eine zentrale Rolle spielt. Die Klärung der Fälligkeit dieser Pflicht ist entscheidend für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Klage.
- § 28 WEG: Konkretisiert die Aufgaben des Verwalters, insbesondere die Erstellung der Jahresabrechnung. Im revidierten § 28 Abs. 2 WEG wird die Pflicht des Verwalters zur Abrechnungserstellung betont, die nicht an eine gesetzliche Frist gebunden ist, aber rechtzeitig erfolgen muss, damit die Wohnungseigentümer über die wirtschaftliche Lage entscheiden können.
- § 271 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Bestimmt, wann eine Leistung fällig ist, falls keine spezifische Frist vereinbart oder ersichtlich ist. Im Kontext der Wohnungseigentümergemeinschaft bedeutet dies, dass die Jahresabrechnung zeitnah nach dem Abschluss des Kalenderjahres, jedoch ohne eine feste gesetzliche Frist, erstellt werden muss, um den Wohnungseigentümern Entscheidungen zu ermöglichen.
- Prozessführungsbefugnis: Ein zentrales rechtliches Konzept, das besagt, dass nur die Person klagen darf, die auch rechtlich durch den Streitgegenstand betroffen ist. Im Fall wurde festgestellt, dass der Kläger nicht die Rechte anderer Wohnungseigentümer auf Erhalt ihrer Einzelabrechnungen einklagen kann, da diese Rechte individuell sind und nur vom jeweiligen Eigentümer geltend gemacht werden dürfen.
- Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 50-58: Diese Paragraphen regeln allgemein die Prozessführungsbefugnis und sind im Zusammenhang mit der Feststellung relevant, dass der Kläger nicht für andere Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft klagen darf. Dies war entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage.
➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Koblenz
LG Koblenz – Az.: 2 S 34/23 WEG – Urteil vom 05.02.2024
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 05.06.2023, Az: 23 C 10/22, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 05.06.2023, Az: 23 C 10/22, teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Für diese wurde unter dem 27.07.2021 die jetzige Verwalterin für den Zeitraum vom 01.09.2021 bis 31.12.2023 bestellt.
Mit an die Beklagte und die Verwalterin gerichtetem Schreiben vom 01.08.2022 forderte der Kläger diese auf, bis zum 22.08.2022 jedem Gemeinschaftsmitglied die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 zu erteilen. Mit Schreiben der Verwalterin vom 05.08.2022 teilte diese dem Kläger mit, dass die Abrechnung bereits in Arbeit sei und in den kommenden Wochen übersandt werde. Eine Übersendung innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist erfolgte nicht. Der Kläger reichte daraufhin am 29.08.2022 Klage ein, die der Beklagten am 07.09.2022 zugestellt wurde.
Die Gesamt- und die Einzelabrechnungen wurden den Wohnungseigentümern mit Anschreiben vom 19.09.2022 erteilt. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt, die Beklagte widersprach der Erledigungserklärung.
Durch Urteil vom 05.06.2023 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger die Erstellung der Gesamtabrechnung sowie seiner Einzelabrechnung für das Jahr 2021 begehrt hat, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger nicht berechtigt gewesen sei, für die anderen Wohnungseigentümer die Erteilung der Einzelabrechnungen zu verlangen, da dieser Anspruch jeweils nur dem betroffenen Eigentümer selbst zustehe, weshalb die diesbezügliche Klage von Anfang an unzulässig gewesen sei. Dem gegenüber sei der Anspruch des Klägers auf Erstellung der Gesamtkostenabrechnung sowie seiner Einzelabrechnung ursprünglich zulässig und begründet gewesen und habe sich durch die Erteilung der Gesamt- und Einzelabrechnung erledigt. Der aus § 18 Abs. 1 und Abs. 2 WEG folgende Anspruch des Klägers gegen den Verband auf Erstellung der Jahresabrechnung sei hier spätestens zum 30.06.2022 fällig gewesen, eine Änderung der Fälligkeit ergebe sich auch nicht aus dem geänderten Wortlaut des § 28 WEG (jetzt: § 28 Abs. 2 WEG nF). Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts wird auf das Urteil verwiesen.
Mit ihren wechselseitigen Berufungen wenden sich die Parteien des Rechtsstreits gegen das Urteil, soweit sie jeweils unterlegen sind und verfolgen ihr erstinstanzliches Ziel des jeweils vollständigen Obsiegens unter Wiederholung und Vertiefung ihrer gegenteiligen Rechtsansichten weiter.
Die Beklagte hält die Berufung des Klägers für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 06.06.2023, Az: 23 C 10/22, abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit insgesamt in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 06.06.2023 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils und vollständigen Klageabweisung.
1. Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Mit dem Amtsgericht stimmt die Einzelrichterin der Kammer überein, dass die Klage von Anfang an unzulässig war, soweit der Kläger beantragt hat, auch den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre Einzelabrechnungen zu erteilen, weil ihm hierfür die erforderliche Prozessführungsbefugnis fehlt. Prozessführungsbefugnis ist die Fähigkeit, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen, ohne dass eine (eigene) materiell-rechtliche Beziehung zum Streitgegenstand vorzuliegen (behauptet zu werden) braucht (Althammer in Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu §§ 50 – 58, Rn. 16 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 06.06.2019 – I ZR 67/18, MDR 2019, 1395). Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt war, den Anspruch auf Erteilung von Einzelabrechnungen für die übrigen Eigentümer geltend zu machen, weil dieser Anspruch dem jeweiligen Eigentümer selbst zusteht und es dem jeweiligen Eigentümer obliegt, ihn selbst geltend zu machen oder durch einen Dritten geltend machen zu lassen.
Gegenteiliges zeigt die Berufung nicht auf. Die Wiederholung der vom Amtsgericht abschlägig beschiedenen Rechtsansicht des Klägers ist kein durchgreifender Berufungsangriff.
2. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist eine teilweise Erledigung des Rechtsstreits nicht eingetreten.
Auf den hiesigen Rechtsstreit ist die seit dem 01.12.2020 geltende Fassung des WEG anzuwenden.
Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, dass jeder Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Recht hat, die Aufstellung der Jahresabrechnung zu verlangen (§ 18 Abs. 2 Nr. 1, § 28 Abs. 2 S. 2 WEG), denn die Erstellung der Abrechnung ist eine Maßnahme der Verwaltung im Sinne von § 18 Abs. 1 WEG. Verpflichtet ist insoweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Soweit § 28 Abs. 2 S. 2 WEG dem Verwalter die Pflicht auferlegt, die Jahresabrechnung zu erstellen, regelt das Gesetz keine originäre Verpflichtung des Verwalters, sondern nur dessen Organzuständigkeit, da der Verwalter insoweit ihr Ausführungs- bzw. Vertretungsorgan ist und die Pflichten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer lediglich umsetzt (BeckOK WEG, Hogenschurz, 54. Edition, Stand 02.10.2023, § 28 Rn. 49; BT-Drs. 19/18791, 58; MüKoBGB, Skauradszun, 9. Auflage 2023, WEG, § 28 Rn. 91).
Im Rahmen der Neuregelung des § 28 WEG bestimmt Abs. 2 nunmehr: Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.
Damit ist die Jahresabrechnung nach Sinn und Zweck des § 28 Abs. 2 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres zu erstellen. Hiervon zu trennen ist die Frage, wann diese Pflicht fällig und damit durchsetzbar wird (BeckOK WEG, aaO, § 28 Rn. 54). Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass es keine gesetzliche Frist gibt, bis wann die Jahresabrechnung durch den Verwalter aufzustellen ist, und dass hier ein Fall der sofortigen Fälligkeit (§ 271 Abs. 1 BGB) nicht vorliegt. Die Ansicht des Amtsgerichts, dass die Fälligkeit in der hiesigen Sache zum 30.06.2022 eingetreten ist, weil die diesbezügliche bisherige Rechtsprechung weiterhin anwendbar sei, wird von der Einzelrichterin der Kammer nicht geteilt.
§ 271 Abs. 1 BGB regelt: „Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.“
Im Rahmen der Neuregelung des § 28 Abs. 2 WEG dient die Erstellung der Jahresabrechnung nunmehr der Vorbereitung und Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Eine Frist für diese Beschlussfassung ist gesetzlich nicht geregelt, so dass nach den Zweck der Regelung darauf aufzustellen ist, dass diese Beschlussfassung bis zum Ablauf des Folgejahres des Abrechnungsjahres – hier bis Ablauf 2022 – zu erfolgen hat. Daraus aber ergibt sich lediglich, dass der Verwalter als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft die Abrechnung so rechtzeitig zu erstellen hat, damit die Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung der Ladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG von mindestens drei Wochen für die gemäß § 24 Abs. 1 WEG mindestens einmal im Jahr durchzuführende Eigentümerversammlung eine Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt „Einfordern von Nachschüssen und Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“ (§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG) vornehmen können. Aus dem Zweck der Erstellung der Jahresabrechnung zur Vorbereitung der Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse ergibt sich jedenfalls nicht, dass der vom Kläger gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgte Individualanspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung, der durch den Verwalter als deren Organ zu erfüllen ist, vor Ablauf des 3. Quartals 2022 fällig geworden sein soll.
Zutreffend verweist die Berufung der Beklagten darauf, dass in der hiesigen Sache auch keine sonstigen Gründe für den früheren Eintritt der Fälligkeit sprechen. Dieser ergibt sich nicht aus einem allgemeinen Informationsbedürfnis der Wohnungseigentümer. Insoweit besteht der nunmehr in § 18 Abs. 4 WEG geregelten Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen.
Zweck des vom Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres gemäß § 28 Abs. 4 WEG zu erstellenden und den Wohnungseigentümern zur Verfügung zu stellenden Vermögensberichtes ist es hingegen, die Wohnungseigentümer über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu informieren und ihnen eine Kontrollmöglichkeit zu geben (MüKoBGB, WEG, aaO, § 28 Rn. 96). Zutreffend weist die Berufung der Beklagten darauf hin, dass – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – die Interessen der vermietenden Wohnungseigentümer bzw. steuerliche Erwägungen nicht Regelungsgegenstand des Wohnungseigentumsgesetzes sind. Der Kläger hat auch keine sonstigen Gründe vorgetragen, die auf eine frühere Fälligkeit seines Individualanspruchs auf Erstellung der Jahresabrechnung schließen lassen könnten.
Nach alledem war der grundsätzlich bestehender Anspruch des Klägers auf Aufstellung der Jahresabrechnung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht fällig. Sein Schreiben vom 01.08.2022 begründete weder den Eintritt der Fälligkeit seines Anspruchs noch eine Inverzugsetzung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. In der Folge konnte durch die Erstellung und Übermittlung der Jahresabrechnung mit Anschreiben vom 19.09.2022 auch keine Erledigung des Rechtsstreits eintreten. Mithin war und ist die Klage insgesamt abweisungsreif.
Damit kann dahinstehen, ob das Verhalten des Klägers in Bezug auf die Erhebung der Klage mit Schriftsatz vom 29.08.2022 treuwidrig ist, nachdem die Beklagte ihn auf sein Aufforderungsschreiben unverzüglich informiert hatte, dass die Jahresabrechnung bereits in Arbeit sei und in den kommenden Wochen übersandt werde und sich für die Beantwortung von Rückfragen zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem der Kläger keinen Grund für eine erforderliche Vorlage der Jahresabrechnung bis zum 28.08.2022 genannt hatte, stellt sich sein Verhalten in Bezug auf die gegenüber der Gemeinschaft bestehende Treuepflicht mindestens als grenzwertig dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.