Mietmängel: LG Hanau entscheidet über Selbständiges Beweisverfahren und Mietminderung
Im Urteil des LG Hanau (Az.: 3 T 123/22 vom 26.10.2022) wurde die sofortige Beschwerde eines Mieters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hanau abgewiesen. Der Mieter hatte verschiedene Mängel in seiner Wohnung geltend gemacht und ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung dieser Mängel und der angemessenen Mietminderung beantragt. Das Amtsgericht hatte dem Antrag teilweise entsprochen, jedoch die Frage der Mietminderungshöhe ausgeschlossen. Das LG Hanau bestätigte, dass die Bestimmung der Mietminderung eine Rechtsfrage ist, die dem Gericht vorbehalten bleibt und nicht durch ein Sachverständigengutachten im selbständigen Beweisverfahren geklärt werden kann.
Übersicht
- 1 Mietmängel: LG Hanau entscheidet über Selbständiges Beweisverfahren und Mietminderung
- 2 ✔ Das Wichtigste in Kürze
- 2.1 Mietminderung und selbständiges Beweisverfahren: Was Mieter wissen sollten
- 2.2 Streit um Mietminderung: LG Hanau zieht Grenze zwischen technischer Begutachtung und rechtlicher Bewertung
- 2.3 Der Weg zum selbständigen Beweisverfahren
- 2.4 Die sofortige Beschwerde und ihre Zurückweisung
- 2.5 Juristische Erörterungen und Entscheidungsgründe
- 2.6 Schlussbetrachtungen und offene Fragen
- 3 ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- 4 § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- 5 Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Mieter machte verschiedene Wohnungsmängel geltend.
- Das Amtsgericht genehmigte ein Beweisverfahren für die Mängelfeststellung, nicht aber für die Mietminderungshöhe.
- Die sofortige Beschwerde des Mieters gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.
- LG Hanau entschied, die Höhe der Mietminderung ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht beurteilt wird.
- Sachverständige können technische Mängel beurteilen, aber nicht die Mietminderungshöhe festlegen.
- Der Fall unterstreicht die Komplexität bei der Festlegung von Mietminderungen.
- Es betont, dass eine gesamtheitliche Würdigung aller Umstände durch das Gericht erforderlich ist.
- Die Rechtsbeschwerde wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas zugelassen.
Mietminderung und selbständiges Beweisverfahren: Was Mieter wissen sollten
Mietmieter haben oft mit verschiedenen Problemen in ihren Wohnungen zu kämpfen, die ihre Wohnqualität beeinträchtigen. In manchen Fällen können diese Mängel so schwerwiegend sein, dass Mieter berechtigt sind, ihre Miete zu mindern. Doch wie hoch sollte die Mietminderung ausfallen und wie kann man seine Ansprüche als Mieter durchsetzen? In einigen Fällen kann ein selbständiges Beweisverfahren helfen, die notwendigen Beweise für die Mietminderung zu sichern. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
Beginnen wir mit einer kurzen Definition der beiden wichtigsten Begriffe:
- Mietminderung: Wenn eine Mietwohnung Mängel aufweist, die den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen, hat der Mieter das Recht, die Miete zu mindern. Dabei muss die Minderung in einem angemessenen Verhältnis zur Beeinträchtigung stehen.
- Selbständiges Beweisverfahren: Wenn ein Mieter befürchtet, dass Beweise für die Mängel in seiner Wohnung verloren gehen könnten oder der Vermieter die Mängelbeseitigung verzögert, kann er ein selbständiges Beweisverfahren beim zuständigen Gericht beantragen. Dieses Verfahren dient dazu, Beweise für die Mängel zu sichern, die später in einem eventuellen Mietminderungsprozess verwendet werden können.
Im Folgenden werden diese beiden Konzepte im Detail erklärt und die wichtigsten Punkte des Urteils des Landgerichts Hanau zur Mietminderung und zum selbständigen Beweisverfahren beleuchtet. Dabei werden die Auswirkungen des Urteils auf Mieter und Vermieter sowie dessen Bedeutung für die Praxis betrachtet. Lesen Sie weiter, um mehr darüber zu erfahren.
Streit um Mietminderung: LG Hanau zieht Grenze zwischen technischer Begutachtung und rechtlicher Bewertung
Im Zentrum des rechtlichen Disputs stand die Auseinandersetzung zwischen einem Mieter und seiner Vermieterin über diverse Mängel in einer Wohnung im Erdgeschoss, die der Mieter seit Juli 2019 bewohnte. Zu den vom Mieter beanstandeten Mängeln gehörten unter anderem Schimmelpilzbefall im Badezimmer, gefährliche Wellungen der Holzbretter auf der Terrasse, lose Fliesen und sich lösende Fugenmasse im Flur, Probleme beim Wiederauffüllen des Toilettenspülkastens mit Wasser, unerklärliches Auslösen von Stromsicherungen, ein defekter Rollladenzug im Schlafzimmer sowie das Fehlen einer Klingel an der Eingangstür.
Der Weg zum selbständigen Beweisverfahren
Der Mieter strebte ein selbständiges Beweisverfahren an, um das Vorliegen dieser Mängel, die Ursachen des Schimmelpilzbefalls, notwendige Maßnahmen zur Mängelbeseitigung sowie die damit verbundenen Kosten durch ein Sachverständigengutachten feststellen zu lassen. Ein weiteres Ziel war, durch das Gutachten die Höhe der Mietminderung für die jeweiligen Mängel feststellen zu lassen. Das Amtsgericht Hanau entschied, dem Antrag teilweise nachzukommen, wies jedoch den Teil des Antrags zurück, der sich auf die Mietminderung bezog, mit der Begründung, dass dies in die Zuständigkeit des Gerichts falle, das sich mit der Hauptsache befasst.
Die sofortige Beschwerde und ihre Zurückweisung
Gegen den Beschluss legte der Mieter sofortige Beschwerde ein, bezog sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Saarbrücken und argumentierte für eine Ausdehnung des Beweisverfahrens auf die Frage der Mietminderung. Das Amtsgericht lehnte es ab, der Beschwerde abzuhelfen und führte aus, dass die Beurteilung des Sollzustands der Mietsache sowie der Beeinträchtigung ihrer Gebrauchstauglichkeit aufgrund der individuellen Vereinbarungen zwischen den Parteien erfolgen müsse und daher eine rechtliche Würdigung erfordere, die ausschließlich dem Gericht obliege.
Juristische Erörterungen und Entscheidungsgründe
Die Kontroverse bezog sich hauptsächlich darauf, ob die Bestimmung der Höhe der Mietminderung Teil des selbständigen Beweisverfahrens sein kann. Während eine Meinung dies verneinte und die Frage der Mietminderung als eine dem Gericht vorbehaltene Rechtsfrage ansah, vertrat eine andere Meinung die Auffassung, dass ein Sachverständiger auch zur Minderungshöhe herangezogen werden könnte, um den Parteien als Orientierungshilfe zu dienen. Das Landgericht Hanau schloss sich der ersten Meinung an und bekräftigte, dass die Feststellung der Mietminderungshöhe ausschließlich Sache des Gerichts ist. Es wurde hervorgehoben, dass die Rolle eines Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren sich auf die Klärung von Tatsachen beschränkt, während die Beurteilung, inwieweit die Miete angemessen gemindert ist, eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert.
Schlussbetrachtungen und offene Fragen
Das Landgericht Hanau wies die sofortige Beschwerde des Mieters zurück, ließ jedoch die Rechtsbeschwerde zu, da die Frage, ob ein Sachverständiger im selbständigen Beweisverfahren auch mit der Klärung der Mietminderungshöhe beauftragt werden kann, in der Rechtslehre und -praxis unterschiedlich beantwortet wird und eine höchstrichterliche Klärung aussteht.
Im Ergebnis bestätigt das Urteil des LG Hanau die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zwischen der technischen Begutachtung von Mängeln und der rechtlichen Bewertung der Mietminderung, betont aber zugleich den Bedarf an weiterer juristischer Auseinandersetzung in dieser Frage.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was ist ein selbständiges Beweisverfahren im Mietrecht?
Ein selbständiges Beweisverfahren im Mietrecht ist ein gerichtliches Verfahren, das der Sicherung und Erhebung von Beweisen dient. Es kann sowohl während eines laufenden Rechtsstreits als auch unabhängig davon eingeleitet werden, um beispielsweise den Zustand einer Mietsache festzustellen oder um drohende Schäden abzuwenden. Dieses Verfahren ist in den §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.
Das selbständige Beweisverfahren kann von einer Partei beantragt werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein Beweismittel verloren geht oder sich dessen Zustand verschlechtert. Es kann auch dazu dienen, einen späteren Rechtsstreit zu vermeiden oder zumindest vorzubereiten, indem es Klarheit über bestimmte Sachverhalte schafft. Ein typischer Anwendungsfall im Mietrecht ist die Feststellung von Mietmängeln oder die Dokumentation des Zustands der Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses.
Die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt durch das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Mietsache gelegen ist. Es kann eine Beweisaufnahme durch Augenschein, Zeugenvernehmung oder Sachverständige beinhalten. Die Kosten des Verfahrens muss zunächst der Antragsteller tragen, können aber unter bestimmten Umständen vom Antragsgegner zurückgefordert werden, wenn die Beweiserhebung die Behauptungen des Antragstellers bestätigt.
Das selbständige Beweisverfahren kann auch zur Feststellung der Höhe einer Mietminderung aufgrund von Mängeln der Mietsache genutzt werden. Hierbei ist es wichtig, dass der Antragsteller die behaupteten Tatsachen so darlegt, dass der Sachverständige weiß, zu welchen Punkten er Stellung nehmen soll.
Die Ergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens haben im späteren Hauptsacheprozess Bestand und werden so behandelt, als wären sie direkt vor dem Prozessgericht erhoben worden. Zudem führt das selbständige Beweisverfahren zu einer Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 536 BGB Mietminderung: Dieser Paragraph regelt, dass der Mieter bei Mängeln der Mietsache, die den Gebrauch der Sache erheblich beeinträchtigen, berechtigt ist, die Miete zu mindern. Im Kontext des vorliegenden Falls ist dieser Paragraph zentral, da es um die Rechte des Mieters bei Vorliegen von Wohnungsmängeln geht.
- § 485 Abs. 2 ZPO Selbständiges Beweisverfahren: Dieser Paragraph ermöglicht es, schon vor einem möglichen Prozess Beweise zu sichern, die für die Klärung von Streitigkeiten relevant sein können. Im vorliegenden Fall ist dieser Paragraph wichtig, da der Mieter ein solches Verfahren zur Feststellung der Mängel und der dadurch begründeten Mietminderung anstrebt.
- § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Sofortige Beschwerde: Erlaubt dem Beschwerdeführer, gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen sofort Beschwerde einzulegen. Dieser Paragraph ist relevant, da der Mieter gegen den Beschluss des Amtsgerichts, der sein Anliegen teilweise ablehnte, sofortige Beschwerde eingelegt hat.
- § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO Rechtsbeschwerde: Definiert die Voraussetzungen unter denen eine Rechtsbeschwerde zulässig ist, insbesondere wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Dies ist im Kontext des Falls von Bedeutung, da die Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, um eine höchstrichterliche Klärung zu ermöglichen.
- Mietrecht: Ein breites Rechtsgebiet, das die Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter regelt, einschließlich der Rechte und Pflichten beider Parteien. Dieser Bereich ist im vorliegenden Kontext zentral, da es um Fragen der Mietminderung aufgrund von Wohnungsmängeln geht.
- Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt das Verfahrensrecht für zivilrechtliche Streitigkeiten. In diesem Fall ist die ZPO relevant, da sie die Regelungen für das selbständige Beweisverfahren und das Beschwerdeverfahren enthält, welche für den Fall maßgeblich sind.
Das vorliegende Urteil
LG Hanau – Az.: 3 T 123/22 – Beschluss vom 26.10.2022
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 05.09.2022 wird zurückgewiesen.
Die Rechtbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Vermieterin, der Antragsteller seit Juli 2019 Mieter einer Wohnung im EG der Liegenschaft XXX in XXX. Der Antragsteller behauptet verschiedene Mängel, nämlich Schimmelpilzbefall im Deckenbereich des Badezimmers, eine Unfallgefahr begründende Wellung der Holzbretter auf der Terrasse, lockere Fliesen und eine sich lösende Fugenmasse im Flur, Fehlfunktionen bei der Wiederauffüllung des Toilettenspülkastens mit Wasser, ein anlassloses Auslösen von Stromsicherungen, das Lösen eines Rollladenzugs im Schlafzimmer sowie das Fehlen einer Klingel an der Hauseingangstür.
Mit Beschluss vom 05.09.2022 hat das Amtsgericht dem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens insoweit entsprochen, als der Antragsteller das Vorliegen der Mängel, die Ursache des Schimmelpilzbefalls, die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wissen will. Soweit durch das Gutachten zusätzlich die Höhe der für die einzelnen Mängel anzusetzenden Mietminderung geklärt werden soll, hat es den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass dies allein dem mit der Hauptsache befassten Gericht obliege (Bl. 18 ff. d. A.).
Gegen den am 12.09.2022 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 15.09.2022 sofortige Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 05.05.2022, Az. 2 W 11/21, BeckRS 2021, 13430, bezogen (Bl. 23 f. d. A.).
Mit Beschluss vom 16.09.2022 hat das Amtsgericht entschieden, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Sachverständiger weder den Sollzustand der Mietsache noch die Beeinträchtigung ihrer Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch beurteilen könne, weil beides von den Parteivereinbarungen abhänge, deren Feststellung eine rechtliche Würdigung erfordere und daher allein dem Gericht obliege (Bl. 27 ff. d. A.).
Der Antragsteller hat die Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 05.10.2022 unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken weiter ausgeführt (Bl. 33 ff. d. A.), die Antragsgegnerin hat sich der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts angeschlossen (Bl. 40 d. A.).
II.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat es zu Recht abgelehnt, das Gutachten auf die Frage der Höhe der für die einzelnen Mängel anzusetzenden Mietminderung zu erstrecken.
Ob die Bestimmung der Minderungshöhe Gegenstand des Sachverständigenbeweises im selbständigen Beweisverfahren sein kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Eine Auffassung verneint dies. Danach stellt die Beurteilung, in welchem Umfang die Miete aufgrund eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert sei, eine Rechtsfrage darstelle, deren Beantwortung dem Gericht obliege (LG Hamburg, BeckRS 2012, 8455; LG Saarbrücken, BeckRS 1991, 7780 Rn. 14 f.; LG Berlin, MDR 1991, 444; LG Göttingen, BeckRS 1988, 7019; BeckOK BGB, Stand: 01.08.2022, § 536 Rn. 152; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. 2020, § 536 Rn. 239; Guhling/Gärtner, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, Kapitel 5 Rn. 14; vgl. auch OLG Zweibrücken, BeckRS 2015, 20908, Rn. 43 ff. zum Hauptverfahren; unklar KG, NJW-RR 2000, 513).
Nach anderer Auffassung kann ein Sachverständiger im selbständigen Beweisverfahren auch mit Fragen zur Minderungshöhe beauftragt werden. Dabei wird insbesondere damit argumentiert, dass die Angaben des Sachverständigen den Beteiligten als Orientierungshilfe dienen und damit zur Vermeidung eines Rechtsstreits beitragen könnten, was dem Zweck des § 485 Abs. 2 ZPO entspreche (OLG Saarbrücken, BeckRS 2021, 13430 Rn. 3 ff.; BeckOK ZPO, Stand: 01.09.2022, § 485 Rn. 37; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 536 Rn. 520; Bub/Treier, Handbuch der Geschäftsraummiete, 5. Aufl. 2019, XI. Rn. 217; Scholl, NZM 1999, 108 ff.).
Die Kammer schließt sich der ersten Auffassung an. Die Beurteilung der Höhe der Mietminderung infolge eines Mangels ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen, sondern des Gerichts.
Gegenstand eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO können der Zustand einer Person, der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels und der Aufwand für die Beseitigung solcher Schäden und Mängel sein. Als vorweggenommene Beweisaufnahme dient sie wie jede Beweisaufnahme der Aufklärung von Tatsachen, nicht der Beantwortung von Rechtsfragen (vgl. BGH, NJW 2012, 227 Rn. 9; NZBau 2010, 108; OLG Hamm, NJW 2013, 2980; OLG Köln, BeckRS 2002, 30237218; Seibel, NJW 2014, 1628).
Bei der Frage nach der Höhe der Mietminderung handelt es sich jedoch um eine Rechts- und Auslegungsfrage, die daher nicht Gegenstand des Sachverständigenbeweises sein kann. Denn nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Mieter für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, nur eine „angemessen“ herabgesetzte Miete zu entrichten. Die Beurteilung, was in diesem Sinne angemessen ist, erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und hängt insbesondere von der Schwere des Mangels sowie Ausmaß, Häufigkeit und Dauer der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit ab (vgl. OLG Celle, BeckRS 2008, 23743; Bub/Treier, a. a. O., Kapitel III. Rn. 3244).
Zwar wird die Beantwortung der Frage nach der Höhe der Mietminderung entscheidend durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt. Diese sind dem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglich. Denn zur Würdigung von Umfang und Auswirkungen der Mängel bedarf das Gericht einer entsprechenden Tatsachengrundlage (Bub/Treier, a. a. O., Rn. 3244 a. E.). So kann etwa mangels eigener Fachkunde des Gerichts nur ein Sachverständiger die aus Rissen an einem Gebäudeteil folgenden statischen Risiken und daraus folgende Nutzungseinschränkungen prüfen (vgl. KG, NZM 2000, 780).
Nur insoweit darf aber eine Begutachtung durch Sachverständige erfolgen. Es ist somit zwischen der Feststellung von Umfang und Auswirkungen der behaupteten Mängel aus technischer Sicht und der Bestimmung der Höhe der Mietminderung zu entscheiden. Nur Erstere kann Gegenstand des Sachverständigenbeweises sein, wohingegen Letztere dem Gericht vorbehalten bleibt. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat mit § 485 Abs. 2 ZPO eine Sonderregelung für Fälle geschaffen, in denen ein selbstständiges Beweisverfahren unabhängig vom drohenden Verlust eines Beweismittels zweckmäßig erscheint, weil es eine vorprozessuale Einigung der Parteien erleichtert (BT-Drucks. 11/3621, S. 23 und 41 f.). Damit hat er einen erleichterten Zugang zum selbständigen Beweisverfahren schaffen wollen, nicht aber die für den Strengbeweis zur Verfügung stehenden Beweismittel verändern oder erweitern wollen. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung, dass insbesondere an Fälle gedacht werde, in denen es in erster Linie auf die Feststellung tatsächlicher Umstände durch eine schriftliche Begutachtung durch Sachverständige ankommt (vgl. BT-Drucks. 11/3621, S. 23 und 41 f.).
Aus denselben Gründen kann der Sachverständige auch nicht damit beauftragt werden, die durch einen Mangel hervorgerufene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache prozentual zu bewerten. Auch hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung dem Gericht vorbehalten ist. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welche besondere, bei dem Gericht nicht vorhandene Fachkunde ein Sachverständiger bei dieser Wertung zurückgreifen und wie er sie in seinem Gutachten mit rein technischen Argumenten nachvollziehbar begründen könnte. Ebenso wenig lässt sich ermessen, welchen Mehrwert eine solche Wertung des Sachverständigen für die an dem selbständigen Beweisverfahren Beteiligten tatsächlich hätte. Bereits die dem Sachverständigen obliegenden Feststellungen zu Umfang und Auswirkungen der behaupteten Mängel aus technischer Sicht erlauben den Beteiligten eine grobe Orientierung an Mietminderungstabellen und ergangener Rechtsprechung. Eine bessere Orientierung könnte ihnen die Wertung des Sachverständigen auch nicht geben, weil sich seine Erfahrungswerte ebenfalls nur aus solchen Quellen speisen könnten und es zur Bestimmung der Höhe der Mietminderung oftmals weiter Aufklärung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bedarf.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (BGH, NJW-RR 2006, 1289 Rn. 2; MüKoZPO, 6. Aufkl. 2020, § 572 Rn. 40).
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zu der Frage, ob ein Sachverständiger im selbständigen Beweisverfahren auch mit einem Gutachten zur Höhe der Mietminderung bzw. prozentualen Angaben zum Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung beauftragt werden kann, werden in Literatur und Instanzrechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Eine höchstrichterliche Beantwortung steht aus.