Nutzung von Erdgeschossräumen als Buchhaltungsbüro zulässig
In einem Rechtsstreit entschied das Gericht, dass die Nutzung von Erdgeschossräumen als Buchhaltungsbüro in einer Teileigentumseinheit nicht den vereinbarten Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft widerspricht.
Kein Unterlassungsanspruch
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Räumlichkeiten als Buchhaltungsbüro. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus den geltenden Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG).
Maßgebliche Zweckbestimmung
Entscheidend ist die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung. Im vorliegenden Fall spricht die Teilungserklärung von einer „Teileigentumseinheit“, welche alle Nutzungen außer Wohnzwecken zulässt, sofern keine nähere Einschränkung in der Gemeinschaftsordnung vorgenommen wird.
Auslegung der Zweckbestimmung
Die Formulierung „Teileigentumseinheit bestehend aus Hobby- und Abstellraum“ in der Teilungserklärung führt nicht zu einer näheren Zweckbestimmung. Die Bezeichnung der Räume als „Hobbyraum“ oder „Abstellraum“ dient vorrangig der räumlichen Abgrenzung des Sondereigentums. Es ergibt sich aus der Erklärung nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass der jeweilige Eigentümer an diese vorgegebene Nutzung gebunden ist.
Daher ist die Nutzung der streitgegenständlichen Erdgeschossräume als Buchhaltungsbüro zulässig, da sie nicht den vereinbarten Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft widerspricht.
Urteil im Volltext
LG Karlsruhe – Az.: 11 S 139/21 – Urteil vom 24.02.2023
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldkirch vom 04.11.2021, Az. 1 C 198/20 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Waldkirch ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
(abgekürzt nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der Nutzung der streitgegenständlichen Erdgeschossräume als Buchhaltungsbüro bzw. auf die begehrte Feststellung. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG a. F. (in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung) bzw. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F. (in der ab dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung).
a. Jeder Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann (nach bisherigem Recht) einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2017 – V ZR 275/16 Rn. 10 m.w.N. zu § 15 Abs. 3 WEG a.F.).
Die Kläger können den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG a. F. auch individuell geltend machen. Zwar war es der Wohnungseigentümergemeinschaft nach bisherigem Recht möglich, die Durchsetzung entsprechender Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich zu ziehen, was zur Folge hat, dass der einzelne Wohnungseigentümer seine Aktivlegitimation verliert (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2014 – V ZR 5/14). Dies ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich noch naheliegend bei einer Zweier-WEG.
Bisher konnte ein nachteilig betroffener Wohnungseigentümer nach § 1004 Abs. 1 BGB – ebenso wie nach § 15 Abs. 3 WEG a.F. – die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums verlangen.
Nach der nunmehr anwendbaren Vorschrift des § 9a Abs. 2 WEG in der seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung übt jedoch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Dazu gehören insbesondere Ansprüche aus § 1004 BGB wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 46).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf das Übergangsrecht entschieden, dass in den vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren eine bestehende Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Wohnungseigentümers über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fortgilt bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird (BGH, Urteil vom 7. Mai 2021 – V ZR 299/19, Rn. 12 ff.). Dies ist vorliegend nicht erfolgt, sodass die Kläger weiterhin prozessführungsbefugt sind.
b. Die Nutzung der streitgegenständlichen Erdgeschossräume als Buchhaltungsbüro widerspricht nicht den vereinbarten Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft .
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2017 – V ZR 275/16 Rn. 10 m.w.N.) kann jeder Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 15 Abs. 3 WEG a. F. einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Werden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liegt darin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist.
Maßgebend für die zulässige Nutzung ist die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung (vgl. zum Ganzen: Bärmann/Suilmann, 15. Aufl. 2023, WEG § 13 Rn. 40-47).
Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob überhaupt eine den Gebrauch beschränkende Zweckbestimmung vorliegt und – wenn ja – welchen Inhalt sie hat (BGH NJW-RR 2017, 1042 (1043)). Ist die Zweckbestimmung als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen (§ 10 Abs. 3 WEG), so kommt es bei der Auslegung wie bei allen Grundbucheintragungen auf den Wortlaut und Sinn an, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen (oder zulässigerweise in Bezug Genommenen) ergibt (BGH NZM 2020, 667 (668); NJW 2018, 41 (45); NJW-RR 2017, 1042 (1043); NJW-RR 2017, 462 (463)). Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann erkennbar sind (BGH NJW-RR 2019, 519 (521); NJW-RR 2017, 1042 (1043)).
Bei der Auslegung sind subjektive Vorstellungen ohne Bedeutung (BGHZ 156, 192 (197) = ZWE 2004, 66; NZM 2009, 866). Die Auslegung muss „aus sich heraus“ objektiv und normativ erfolgen. (BGH NJW 2016, 53 (55); NZM 2018, 909 (910)). In zeitlicher Hinsicht ist im Grundsatz von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Eintragung auszugehen.
Die Nutzung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wird über die mit der Einordnung als Wohnungs- und Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus nur dann auf bestimmte Zwecke beschränkt, wenn dies aus der Gemeinschaftsordnung klar und eindeutig hervorgeht (BGH NJW 2019, 3716; NJW-RR 2019, 519 (521)).
Angaben zur Zweckbestimmung finden sich oft nicht nur in der Teilungserklärung, sondern auch in dem Aufteilungsplan, welcher nach § 8 Abs. 2 WEG der Teilungserklärung und nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG der Eintragungsbewilligung beizufügen ist. Ob den Angaben im Aufteilungsplan zur Zweckbestimmung verbindliche, die Nutzungsmöglichkeiten des Sondereigentums beschränkende Wirkungen oder nur die Qualität eines Nutzungsvorschlags (Vgl. BayObLG WE 1986, 152; OLG Hamburg ZMR 2003, 445 (446); OLG Schleswig ZMR 2004, 68) zukommen soll, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln (BGH NJW-RR 2015, 1037 (1038); ZWE 2010, 178; ZWE 2013, 29; OLG Schleswig NZM 1999, 79 (80); vgl. auch OLG Frankfurt a. M. ZWE 2008, 433 mAnm Demharter; Suilmann MietRB 2020, 91 (92)). In der Regel handelt es sich hierbei nur um einen unverbindlichen Nutzungsvorschlag (BGH NJW-RR 2017, 462 (463); NJW-RR 2015, 1037 (1038); ZWE 2013, 168 (169); ZWE 2010, 178; OLG Karlsruhe ZWE 2017, 90 (91)), weil dem Aufteilungsplan lediglich eine sachenrechtliche Abgrenzungsfunktion zukommt. Aufgabe des Aufteilungsplans ist es nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen, nicht dagegen, die Rechte der Wohnungs- und Teileigentümer über die Bestimmung der Grenzen des jeweiligen Eigentums hinaus zu erweitern oder zu beschränken (BGH ZWE 2013, 168).
Eine bestimmte Nutzung der Räume ist in der Regel nicht vorgeschrieben. Das Recht, die Räume abweichend vom Nutzungsvorschlag zu gebrauchen, findet nur in dem Rücksichtnahmegebot aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG seine Schranke.
Nimmt die Aufteilungsurkunde jedoch nicht nur hinsichtlich der räumlichen Aufteilung, sondern auch darüber hinaus auf den Aufteilungsplan Bezug, bedeuten die Nutzungsangaben im Aufteilungsplan in der Regel verbindliche Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter (BGH ZWE 2013, 168 (169)). Dies muss aber aus der Bezugnahme in der Gemeinschaftsordnung oder Teilungserklärung eindeutig hervorgehen (BGH NJW-RR 2017, 462 (463)). Stehen die Nutzungsangaben im Aufteilungsplan in Widerspruch zu entsprechenden Angaben in der Teilungserklärung, gehen letztere vor (BGH NJW-RR 2017, 462 (463); NJW-RR 2015, 645).
Im konkreten Fall ist maßgeblich, dass die Teilungserklärung von einer „Teileigentumseinheit“ spricht (AS I 37). Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 3 WEG). Die Zweckbestimmung kann also alles außer Wohnzwecken erfassen. Erfolgt keine nähere Einschränkung in der Gemeinschaftsordnung, sind auch sämtliche Nutzungen außer einer Wohnnutzung zulässig (Bärmann/Pick/Baer, 20. Aufl. 2020, WEG § 1 Rn. 12).
Eine nähere Zweckbestimmung ergibt sich aus der Formulierung „Teileigentumseinheit bestehend aus Hobby- und Abstellraum“ in der Teilungserklärung nicht. Die nähere Bezeichnung der einzelnen Räume als „Hobbyraum“ oder „Abstellraum“ erfolgt nächstliegend nur im Zusammenhang mit der räumlichen Abgrenzung des Sondereigentums. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung „bestehend aus“, die erkennbar darauf abzielt, den Gegenstand des Sondereigentums zu bestimmen und ihn von den anderen Bestandteilen des Gebäudes abzugrenzen. Es mag zwar sein, dass durch die Formulierung „Nr. 18 … im Haus C“ in der Teilungserklärung alleine schon hinreichend der räumliche Bezug zur Einheit „C18“ des Aufteilungsplans hergestellt wäre. Es ist jedoch – zumal die Kurzbezeichnungen im Aufteilungsplan („C18“) und in der Teilungserklärung („18 … C“) im Detail nicht vollständig gleich sind – zumindest nützlich und klarstellend, wenn zusätzlich noch der Bezug durch die in beiden Dokumenten verwendeten Raumbezeichnungen („Hobbyraum“ und „Abstellraum“) hergestellt ist. Jedenfalls ergibt sich aus der Erklärung nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass der jeweilige Eigentümer an diese vorgeschlagene Nutzung der Räume auch zukünftig gebunden sein soll. Insbesondere ist dies semantisch nicht zum Ausdruck gebracht. Eine Vokabel oder auch nur eine Präposition, die explizit im Sinne einer Zweckbestimmung zu verstehen ist, findet sich in der Teilungserklärung nicht. Für neuwertige Erdgeschossräume (zumal in einer selbständigen Teileigentumseinheit) wäre es auch eher ungewöhnlich bzw. ist es nicht ohne Weiteres naheliegend, wenn sie nur für Hobby- und Abstellzwecke genutzt werden dürfen, wobei das Gericht nicht übersehen hat, dass sich im konkreten Objekt auch die Wohnungskeller auf Erdgeschossniveau befinden. Ist aber die Teilungserklärung zumindest unklar, so gilt im Zweifel, dass sie insoweit keine Einschränkung vorgibt (BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41, 45, Tz. 29; LG Berlin, Urteil vom 14. September 2018 – 55 S 201/13 WEG).
Der Aufteilungsplan (AS I 79) enthält bei isolierter Betrachtung erst recht keine konkrete Nutzungsvorgabe, sondern dort wird die Einheit zusätzlich noch als „WHG C18 RECHTS“ bezeichnet. Die Bezeichnung als „WHG“, also als „Wohnung“, passt zu einer Teileigentumseinheit allerdings gar nicht. Dies verdeutlicht aber, dass zum Zeitpunkt der Planerstellung überhaupt noch keine festen Vorstellungen über die Raumnutzung bestanden haben können.
Der bereits erstinstanzlich angesprochene § 8 Abs. 2 der Teilungserklärung bestätigt das gefundene Ergebnis eher, als dass er ihm widerspricht. Die dortige Detailregelung zur gewerblichen Nutzung von Wohnungen und zum Prozedere der Einholung der Einwilligung des Verwalters wäre geradezu diskriminierend, wenn ausgerechnet den Teileigentümern – entgegen der sonst üblichen Praxis – jegliche gewerbliche Nutzung untersagt wäre und die Teilungserklärung das Einwilligungsverfahren nicht auch für diese Einheiten ermöglicht. Es mag sein, dass die Teilungserklärung hier keinen Regelungsbedarf sieht, weil den Teileigentümern ohnehin die gewerbliche Nutzung offensteht. Die von § 4 der Teilungserklärung vorgesehene „sinngemäße Anwendung“ auf Teileigentümer könnte bezogen auf § 8 Abs. 2 der Teilungserklärung zweierlei bedeuten: Zum einen, dass und wie (doch auch) die Teileigentümer die gewerbliche Nutzung beantragen können, zum anderen aber auch, dass und wie die Teileigentümer die Wohnnutzung beantragen können.
2. Aus den gemachten Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Feststellungsantrag (Klagantrag Ziff. 2) nicht begründet ist, da es gerade keine Nutzungsbeschränkung auf Hobby- und Abstellzwecke gibt. Die weiteren Begehren in Anträgen Ziff. 3 und 4 (Vollstreckungsantrag nach § 890 Abs. 2 und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten) sind – aus den genannten Gründen – genausowenig begründet wie der Antrag Ziff. 1.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713, ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert wird in Anlehnung an die Streitwertfestsetzung in erster Instanz festgesetzt.