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Nutzung Mietsache während Räumungsfrist – Entschädigungsanspruch Vermieter

Verletzung der Räumungspflicht und Schadenersatzansprüche: Ein kontroverses Urteil des Amtsgerichts Potsdam

Das Urteil des Amtsgerichts Potsdam (Az.: 23 C 425/19 (2)) vom 13. August 2020 behandelt eine komplexe Rechtsfrage im Bereich des Mietrechts, die durch die Verflechtung von Räumungspflicht und Schadenersatzansprüchen gekennzeichnet ist. Die beteiligten Parteien sind die Kläger, Vermieter einer Immobilie, und der Beklagte, der frühere Mieter. Nach einem Vergleich im Rahmen eines Eigenbedarfsprozesses hätte der Beklagte die Immobilie einschließlich der Freiflächen zum Ende Mai 2019 räumen sollen. Allerdings blieb der Beklagte in der Immobilie, was die Kläger dazu veranlasste, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Damit stellt sich das rechtliche Hauptproblem dieses Falles: Gibt es für die Vermieter einen Entschädigungsanspruch für die Nutzung der Mietsache während der Räumungsfrist, und wenn ja, in welchem Umfang?

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 23 C 425/19 (2) >>>

Die Stellung des Beklagten

Der Beklagte, überzeugt davon, dass die Kläger ihn an der Räumung gehindert hätten, widersprach den Schadenersatzansprüchen. Laut Beklagtem haben die Vermieter seine Habseligkeiten vernichtet, statt den gesetzlich vorgeschriebenen Weg zur Herausgabe nach § 885 ZPO zu wählen. Darüber hinaus würde das Versäumnis der Räumungspflicht durch den Beklagten nicht bedeuten, dass die Kläger im Wege der verbotenen Eigenmacht eine Räumung eigenständig durchführen könnten. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Kläger berechtigt waren, ihre Rechte auf eine Räumung eigenmächtig durchzusetzen.

Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch die Kläger

Die Kläger bestanden auf ihrem Schadenersatzanspruch, doch das Gericht sah ihre Vorgehensweise kritisch. Nach Auffassung des Gerichts hätten die Kläger, anstatt Eigenjustiz anzuwenden und sich unrechtmäßig in den Besitz der Mietsache zu bringen, die gesetzlich vorgeschriebene Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Titel betreiben müssen. Damit zeigt sich eine deutliche Kritik an dem Verhalten der Vermieter, die ihre eigenen Pflichten verletzten, indem sie die Herausgabe selbständig durchsetzen wollten.

Die Entscheidung des Gerichts und ihre Auswirkungen

Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 419,66 € nebst Zinsen an die Kläger und entschied, dass die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis von 92 % zu 8 % zwischen den Klägern und dem Beklagten aufzuteilen sind. Darüber hinaus wurde die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kläger durften die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass das Gericht die Eigenmacht der Vermieter und die Missachtung des Beklagten hinsichtlich der Räumungspflicht gleichermaßen missbilligt.

Lehren aus dem Fall und zukünftige Bedenken

Dieser Fall zeigt auf, wie kompliziert und kontrovers Rechtsfragen im Bereich des Mietrechts sein können. Besonders, wenn es um die Themen Räumungspflicht und Schadenersatzansprüche geht. Es ist klar, dass Vermieter und Mieter beide Pflichten haben, und dass die Verletzung dieser Pflichten zu rechtlichen Konsequenzen führen kann. Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit, bei strittigen Punkten immer den rechtlich vorgeschriebenen Weg zu befolgen und nicht Eigenjustiz zu praktizieren.


Das vorliegende Urteil

AG Potsdam – Az.: 23 C 425/19 (2) – Urteil vom 13.08.2020

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand einen Betrag in Höhe von 419,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.12.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 92 % und der Beklagte 8 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die andere Partei vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.240,41 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen Schadenersatzansprüche geltend.

Die Kläger hatten an den Beklagten eine Wohnung nebst Stallgebäude und Grundstück in … vermietet.

Im Rahmen eines Eigenbedarfsprozesses vor dem Amtsgericht Potsdam haben die Parteien am 23.04.2019 einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Beklagte die Mietsache zum Ende des Monats Mai 2019 einschließlich der Freiflächen geräumt herausgibt. Die Parteien waren sich darüber einig, dass das Mietverhältnis beendet ist.

Der Kläger zu 2) erteilte dem Beklagten unter dem 27.05.2019 ein Betretungsverbot für das Grundstück ab dem 01.06.2019.

Der Beklagte führte gemeinsam mit weiteren Personen am 31.05.2019 Beräumungsarbeiten auf dem Grundstück durch.

Eine vollständige Beräumung des Hauses und des Grundstücks erfolgte nicht. Der Kläger zu 2) verschloss gegen 0.00 Uhr am 01.06.2019 das Grundstück für den Beklagten.

Den Begleitern des Beklagten wurde gestattet, weitere Gegenstände aus der Wohnung zu holen.

Der Beklagte leistete für Mai 2019 keine Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten monatlichen Miete (419,66 €).

Die Kläger behaupten, dass der Beklagte seiner Verpflichtung zur Beräumung der Wohnung der Freiflächen nicht nachgekommen sei, so dass insgesamt hätten acht Tonnen Sperrmüll und „Gerümpel“ entsorgt werden müssen. Hierfür seien Kosten der Entrümpelung in Höhe von 3.570,00 € und Abtransportkosten in Höhe von 185,64 € und 1.065,11 € entstanden.

Eine Fristsetzung sei entbehrlich gewesen, weil es keiner Mahnung bedurft hätte aufgrund, dass die Leistung nach dem Kalender bestimmt gewesen sei. Ein Nacherfüllungsanspruch habe dem Beklagten nicht zugestanden. Es bedürfe nach der Rechtsprechung des BGH auch grundsätzlich keiner Fristsetzung des Vermieters.

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger zur gesamten Hand einen Betrag in Höhe von 5.240,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz haben würden, weil sie den Beklagten an der Räumung gehindert hätten. Die Nichterfüllung der Räumungspflicht durch den Beklagten würde jedoch nicht bedeuten, dass die Kläger im Wege der verbotenen Eigenmacht eine Räumung selbständig durchführen könnten und die Gegenstände des Beklagten vernichten dürften. Vielmehr hätten die Kläger sich rechtswidrig verhalten und nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Weg zur Herausgabe nach § 885 ZPO gewählt.

Der Anspruch werde auch der Höhe nach bestritten.

Die Klage wurde dem Beklagten am 12.12.2019 zugestellt.

Es wird ausdrücklich auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist wie zuerkannt begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung der Nutzungsentschädigung in Höhe von 419,66 € für Mai 2019. Gemäß § 546 a Abs. 1 BGB hat der Vermieter Anspruch auf Entschädigung mindestens in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete, wenn der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht herausgibt. Dies gilt auch während der vom Vermieter gewährten Räumungsfrist. Gemäß des gerichtlichen Vergleichs vom 23.04.2019 war das Mietverhältnis spätestens zu diesem Zeitpunkt beendet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung der Herausgabeverpflichtung.

Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

Die Pflicht zur Herausgabe der Mietsache umfasst auch deren Beräumung von Sachen, die der Mieter eingebracht hat.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Mieter die Herausgabepflicht nicht erfüllt hat, weil die Mietsache nicht beräumt wurde. Es liegt insoweit auch kein Fall der Schlechterfüllung der Herausgabeverpflichtung vor, weil nicht nur wenige Gegenstände des Beklagten zurückgeblieben waren. Von einer Schlechterfüllung der Verpflichtung zur Räumung kann nur ausgegangen werden, wenn wenige Gegenstände bzw. Einrichtungen, die nur geringen Raum einnehmen und deren Beseitigung nur einen unerheblichen Aufwand an Mühe, Transport und Kosten erfordern, zurückbleiben. In diesen Fällen muss der Vermieter dann gemäß § 281 Abs. 1 BGB Fristen setzen, sofern sie nicht entbehrlich sind. Es entsteht mithin nicht sofort ein Schadenersatzanspruch.

Vorliegend steht den Klägern jedoch kein Schadenersatzanspruch aufgrund der Nichterfüllung der Räumungsverpflichtung als Teil der Herausgabeverpflichtung zu, weil die Kläger den Beklagten an der Beräumung gehindert haben. Die Nichterfüllung der mit dem gerichtlichen Vergleich titulierten Herausgabepflicht hat die Kläger nicht berechtigt, sich im Wege der Selbstjustiz in den Besitz der Mietsache zu bringen. Vielmehr hätten sie die gesetzlich vorgeschriebene Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Titel betreiben müssen.

Damit haben die Kläger ihrerseits Pflichten verletzt und sich ihrerseits rechtswidrig in den Besitz der Mietsache gesetzt.

Insoweit kann auch dahinstehen, ob den Klägern durch die Nichtinbesitznahme der Mietsache am 01.06.2019 ein Schaden entstanden wäre.

Bereits aus diesen Ausführungen folgt, dass dem Beklagten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit hätte eingeräumt werden müssen, die Mietsache vollständig zu beräumen. Daher hätte es einer Fristsetzung bedurft, die auch spätestens mit der Ankündigung des Räumungstermins durch einen Gerichtsvollzieher gesetzt worden wäre.

Damit kann alles Weitere dahinstehen.

Die Kläger haben Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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