AG Remscheid – Az.: 7 C 187/10 – Urteil vom 17.03.2011
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die im ersten Obergeschoss des Hauses Xweg in Remscheid gelegene, aus drei Zimmern, Küche, Bad, WC sowie Balkon bestehende Wohnung und die im Haus Xweg rechts von der Eingangstür gelegene Doppelgarage zum 30.04.2011 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, und zwar
– hinsichtlich der Hauptsache (Räumung) durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 2.625,00 €, die sich im Falle der nicht fristgerechten Räumung für die Zeit ab Mai 2011 für jeden angefangenen Monat um 875,00 € erhöht
– und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.05.2011 gewährt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer und Vermieter, die Beklagten Mieter der im Tenor näher bezeichneten Wohnung im Hause Xweg in Remscheid, die die Beklagten durch Mietvertrag vom 14.08.2004 (Blatt 3 ff. d. GA) zum 01.09.2004 anmieteten.
Die Miete für Wohnung einschließlich Garage betrug zuletzt 630,00 € kalt und 875,00 € warm. Die Miete ist monatlich im Voraus fällig zum 3. Werktag eines jeden Monats.
Nachdem die Beklagten mit der Zahlung der Mieten für September und Oktober 2010 in Rückstand geraten waren, kündigten die Kläger mit Schreiben vom 19.10.2010 (Blatt 18 f. d. GA) mit Rücksicht auf den Zahlungsverzug das bestehende Mietverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Am 05.11.2010 ging die rückständige Miete für September und Oktober 2010 bei den Klägern ein, nicht aber die für November 2010. Daraufhin haben die Kläger unter dem 16.11.2010 eingehend bei Gericht Räumungsklage erhoben, die den Beklagten am 07.12.2010 zugestellt worden ist. Zuvor, nämlich am 23.11.2010, gingen die Mieten für November und Dezember 2010 bei den Klägern ein.
Ursprünglich haben die Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die im ersten Obergeschoss des Hauses Xweg in Remscheid gelegene, aus drei Zimmern, Küche, Bad, WC sowie Balkon bestehende Wohnung und die im Haus Xweg rechts von der Eingangstür gelegene Doppelgarage zu räumen und an die Kläger herauszugeben;
2. hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, die im Klageantrag zu 1. näher bezeichnete Wohnung und die Doppelgarage am 30.04.2011 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
Nachdem das Gericht den Klägern den Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift mitgeteilt hat, haben die Kläger den Klageantrag zu 1. unter Aufrechterhaltung des Klageantrages zu 2. zurückgenommen.
Die Beklagten haben der Antragsrücknahme zu 1. zugestimmt und beantragen im Übrigen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, der Zahlungsverzug sei ihrerseits unverschuldet gewesen. Die Beklagte zu 1) sei am 26.08.2010 nach Mexiko geflogen, um ihren Ehemann, den Beklagten zu 2), der sich dort seit längerer Zeit aufhielt, für 2 Wochen zu besuchen. Um eine pünktliche Mietzahlung für September 2010 zu ermöglichen, habe sich die Beklagte zu 1) bei ihrer Bank, der Xbank in Remscheid, erkundigt nach Möglichkeiten, Geldüberweisungen von Mexiko nach Deutschland vorzunehmen, um ihr in Deutschland befindliches Konto mit der erforderlichen Deckung für die Mietzahlung auszustatten. Von der Xbank habe sie die Auskunft erhalten, es bestünde eine Partnerschaft mit der in Mexiko ansässigen „X Bank“. Von dort aus könne sie eine Überweisung unter Verwendung von IBAN und BIC auf ihr deutsches Konto vornehmen. Die Beklagte zu 1) habe sodann einen Überweisungsauftrag für die Xbank betreffend die Miete September 2010 ausgestellt und einer Mitarbeiterin der Xbank ausgehändigt mit der Weisung, die Überweisung der Miete nach erfolgter Deckung des Kontos vorzunehmen.
Ende August 2010 habe die Beklagte zu 1) sodann in Mexiko versucht, den erforderlichen Geldbetrag auf das Konto bei der Xbank zu überweisen. Bei der X Bank habe sie sodann erfahren müssen, dass eine solche Überweisung ohne Einrichtung eines Kontos bei der dortigen Bank nicht möglich sei. Die Einrichtung eines Kontos setzte allerdings einen Wohnsitz und eine FM 3 Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis voraus, welche die Beklagte zu 1) nicht hatte. Daraufhin habe die Beklagte zu 1) beschlossen, die Überweisung erst nach ihrer Rückkehr nach Deutschland in Mitte September 2010 vorzunehmen.
In der Folgezeit habe sie sodann einen Verkehrsunfall erlitten, so dass die Beklagten beschlossen hätten, erst später ihre gemeinsame Heimreise anzutreten, nachdem die Beklagte zu 1) genesen sei.
Die Beklagte zu 1) habe sich unterdessen weiterhin bemüht, den Geldtransfer nach Deutschland zu ermöglichen. Sie habe schließlich trotz erheblicher Kosten über die Gesellschaft Western Union an Herrn X Geld überweisen können für die Weiterleitung an die Kläger betreffend die Mieten für September und Oktober 2010. Der entsprechende Geldbetrag ging am 05.11.2010 unstreitig auf dem Konto der Kläger ein.
Nach der Rückkehr aus Mexiko am 21.11.2010 habe die Beklagte zu 1) sodann umgehend die Überweisung der Mieten für November und Dezember 2010 veranlasst, die am 23.11.2010 unstreitig bei den Klägern einging.
Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, obwohl sie auf künftige Räumung gerichtet ist, da die Beklagten ihre Verpflichtung zur Räumung der Mietwohnung am 30.04.2011 im vorliegenden Verfahren bestreiten.
Die Klage ist auch begründet.
Die Beklagten sind gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Rückgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung durch Räumung und Herausgabe am 30.04.2011 verpflichtet, denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist aufgrund der mit Schreiben vom 19.10.2010 ausgesprochenen hilfsweisen ordentlichen Kündigung beendet.
Diese ordentliche Kündigung ist gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet. Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, denn der Rückstand der gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten mit den Mieten für September und Oktober 2010 jeweils in voller Höhe stellt eine erhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten der Beklagten dar. Die Verpflichtung zur Zahlung der laufenden Mieten ist eine Hauptleistungspflicht des Mieters. Der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 19.10.2010 vorliegende Rückstand in Höhe von zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten ist als erheblich anzusehen, rechtfertigt er doch sogar gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eine fristlose Kündigung (BGH, Urteil 16.02.2005, VII ZR 6/04; OLG Karlsruhe Rechtsentscheid 19.08.1992, Az. 3 REMiet 1/92).
Vorliegend ist zwar durch den nachträglichen Ausgleich aller Zahlungsrückstände innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB von 2 Monaten ab Erhebung der Räumungsklage am 21.11.2010 die ebenfalls erklärte fristlose Kündigung unwirksam geworden. Dieses führt indessen nicht dazu, dass die gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung ebenfalls unwirksam geworden wäre. Die Heilungswirkung einer nachträglichen Zahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bezieht sich lediglich auf die außerordentliche Kündigung und ist nicht entsprechend anwendbar auf die sogleich ausgesprochene ordentliche Kündigung (BGH und OLG Karlsruhe, a.a.O.). Die einmal eingetretene Pflichtverletzung wird nicht durch die nachträgliche Zahlung geheilt (aaO.)
Entscheidend für die ordentliche Kündigung ist vielmehr, dass der Mieter seine vertraglichen Pflichten nicht unerheblich verletzt hat. Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung entfällt im Falle des Zahlungsverzuges nicht dadurch, dass die Kläger vor Ausspruch der Kündigung die Beklagten nicht zuvor in Bezug auf die Pflichtverletzung (Zahlungsverzug) abgemahnt haben. Eine ordentliche Kündigung wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverletzung setzt seine vorherige Abmahnung des Mieters gerade nicht voraus. Es kann dahinstehen, ob in einem Ausnahmefall erst die Missachtung einer vorherigen Abmahnung der Pflichtverletzung das notwendige Gewicht verleiht. Das wäre insbesondere der Fall, wenn der Mieter regelmäßig in einem gewissen (geringen) Zeitraum zu spät zahlt. Die vorliegende Kündigung wurde indessen nicht darauf gestützt, dass die Beklagten in der Vergangenheit die Miete stets unpünktlich gezahlt haben, sondern auf den im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden eklatanten Zahlungsrückstand mit zwei Monatsmieten. Bei einem Zahlungsrückstand mit einem Betrag, der sogar eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB), ist die Pflichtverletzung so erheblich, dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich ist (Landgericht Berlin, Urteil vom 23.03.2010, Az. 63 S 432/09 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihnen hinsichtlich des eingetretenen Zahlungsrückstandes für die Mieten September und Oktober 2010 auch das erforderliche Verschulden zur Last zu legen. Allerdings setzt der Kündigungsgrund gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus, wobei das Verschulden bei Vorsatz und Fahrlässigkeit (auch einfacher Fahrlässigkeit nicht nur grober) gemäß § 276 BGB gegeben ist. Die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast trifft die Beklagten. Allein die Tatsache des nachträglichen Ausgleichs des Zahlungsrückstandes lässt den Verschuldensvorwurf nicht entfallen. Vielmehr obliegt es den Beklagten, Umstände darzulegen, die zu einer unverschuldeten Pflichtverletzung, also zu einem unverschuldeten Zahlungsrückstand, geführt haben (vgl. LG Berlin, a.a.O.).
Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist nicht erheblich. Der Sachvortrag der Beklagten kreist um die Behauptung, es sei erforderlich gewesen, von Mexiko Geld auf ihr Konto in Deutschland zu überweisen, um so die erforderliche Deckung für die Überweisung der Miete herzustellen. Dieses sei aufgrund besonderer Umstände im Zusammenhang der Urlaubsreise der Beklagten zu 1) zu dem seit längerer Zeit in Mexiko verweilenden Beklagten zu 2) und dem dortigen Verkehrsunfall misslungen. Die gesamte in diesem Zusammenhang von der Beklagtenseite vorgetragene „Geschichte“ lässt indessen nicht erkennen, warum überhaupt ein so komplizierter und angesichts des engen Zeitrahmens gewagter Geldtransfer von Mexiko nach Deutschland nötig war. Insbesondere erläutern die Beklagten nicht, woher dieses Geld stammte und weshalb es auf diese Art und Weise erst von Mexiko transferiert werden musste. Im Normalfall dürfte davon auszugehen sein, dass die Beklagten über eine Erwerbsquelle in Deutschland verfügten, so dass der Geldtransfers von Mexico sich zumindest nicht aufdrängt. Selbst wenn man jedoch berücksichtigt, dass der Beklagte zu 2) bereits seit längerer Zeit in Mexiko weilte und wohl dort über eine Geldquelle verfügte, während die Beklagte zu 1) in Deutschland nicht über eigene finanzielle Mittel verfügte, muss man doch davon ausgehen, dass auch ansonsten, d.h. vor der Urlaubsreise der Beklagten zu 1) nach Mexico, für die voran gegangenen Mietzahlungen Geldtransfers von dem Beklagten zu 2) nach Deutschland erforderlich waren. Da der Beklagte zu 2) auch nach eigenem Vortrag bereits seit längerer Zeit in Mexiko verweilte, war daher davon auszugehen, dass den Beklagten das Problem bekannt war und dass sie es in der Vergangenheit bis zum Auftreten des hier aktuellen Zahlungsverzuges auch irgendwie regeln konnten. Weshalb es dann also überhaupt erforderlich gewesen sein soll, dass die Beklagte zu 1) anlässlich ihrer geplanten 2-wöchigen Urlaubsreise von Mexiko aus erst Geld nach Deutschland transferieren musste, um die Mietzahlungen zu gewährleisten, bleibt nach dem Vortrag der Beklagten offen und erschließt sich auch aus dem sonstigen Akteninhalt nicht.
Ferner ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass die Beklagte zu 1) vor der Urlaubsreise von ihrer Xbank die Auskunft erhalten hatte, dass eine Überweisung unter Verwendung von IBAN und BIC-Code auf ihr Konto in Deutschland möglich sei. Eine Überweisung setzt indessen regelmäßig voraus, dass Geld von einem Konto aus transferiert wird. Eine Bareinzahlung ist darunter regelmäßig nicht zu versehen.
Da bereits die Notwendigkeit des Geldtransfers von Mexiko nach Deutschland nicht hinreichend dargelegt ist, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der weitere, ohnehin unsubstantiierte Vortrag der Beklagten hinsichtlich des erlittenen Unfalls, ihrer Verletzungen und der aufgetanen Überweisungsmöglichkeit noch stichhaltig ist oder nicht. Nach alledem ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagten auch unter Berücksichtigung des nachträglichen Ausgleichs hinsichtlich der Pflichtverletzung kein oder nur ein geringes Verschulden trifft.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO. Soweit die Kläger die Klage im Hauptantrag auf sofortige Räumung zurückgenommen haben, trifft die Beklagten die Kostenlast einerseits, weil die beiden Räumungsanträge streitwertneutral sind und andererseits, weil der auf die fristlose Kündigung gestützte sofortige Räumungsantrag erst durch den nachträglichen Zahlungsausgleich der Beklagten, also im Nachhinein unwirksam geworden ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, Nr. 11, 711 ZPO.
Gemäß § 721 ZPO war den Beklagten auf ihren Antrag hin eine Räumungsfrist zu bewilligen, deren Dauer das Gericht bis zum 31. Mai 2011 als angemessen erachtet, damit sie sich eine Ersatzunterkunft suchen und auf den bevorstehenden Umzug vorbereiten können.
Streitwert: 7.560,00 Euro.