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Nachbarn fotografieren: Wann Persönlichkeitsrecht Grenzen setzt

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Itzehoe kam es zum Streit: Ein Nachbar fotografierte ständig seine Mitbewohnerin, die daraufhin ihr Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Das Gericht entschied über ein Fotografierverbot, das jedoch unerwartete räumliche Grenzen für das unerlaubte Fotografieren von Personen festlegte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 23/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Itzehoe
  • Datum: 18.03.2025
  • Aktenzeichen: 1 S 23/24
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Persönlichkeitsrecht, Eigentumsrecht, Zivilrecht

  • Das Problem: Zwei Nachbarn in einer Wohnungseigentümergemeinschaft stritten sich. Ein Nachbar fotografierte den anderen wiederholt ohne dessen Zustimmung. Der fotografierte Nachbar sah seine Privatsphäre verletzt.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Wohnungseigentümer seinen Nachbarn gegen dessen Willen fotografieren, um sein Eigentum oder angebliche Schäden daran zu dokumentieren, oder verletzt das die Privatsphäre des Nachbarn?
  • Die Antwort: Nein, nicht uneingeschränkt. Das Gericht untersagt dem Beklagten, die Klägerin zu fotografieren, wenn diese sich außerhalb seines Sondereigentums aufhält. Er muss auch einen Teil der Anwaltskosten der Klägerin tragen.
  • Die Bedeutung: Diese Entscheidung stärkt das Recht auf die eigene Privatsphäre gegenüber Nachbarn. Das Fotografieren anderer Personen ist auch zur Beweissicherung nur unter strengen Voraussetzungen und mit Rücksicht auf die Privatsphäre erlaubt.

Der Fall vor Gericht


Fotografierverbot für Nachbarn: Wo das Gericht eine scharfe Grenze zog

Ein Gerichtsurteil kann ein scharfes Schwert sein. Manchmal ist es aber auch ein feines Skalpell. Das Landgericht Itzehoe verbot einem Mann, seine Nachbarin zu fotografieren – aber nur, wenn sie sich nicht auf seinem Grundstück aufhält.

Ein Nachbar verletzt das Recht am eigenen Bild seiner Nachbarin durch unerlaubtes Fotografieren und Überwachen mit Smartphones.
Landgericht Itzehoe verbietet dem Nachbarn, seine Nachbarin außerhalb seines Grundstücks zu fotografieren; ihr Persönlichkeitsrecht überwiegt. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Auf seinem eigenen Grund und Boden darf er sie ablichten. Diese auf den ersten Blick seltsam anmutende Regelung ist das Ergebnis eines erbitterten Streits zwischen zwei Wohnungseigentümern. Sie zeigt, wie präzise Gerichte die Grenzen zwischen dem Schutz des Eigentums und dem Schutz der Persönlichkeit ziehen müssen.

Welche Rechte standen sich im Gerichtssaal gegenüber?

Der Fall drehte sich um einen tiefen Graben zwischen zwei fundamentalen Rechten. Auf der einen Seite stand die Klägerin. Sie fühlte sich von ihrem Nachbarn observiert und wiederholt gegen ihren Willen fotografiert. Sie berief sich auf ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht, das durch die Verfassung geschützt ist (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz). Dieses Recht schützt die Privatsphäre und umfasst das Recht am eigenen Bild. Im Klartext: Grundsätzlich entscheidet jeder Mensch selbst, ob und in welchem Kontext Bilder von ihm gemacht werden. Ein unerlaubtes Foto ist ein direkter Eingriff in dieses Recht und kann einen Unterlassungsanspruch auslösen (§ 1004 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB).

Auf der anderen Seite stand der Beklagte. Er sah sein Eigentumsrecht in Gefahr, ebenfalls ein starkes Grundrecht (Art. 14 Grundgesetz). Er argumentierte, die Fotos seien reine Notwehr gewesen. Er habe Eingriffe in sein Eigentum – etwa den Einsatz eines Lasermessgeräts oder Arbeiten an einer Hecke – dokumentieren müssen. Die Bilder dienten der Beweissicherung für mögliche zukünftige Auseinandersetzungen. Sein Standpunkt war: Sein Recht, sein Eigentum zu schützen, müsse ihm erlauben, die dafür nötigen Beweise zu sammeln.

Wieso überzeugte das Argument der Beweissicherung das Gericht nicht?

Das Landgericht Itzehoe folgte der Argumentation des Mannes nicht. Die Richter führten eine sorgfältige Güterabwägung durch – sie wogen die gegensätzlichen Interessen gegeneinander ab. Das Ergebnis war eindeutig. Das Persönlichkeitsrecht der Frau wog in diesem konkreten Fall schwerer.

Die Richter stellten fest, dass die Fotos die Frau gezielt abbildeten, um ihre Anwesenheit zu belegen. Der Mann hätte seine angeblichen Eigentumsverletzungen aber auch anders dokumentieren können. Er hätte einen anderen Kamerastandort wählen oder so zoomen können, dass seine Nachbarin nicht erkennbar ist. Seine Vorgehensweise war nicht das mildeste Mittel.

Noch wichtiger war die Bewertung der angeblichen Störungen. Der kurzzeitige Einsatz eines Lasermessgeräts durch die Nachbarin war aus Sicht des Gerichts eine unwesentliche Beeinträchtigung. Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Eigentümer solche geringfügigen Einwirkungen dulden müssen (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch in einer Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es Duldungspflichten für ein geordnetes Zusammenleben (§ 14 WEG). Da die Störung selbst rechtlich kaum Gewicht hatte, konnte sie auch keinen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Nachbarin rechtfertigen. Das Interesse an Beweissicherung lief ins Leere, weil es nichts von rechtlicher Bedeutung zu beweisen gab. Die heimlichen Fotos waren rechtswidrig.

Warum wurde das Fotografierverbot räumlich begrenzt?

Das Gericht bestätigte den Anspruch der Frau auf Unterlassung. Wer einmal rechtswidrig gehandelt hat, bei dem wird vermutet, dass er es wieder tun könnte. Diese Wiederholungsgefahr begründet den Unterlassungsanspruch. Der Mann wurde verurteilt, es bei Androhung eines hohen Ordnungsgeldes zu unterlassen, die Frau zu fotografieren.

Hier kam das juristische Skalpell zum Einsatz. Das Amtsgericht hatte dem Mann das Fotografieren seiner Nachbarin pauschal verboten. Das Landgericht sah darin eine zu starke Einschränkung seines Eigentumsrechts. Ein Eigentümer darf sein Grundstück grundsätzlich überwachen, um sich vor unberechtigten Übergriffen zu schützen. Das schließt auch Fotoaufnahmen ein, solange keine öffentlichen Bereiche oder Nachbargrundstücke erfasst werden.

Die Richter schufen eine klare räumliche Trennung. Das Verbot gilt nur, solange sich die Frau außerhalb des Sondereigentums des Mannes aufhält. Betritt sie sein Grundstück, darf er sie fotografieren. In diesem Moment überwiegt sein Recht, Vorgänge auf seinem eigenen Grund zu dokumentieren. Verlässt sie es wieder, kippt die Abwägung und ihr Persönlichkeitsrecht hat Vorrang.

Musste der Mann die Anwaltskosten seiner Nachbarin bezahlen?

Ja. Da der Mann das Persönlichkeitsrecht der Frau schuldhaft verletzt hatte, musste er ihr den daraus entstandenen Schaden ersetzen (§ 823 Abs. 1 BGB). Zu diesem Schaden gehören auch die Kosten für den Anwalt, den die Frau beauftragen musste, um ihre Rechte durchzusetzen. Das Gericht sprach ihr die Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 540,50 Euro zu. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass ihr ursprünglich gefordertes, pauschales Verbot vom Gericht eingeschränkt wurde. Ihr Vorgehen war im Kern erfolgreich und die Anwaltskosten waren eine notwendige Folge der Rechtsverletzung durch den Nachbarn.

Die Urteilslogik

Gerichte ziehen eine scharfe Grenze zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Recht, das eigene Eigentum zu überwachen.

  • Persönlichkeitsrecht schützt vor Überwachung: Jeder Mensch entscheidet grundsätzlich selbst, ob und in welchem Kontext Bilder von ihm entstehen, besonders wenn ein Nachbar geringfügige Beeinträchtigungen dokumentieren will.
  • Eigentumsrecht begrenzt das Fotografierverbot: Ein Grundstückseigentümer darf auf seinem eigenen Grund und Boden auch einen Nachbarn fotografieren, wenn dieser sich dort aufhält und die Aufnahmen der Dokumentation von Eigentumsbelangen dienen.
  • Verletzung hat Kostenfolgen: Wer schuldhaft fremde Persönlichkeitsrechte verletzt, muss dem Geschädigten die dadurch entstehenden Anwaltskosten als Schaden ersetzen.

Diese Prinzipien zeigen, wie präzise Gerichte die verschiedenen Grundrechte abwägen, um ein geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen.


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Experten Kommentar

Ein Zaun mag die Grundstücke trennen, aber wo liegt die Grenze für die Kamera? Dieses Urteil macht eines klar: Die Privatsphäre des Nachbarn endet nicht einfach an der Grundstücksgrenze. Man darf ihn nicht einfach ablichten, wenn er sich auf seinem eigenen oder einem Gemeinschaftsgrundstück aufhält. Steht er aber auf dem eigenen Grund und Boden, ändert sich die Lage – dann zählt das Recht, das Eigentum zu schützen und Vorgänge dort festzuhalten. Diese feine Unterscheidung ist entscheidend für alle, die sich durch beobachtende Nachbarn unwohl fühlen oder selbst rechtssicher dokumentieren möchten.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Darf mein Nachbar mein Grundstück dauerhaft per Kamera überwachen?

Nein, eine dauerhafte Kameraüberwachung, die Ihr Grundstück erfasst und damit Ihr Persönlichkeitsrecht verletzt, ist in den meisten Fällen unzulässig, selbst wenn die Kamera auf dem Grundstück des Nachbarn steht. Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht schützt Ihre Privatsphäre umfassend vor solcher unberechtigten Aufzeichnung, auch wenn die Anlage auf Nachbars Grundstück platziert ist. Der entscheidende Faktor ist, was die Kamera tatsächlich aufzeichnet.

Juristen nennen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG erwächst. Dieses Recht schützt Ihre Privatsphäre und Ihr Recht am eigenen Bild auch auf Ihrem privaten Grund und Boden vor unberechtigter Überwachung. Zwar darf ein Eigentümer grundsätzlich sein eigenes Grundstück kontrollieren, doch endet dieses Recht dort, wo es systematisch und dauerhaft öffentliche Bereiche oder gar das Nachbargrundstück erfasst. Ein solcher Eingriff in Ihre geschützte Sphäre ist oft schwerwiegender als das bloße Überwachungsinteresse des Nachbarn. In einer gerichtlichen Güterabwägung wird die dauerhafte Erfassung Ihres Grundstücks in aller Regel als unverhältnismäßig eingestuft.

Denken Sie an eine imaginäre Linie zwischen Ihrem Grundstück und dem Ihres Nachbarn. Diese Linie ist nicht nur physisch, sondern auch rechtlich eine klare Grenze: Was auf Ihrer Seite dieser Linie stattfindet, darf in der Regel nicht ohne triftigen Grund und ohne Ihre Zustimmung per Kamera dauerhaft aufgezeichnet werden. Der Blickwinkel der Kamera ist hierbei entscheidend, nicht allein ihr Standort.

Dokumentieren Sie präzise den Überwachungsbereich der Kamera, idealerweise mit Fotos, die den Aufnahmebereich auf Ihrem Grundstück zeigen. Notieren Sie zudem den genauen Standort der Kamera und wenn möglich, deren Ausrichtung. Solche Belege sind unerlässlich, falls Sie rechtliche Schritte einleiten möchten.


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Kann ich meinen Nachbarn filmen, wenn er mich beleidigt oder bedroht?

Das Filmen eines Nachbarn bei Beleidigungen oder Bedrohungen ist juristisch sehr heikel. Es kann unter engen Voraussetzungen als „mildestes Mittel“ zur Beweissicherung zulässig sein, wenn Ihre Rechtsgüter sonst akut nicht schützbar sind. Ihr Persönlichkeitsrecht muss dabei das Schutzinteresse des Nachbarn überwiegen; eine genaue Güterabwägung ist immer nötig.

Allgemein gilt: Jeder Mensch hat ein Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt davor, ohne Zustimmung gefilmt oder fotografiert zu werden. Juristen nennen das Recht am eigenen Bild, verankert in § 22 KunstUrhG und gestützt durch unser Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Ihr Wunsch, Beleidigungen oder Bedrohungen zu dokumentieren, trifft also direkt auf das Schutzinteresse Ihres Nachbarn.

Gerichte wägen in solchen Fällen die widerstreitenden Interessen sorgfältig ab. Ein entscheidender Punkt ist immer die Frage, ob das Filmen das mildeste Mittel zur Beweissicherung war. Im Kontext des vorliegenden Artikels wurde das Filmen einer Nachbarin bei angeblichen Eigentumsverletzungen als unverhältnismäßig angesehen. Hier gab es Alternativen, wie andere Kamerastandorte oder gezielteres Zoomen. Bei akuten Beleidigungen oder Bedrohungen kann die Situation jedoch anders aussehen. Wenn keine weniger eingreifenden Beweismittel zur Verfügung stehen und die Rechtsverletzung schwerwiegend ist, könnte Ihr Interesse am Schutz der eigenen Person ausnahmsweise überwiegen.

Ein passender Vergleich ist der Notarztwagen: Er darf mit Blaulicht und Sirene fahren, um Leben zu retten – aber nur, wenn es wirklich nötig ist und keine andere Option besteht. Bei einem Kratzer am Auto darf er das nicht. Ebenso dürfen Sie das Persönlichkeitsrecht Ihres Nachbarn nur dann verletzen, wenn Ihre Rechtsgüter akut und schwerwiegend bedroht sind und keine andere, mildere Dokumentationsmöglichkeit besteht.

Mein klarer Praxis-Tipp: Filmen Sie niemals präventiv oder bei jedem kleinen Streit. Sollten Sie sich tatsächlich einer akuten, schwerwiegenden Beleidigung oder Bedrohung ausgesetzt sehen und das Filmen als einziges, unverzichtbares Beweismittel ansehen, handeln Sie besonnen. Kündigen Sie die Aufnahme lautstark an, etwa mit den Worten: „Ich filme Sie jetzt als Beweis für Ihre Beleidigung/Bedrohung!“ Konzentrieren Sie die Kameraführung ausschließlich auf die rechtsverletzende Handlung und vermeiden Sie unnötige Aufnahmen von Personen oder dem Umfeld. Dies erhöht die Chance, dass die Aufnahme später vor Gericht als zulässiger Beweis anerkannt wird.


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Wie kann ich heimliche Fotos von mir durch Nachbarn beweisen?

Heimliche Fotos durch Nachbarn zu beweisen, ist eine Herausforderung, die konkrete Beweise erfordert. Ein reines Gefühl der Überwachung genügt für gerichtliche Schritte leider nicht. Stattdessen sind handfeste Anhaltspunkte wie Zeugenaussagen oder eigene Beweisaufnahmen entscheidend, um einen Unterlassungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung erfolgreich durchzusetzen und die unerlaubte Fotografie zu belegen.

Juristen nennen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches Ihre Privatsphäre schützt. Um eine Verletzung dieses Rechts durch heimliche Fotografien gerichtlich geltend zu machen, brauchen Sie mehr als nur den Verdacht. Bloße Vermutungen oder unklare Beobachtungen, die keinen direkten Bezug zur eigentlichen Fotoaufnahme haben, reichen nicht aus. Deshalb ist der Nachweis der tatsächlichen, unerlaubten Fotografie unerlässlich.

Eine Möglichkeit besteht darin, Zeugen zu finden. Sprechen Sie mit Freunden, Besuchern oder anderen Nachbarn, die die verdächtigen Aktivitäten ebenfalls bemerkt haben und bereit wären, dies zu bezeugen. Ihre Aussage kann maßgeblich sein. Ein weiterer, sehr direkter Weg ist, selbst aktiv zu werden: Beobachten Sie Ihren Nachbarn beim Fotografieren. Gelingt Ihnen das, sollten Sie umgehend mit Ihrem Smartphone eine eigene Beweisaufnahme machen. Dokumentieren Sie präzise, dass er Sie unberechtigt ablichtet. Halten Sie dabei exakt fest: Datum, Uhrzeit und die genauen Umstände der Aufnahme.

Denken Sie an die Situation vor Gericht. Ein Richter braucht Fakten, keine Ahnungen. Wenn Sie behaupten, Ihr Nachbar hat Ihren Apfelbaum heimlich gefällt, reicht es nicht, nur zu sagen: „Ich habe das Gefühl, er war’s.“ Sie brauchen einen Zeugen, eine Säge mit seinen Fingerabdrücken oder ein Video. Genauso ist es bei heimlichen Fotos – es zählt, was beweisbar ist.

Mein Tipp: Führen Sie ein äußerst detailliertes Tagebuch. Notieren Sie penibel jedes verdächtige Ereignis: Datum, genaue Uhrzeit, den Ort, was Sie präzise gesehen haben – etwa ‚Nachbar um 14:30 Uhr mit Smartphone am Fenster in meine Richtung gerichtet‘ – und vermerken Sie mögliche Zeugen. Ganz wichtig ist auch: Konfrontieren Sie Ihren Nachbarn nicht voreilig. Ohne gesicherte Beweise geben Sie ihm nur die Chance, Beweismittel zu beseitigen oder seine Handlungen zu leugnen.


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Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei illegalen Fotos von Nachbarn?

Der vorliegende Artikel konzentriert sich primär auf zivilrechtliche Konsequenzen wie Unterlassungsansprüche und Schadensersatz bei unerlaubtem Fotografieren. Doch die Sache hat auch eine strafrechtliche Dimension: Bei Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs können illegale Fotos nach § 201a StGB auch Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen nach sich ziehen, was weit über die zivilrechtlichen Maßnahmen hinausgeht.

Im Gerichtsfall, auf den sich der Artikel bezieht, ging es zunächst um zivilrechtliche Ansprüche: Der Fotograf wurde zur Unterlassung verurteilt und musste die Anwaltskosten seiner Nachbarin tragen. Er musste sich verpflichten, weitere Aufnahmen zu unterlassen, sonst drohten hohe Ordnungsgelder. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und der finanziellen Entschädigung der Geschädigten.

Eine andere Dimension eröffnet das Strafgesetzbuch. Fotografiert jemand unbefugt und macht Aufnahmen vom höchstpersönlichen Lebensbereich anderer Personen, kann dies strafrechtlich relevant sein. Hier kommt insbesondere § 201a StGB ins Spiel. Dieser Paragraph schützt zum Beispiel vor heimlichen Aufnahmen in der Wohnung oder in anderen vor Einblicken besonders geschützten Räumen, aber auch vor der Verbreitung solcher Aufnahmen. Juristen sprechen hier vom Schutz der Intimsphäre und des Rechts am eigenen Bild.

Denken Sie an eine Tür: Zivilrechtliche Maßnahmen sind wie ein Schloss, das weitere unbefugte Eintritte verhindert und den entstandenen Schaden begleicht. Strafrechtliche Konsequenzen hingegen sind die „Polizei“, die ermittelt und den Täter für den Einbruch bestraft.

Fühlen Sie sich von Ihrem Nachbarn schwerwiegend und wiederholt illegal fotografiert, besonders im höchstpersönlichen Bereich? Dann erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. Dies ermöglicht eine Prüfung der strafrechtlichen Verfolgung und kann die Ernsthaftigkeit der Situation unterstreichen.


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Was kann ich tun, wenn mein Nachbar mich unberechtigt fotografiert und die Bilder als Beweis nutzen will?

Wenn Ihr Nachbar Sie unerlaubt fotografiert und diese Bilder als Beweis nutzen möchte, verletzen diese Aufnahmen in den meisten Fällen Ihr Persönlichkeitsrecht. Solche rechtswidrig erstellten Fotos können vor Gericht nicht als Beweismittel dienen, vor allem wenn dem Nachbarn mildere Wege zur Dokumentation zur Verfügung gestanden hätten. Zögern Sie nicht: Fordern Sie umgehend die Unterlassung und lassen Sie die Unzulässigkeit der Aufnahmen rechtlich feststellen.

Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, geschützt durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, ist Ihr wichtigster Schutzschild. Dieses Grundrecht gewährleistet, dass Sie selbst bestimmen, wann und wie Bilder von Ihnen gemacht und verbreitet werden. Es überwiegt in den allermeisten Fällen das Interesse Ihres Nachbarn, Fotos als Beweis zu sammeln. Dies gilt besonders, wenn die Aufnahmen gezielt und ohne Ihre Zustimmung außerhalb seines Sondereigentums entstanden sind.

Juristen nennen das eine Güterabwägung. Ein Gericht wird immer genau prüfen, ob die Aufnahmen das sogenannte „mildeste Mittel“ zur Beweissicherung darstellten. Hatte Ihr Nachbar andere, weniger invasive Optionen, um seine Behauptungen zu dokumentieren – etwa einen anderen Kamerawinkel zu wählen oder weniger stark zu zoomen – gelten die Fotos als unzulässig. Folglich dürfen sie dann auch nicht als Beweis in einem Rechtsstreit verwendet werden. Eine solche Rechtsverletzung gibt Ihnen nicht nur einen Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 BGB analog, sondern auch auf Ersatz Ihrer Anwaltskosten gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

Denken Sie an eine Waage der Gerechtigkeit: Auf der einen Seite liegt Ihr schwerwiegendes Recht auf Privatsphäre und das eigene Bild. Auf der anderen Seite liegt das Beweisinteresse des Nachbarn. Solange Ihr Nachbar seine Argumente auch mit weniger einschneidenden Mitteln belegen konnte, bleibt seine Seite der Waage einfach zu leicht. Ihre Privatsphäre wiegt schwerer.

Zögern Sie nicht, aktiv zu werden. Akzeptieren Sie niemals widerstandslos, dass unrechtmäßig aufgenommene Fotos als Beweis gegen Sie verwendet werden könnten. Stattdessen sollten Sie umgehend einen spezialisierten Rechtsanwalt kontaktieren. Er kann eine außergerichtliche Unterlassungserklärung für Sie formulieren und, falls erforderlich, eine gerichtliche Unterlassungsklage einleiten, um Ihre Rechte nachhaltig zu sichern.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die gesamte private Sphäre eines Menschen, sodass jeder selbst bestimmen kann, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dieses Grundrecht, verwurzelt in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz, ermöglicht es jedem Individuum, seine persönliche Entfaltung und seine Privatsphäre zu bewahren. Es sichert uns das Recht am eigenen Bild und bewahrt uns vor unberechtigter Beobachtung.

Beispiel: Die Klägerin berief sich auf ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht, weil ihr Nachbar sie wiederholt gegen ihren Willen fotografierte und damit in ihre geschützte Sphäre eingriff.

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Beweissicherung

Unter Beweissicherung versteht man das systematische Sammeln und Festhalten von Tatsachen und Umständen, die später in einem Gerichtsverfahren als Nachweis dienen können. Das Gesetz erlaubt die Beweissicherung, um Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Ansprüche oder Verteidigungen mit stichhaltigen Fakten zu untermauern. Es soll Fairness im Prozess gewährleisten und Gerichten eine fundierte Entscheidungsbasis liefern.

Beispiel: Der Beklagte argumentierte, er habe die Fotos der Nachbarin nur zur Beweissicherung angeblicher Eigentumsverletzungen gemacht, was das Gericht jedoch als unverhältnismäßig einstufte.

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Güterabwägung

Bei einer Güterabwägung wägen Juristen widerstreitende rechtliche Interessen oder Grundrechte gegeneinander ab, um zu entscheiden, welches im konkreten Fall Vorrang hat. Dieser rechtliche Prozess ist unerlässlich, wenn zwei oder mehr geschützte Rechtspositionen kollidieren, denn das Gericht muss eine faire und gerechte Lösung finden. Er stellt sicher, dass keiner der Beteiligten unverhältnismäßig benachteiligt wird und das Ergebnis angemessen ist.

Beispiel: Das Landgericht Itzehoe führte eine sorgfältige Güterabwägung durch, um zu entscheiden, ob das Persönlichkeitsrecht der Nachbarin oder das Eigentumsrecht des Fotografierenden Vorrang haben sollte.

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Höchstpersönlicher Lebensbereich

Der höchstpersönliche Lebensbereich umfasst die intimsten und privatesten Angelegenheiten eines Menschen, die einen besonders hohen Schutz vor unbefugten Einblicken oder Aufnahmen genießen. Dieser besondere Schutz ist in § 201a StGB verankert und soll verhindern, dass Personen in Momenten maximaler Verletzlichkeit oder in ihren Privaträumen unbefugt abgelichtet oder zur Schau gestellt werden. Er schirmt die Intimsphäre ab und sichert das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Privatsphäre.

Beispiel: Illegale Fotos vom höchstpersönlichen Lebensbereich des Nachbarn, wie Aufnahmen in der eigenen Wohnung, könnten nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach § 201a StGB nach sich ziehen.

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Mildestes Mittel

Das mildeste Mittel ist ein juristisches Prinzip, das besagt, dass bei mehreren gleich geeigneten Maßnahmen stets jene zu wählen ist, die am wenigsten in die Rechte oder Freiheiten einer Person eingreift. Dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip schützt vor übermäßiger Beeinträchtigung durch staatliches oder auch privates Handeln. Es gewährleistet, dass jede Maßnahme angemessen und notwendig ist, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, ohne dabei unnötigen Schaden anzurichten.

Beispiel: Das Gericht befand, dass das gezielte Fotografieren der Nachbarin nicht das mildeste Mittel zur Dokumentation angeblicher Eigentumsverletzungen war, da es andere, weniger invasive Optionen gab.

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Unterlassungsanspruch

Ein Unterlassungsanspruch ist das Recht, von einer Person zu verlangen, eine bestimmte rechtswidrige Handlung zukünftig zu unterlassen, die sie bereits einmal begangen hat. Dieser Anspruch, oft geregelt in § 1004 BGB analog, dient dem präventiven Schutz vor wiederholten Rechtsverletzungen. Er soll die Geschädigten vor weiterer Beeinträchtigung bewahren, indem er eine klare rechtliche Grenze für den Verursacher zieht.

Beispiel: Der Nachbarin stand ein Unterlassungsanspruch zu, da der Beklagte sie bereits unrechtmäßig fotografiert hatte und somit eine Wiederholungsgefahr für weitere Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts bestand.

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Wiederholungsgefahr

Eine Wiederholungsgefahr liegt juristisch vor, wenn nach einer bereits erfolgten Rechtsverletzung die ernsthafte Befürchtung besteht, dass der Täter die gleiche oder eine ähnliche unerlaubte Handlung erneut begehen wird. Ohne diese Voraussetzung würde ein Unterlassungsanspruch ins Leere laufen, da es keinen Grund gäbe, präventiv gegen zukünftige Taten vorzugehen. Sie ist der Kern für den Schutz vor zukünftigen Beeinträchtigungen und dient der Rechtssicherheit des Opfers.

Beispiel: Weil der Mann seine Nachbarin bereits mehrfach fotografiert hatte, sah das Gericht eine Wiederholungsgefahr als gegeben an, was den Unterlassungsanspruch der Frau begründete.

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Das vorliegende Urteil


LG Itzehoe – Az.: 1 S 23/24 – Urteil vom 18.03.2025


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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