LG Frankfurt, Az.: 2/9 S 5/14, Urteil vom 14.04.2015
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 17.12.2013 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 4. Juni 2013 zu TOP 3 wird hinsichtlich der Einzelabrechnungen und der Gesamtabrechnungen hinsichtlich der jeweiligen Gesamtergebnisse und insoweit für ungültig erklärt, als er unter der Position „Tonnendienst Hausmeister“ einen Betrag von 5.712,00 € nach Personen verteilt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 18 % und die Beklagten zu 82 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 92 % und die Beklagten zu 8 %.
Das Urteil und das angefochtene Urteil – im Umfang der Berufungszurückweisung – sind vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.744,70 € festgesetzt. Für die erste Instanz wird der Streitwert auf 6.244,70 € festgesetzt (TOP 5: 500 € und TOP 3 wie im Berufungsverfahren 5.744,70 €).
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Beschluss über die Jahresabrechnung insgesamt für ungültig erklärt.
1. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Beschluss über die Abrechnung im Anfechtungsprozess grundsätzlich im Sinne von § 139 ZPO teilbar ist (BGH NJW 2012, 2648; ZMR 2007, 623). Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 139 BGB bei Wohnungseigentumsbeschlüssen jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn diese – wie hier – nicht lediglich interne Wirkung entfalten, sondern auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet sind (BGH V ZR 193/11, Rn 12 – zitiert nach juris; BGHZ 139, 289, 298) und es sich bei den beanstandeten Teilregelungen – ebenfalls wie hier – um rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile (BGH V ZR 193/11, Rn 12 – zitiert nach juris, BGH Urteil vom 4. Dezember 2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 6; Beschluss vom 15. März 2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12) handelt. Denn Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (BGH V ZR 193/11, Rd 13 – zittert nach juris; BGH – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 12).
Dies führt dazu, dass im vorliegenden Fall die – inhaltlich einzige angegriffene – Regelung über den Tonnendienst von den übrigen Positionen der Abrechnung abgrenzbar ist und eine rechnerisch selbständige Position darstellt, so dass insoweit im Übrigen die Abrechnung – da unangegriffen – von Vorneherein aufrecht erhalten bleibt.
2. Hinsichtlich der Position Tonnendienst Hausmeister in Höhe von 5.712,00 € insgesamt, von welchem 357,00 € auf die Kläger entfallen, hat das Amtsgericht im Ergebnis allerdings zu Recht der Klage stattgegeben. Insoweit weicht der gewählte Verteilungsschlüssel von § 16 Abs. 2 WEG ab, ohne dass es einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gibt.
Dabei bedarf im vorliegenden Fall die Frage keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen im laufenden Abrechnungsjahr eine Änderung des Verteilungsschlüssels möglich ist, und welche Auswirkungen es hat, wenn ein entsprechender Änderungsbeschluss nicht angegriffen wird.
Vorliegend kommt alleine der Beschluss vom 26. Juni 2012, nach dem „die Eigentümer beschließen, den Abrechnungsschlüssel für Müllbeseitigungskosten für die künftigen Hausgeldabrechnungen ab 2012 auf eine Verteilung der Kosten nach Personen zu ändern. Der Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen soll nicht mehr gelten.“, als eine Änderung des Verteilungsschlüssels gem. § 16 Abs. 3 WEG in Betracht. Bei der insoweit gebotenen objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses, sind jedoch die vorliegend abgerechneten Kosten des Hausmeisterdienstes, die im Zusammenhang mit der Müllentsorgung stehen, von diesem Beschluss nicht erfasst.
Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft sind objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Wohnungseigentümer ankäme. Dabei ist von dem protokollierten Wortlaut der Beschlüsse auszugehen (vgl. nur BGH ZWE 2010, 130 m. w. N.). Diese Auslegung ergibt, ohne dass es insoweit auf den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis der abstimmenden Wohnungseigentümer ankommt, dass von dem Beschluss die Kosten des Hausmeisters nicht erfasst sind.
Die Wohnungseigentümer haben in diesem Beschluss den – auslegungsfähigen – Begriff der Müllbeseitigungskosten verwandt Dieser ist in § 2 Nr. 8 der Betriebskostenverordnung wie folgt bestimmt: „Zu den Kosten der Müllbeseitigung gehören namentlich die für die Müllabfuhr zu entrichteten Gebühren, die Kosten entsprechender nicht öffentlicher Maßnahmen, die Kosten des Betriebs von Müllkompressoren, Müllschluckern, Müllabsauganlagen sowie des Betriebs von Müllmengenerfassungsanlagen einschließlich der Kosten der Berechnung und Aufteilung.“ Die Kosten des Hausmeisters, die in § 2 Nr. 14 Betriebskostenverordnung erfasst sind, gehören hierzu jedoch nicht. In Rechtsprechung und Literatur zur Betriebskostenverordnung entspricht es jedoch einhelliger Ansicht, dass es sich bei den Kosten für den Hauswart um Kosten handelt, die alleine unter § 2 Nr. 14 Betriebskostenverordnung fallen, auch wenn sie Kosten enthalten, die nach § 2 Nr. 2 bis 10 und 16 Betriebskostenverordnung ansetzbar sind (vgl. Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Auflage, A Rn 203; Spielbauer/Then, WEG § 16 Rn 40; Staudinger/Weitemeyer § 556 Rn 40b; OLG Hamburg WuM 1990, 561). Dies bereits deshalb, weil es zu den typischen Aufgaben eines Hausmeisters im Rahmen des Ordnungsbereiches gehört, den Müll für die Müllabfuhr vorzubereiten (vgl. insoweit nur Langenberg a. a. O. Rn 202).
Dies gilt auch hier. Der Rückgriff auf die Begriffsbestimmungen in der Betriebskostenverordnung ist dabei nicht nur wegen der Verwendung des dort bestimmten Begriffes der Müllbeseitigungskosten gerechtfertigt, sondern auch deshalb, weil § 16 Abs. 3 WEG, welcher die entsprechende Beschlusskompetenz für einen Mehrheitsbeschluss zur Änderung der Höhe der Betriebskosten enthält, ausdrücklich auf § 556 Abs. 1 BGB verweist, welcher seinerseits auf die Betriebskostenverordnung Bezug nimmt (§ 556 Abs. 1 S. 3 BGB). Bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung ist daher vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass in dem Beschluss der Begriff der Müllbeseitigungskosten inhaltlich abweichend zur Betriebskostenverordnung verwandt werden sollte und auch Kosten des Hausmeisters, die in § 2 Nr. 14 Betriebskostenverordnung enthalten sind, erfassen sollte.
Insoweit die Wohnungseigentümer daher auch eine Beschlussfassung über die Änderung des Abrechnungsschlüssels für einen Teil der Hausmeistervergütung – nämlich soweit es die Kosten für die Bereitstellung des Mülls betrifft – hätten fassen wollen, so hätte es insoweit einer ausdrücklich Bezugnahme in dem Beschluss auf die entsprechenden Hausmeistervergütungen bedurft. Dass der Hausmeister den Beklagten – wobei streitig ist ab welchem Zeitpunkt – entsprechende Rechnungen gestellt hat, in denen er seine Kosten insoweit auftrennt, ist für die Auslegung des Beschlusses ohne Relevanz, denn entscheidend ist alleine, wie sich bei der vorgenommenen objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses das Beschlussergebnis darstellt.
3. Nach alledem war der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 nur insoweit für ungültig zu erklären, als er hinsichtlich der Einzelabrechnungen- und Gesamtabrechnungen die Position Hausmeisterkosten Tonnendienst betrifft, dieses hat jedoch auch Auswirkungen auf die Gesamtergebnisse der Abrechnung, so dass auch diese entsprechend aufzuheben sind.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die Kostenentscheidung der ersten Instanz war auch insoweit abzuändern, als das Amtsgericht in ihr die Vergleichskostenregelung nicht berücksichtigt hat, denn über die Kosten eines Rechtsstreits kann nur einheitlich entschieden werden, so dass die Kostenregelung des Vergleichs (insoweit Kostenaufhebung) bei der Kotenentscheidung im Urteil zu berücksichtigen ist.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708Nr. 10, 711,713,544 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a GKG.
Die Kammer geht in ständiger Rechtsprechung für die Streitwerte für die Anfechtung der Jahresabrechnungen von einem Gesamtinteresse der Hälfte von 25 % des Volumens der Abrechnungen aus. Denn bei der Berechnung des Streitwertes für die Anfechtungsklage gegen Jahresabschlüsse und Wirtschaftspläne ist zunächst gem. 49 a Abs. 1 GKG das maßgebliche Interesse aller Parteien dadurch zu ermitteln, dass von einem Gesamtinteresse der Parteien ein Abschlag von 50 % angesetzt wird. Das Gesamtinteresse aller Parteien ist indes nicht mit dem Gesamtvolumen der streitigen Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne zu veranschlagen, sondern insoweit – nach der Rechtsprechung der Kammer und der herrschenden Ansicht – nur mit einem Anteil von 25 % (vgl. Niedenführ, WEG § 49a GKG Rn 23; Jennißen/Suilmann § 49a Rn. 16; jew. m.w.N.). Eine Berücksichtigung des gesamten Volumens der Jahresabrechnung hat schon deshalb nicht zu erfolgen, weil auch die Klägerseite regelmäßig nicht davon ausgehen kann, dass im Falle eines Erfolges die gesamte Jahresabrechnung nicht bestehen bleibt Diese Ansicht vertritt auch der 19. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main (WuM 2014, 437).
Beträgt das Gesamtinteresse jedoch nur 25 % des Volumens der Jahresabrechnung, kann auch das Einzelinteresse des Anfechtungsklägers nicht mit dem Gesamtbetrag des auf ihn entfallenden Abrechnungsergebnisses angesetzt werden. Denn auch hier gilt, dass die Klägerseite nicht davon ausgehen kann, dass am Ende auf ihn keine Belastung entfällt. Das Einzelinteresse des Klägers liegt aber nur in der endgültigen Verbesserung seiner Rechtsposition. Auch insoweit kann – mangels anderweitiger Anhaltspunkte, da die Abrechnung vor allem mit formalen Argumenten angefochten wurde -, ebenso wie bei dem Gesamtinteresse nur ein Anteil von 25 % an dem Ergebnis der Einzelabrechnung als Einzelinteresse angesetzt werden. Auch diese Ansicht wird vom OLG Frankfurt am Main geteilt (OLG Frankfurt am Main WuM 2014, 629; BeckRS 2015, 00239; ebenso LG Itzehoe ZWE 2012, 181).
Bei einem Ergebnis der Einzelabrechnung der Klägerin von 4.595,75 €, beträgt damit das Einzelinteresse 1.148,94 €, das 5fache Einzelinteresse – welches im vorliegenden Fall die Höchstgrenze bildet (§ 49a Abs. 1 S. 2 GKG) – beträgt demnach 5.744,70 €.
Für die erste Instanz macht die Kammer von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch.