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Haftung des WEG-Verwalters für fehlende Mündelsicherheit: Rückzahlungspflicht

Weil eine WEG-Verwalterin 89.000 Euro Rücklagen ohne Beschluss in spekulative Anleihen steckte, droht ihr nun die volle Haftung für fehlende Mündelsicherheit. Der Hauptgrund für den Rechtsstreit war nicht der Anlageverlust, sondern die Frage, ob Verwalter Rücklagen überhaupt ohne Eigentümerbeschluss investieren dürfen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 23 C 866/24 WEG | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Böblingen
  • Datum: 28.01.2025
  • Aktenzeichen: 23 C 866/24 WEG
  • Verfahren: WEG-Verfahren
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Schadensersatzrecht

  • Das Problem: Die Wohnungseigentümergemeinschaft verklagte ihre frühere Verwalterin. Diese hatte 89.000 Euro der Rücklagen langfristig ohne Eigentümerbeschluss angelegt. Sie hatte sich zudem ihre Vergütung für das nächste Halbjahr im Voraus ausgezahlt.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein WEG-Verwalter die Instandhaltungsrücklagen ohne Zustimmung der Eigentümer langfristig in Anleihen investieren, die bei vorzeitiger Kündigung Verluste bedeuten?
  • Die Antwort: Nein. Die eigenmächtige Anlage war eine schwere Pflichtverletzung. Rücklagen müssen mündelsicher und kurzfristig verfügbar sein, was die lange Laufzeit und das Verlustrisiko ausschließen.
  • Die Bedeutung: Verwalter haften persönlich für den vollen Schaden, wenn sie Rücklagen nicht „mündelsicher“ und jederzeit verfügbar anlegen. Eine solche langfristige Investition erfordert immer einen Beschluss der Eigentümer.

Darf Ihr WEG-Verwalter die Erhaltungsrücklage ohne Beschluss in Anleihen investieren?

Die Erhaltungsrücklage ist das finanzielle Rückgrat jeder Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Sie sichert zukünftige Sanierungen und bewahrt den Wert der Immobilie. Doch was geschieht, wenn ein Verwalter dieses Geld eigenmächtig in eine langfristige und potenziell verlustreiche Kapitalanlage steckt? Genau diese Frage musste das Amtsgericht Böblingen in einem Urteil vom 28. Januar 2025 (Az. 23 C 866/24 WEG) klären. Der Fall beleuchtet die strengen Grenzen der Verwalterbefugnisse und zeigt, wann eine gut gemeinte Geldanlage in eine persönliche Haftung umschlägt.

Was genau war geschehen?

Nahaufnahme einer Hand, die diskret ein Anlage-Zertifikat neben einem Aktenordner 'Erhaltungsrücklage' unterzeichnet.
WEG-Verwalter dürfen Rücklagen nicht ohne Beschluss in langfristige Anleihen investieren. | Symbolbild: KI

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte eine Verwalterin mit der Betreuung ihres Vermögens beauftragt. Zu diesem Vermögen gehörte auch eine beträchtliche Erhaltungsrücklage – Geld, das für künftige Instandhaltungsmaßnahmen angespart wird. Ohne die Eigentümer zu informieren oder einen Beschluss der Gemeinschaft einzuholen, traf die Verwalterin eine folgenschwere finanzielle Entscheidung. Sie investierte insgesamt 89.000 Euro aus der Rücklage in festverzinsliche Anleihen eines Unternehmens.

Die Bedingungen dieser Anlage waren heikel: Die Anleihen hatten eine feste Laufzeit bis zum 1. Dezember 2026. Die WEG konnte also über vier Jahre nicht frei über ihr Geld verfügen. Zwar gab es eine Klausel für eine vorzeitige Kündigung, doch diese war an schmerzhafte Bedingungen geknüpft: eine Kündigungsfrist von sechs Monaten und eine Rückzahlung von nur 98 % des investierten Kapitals. Die bis dahin aufgelaufenen Zinsen wären ebenfalls verfallen. Für eine Gemeinschaft, die jederzeit auf ihre Rücklage zugreifen können muss, um etwa einen dringenden Wasserschaden zu beheben, war dies eine riskante Fessel.

Das Vertrauensverhältnis zerbrach. In einer außerordentlichen Versammlung am 15. Dezember 2023 wurde die Verwalterin vorzeitig abberufen. Doch damit nicht genug: Nur wenige Tage später, am 27. Dezember 2023, buchte die bereits abberufene Verwalterin noch 2.513,28 Euro vom Konto der WEG ab. Ihre Begründung: Es handle sich um ihre Verwaltervergütung für die ersten sechs Monate des Folgejahres 2024.

Die WEG forderte ihr Geld zurück – sowohl die 89.000 Euro aus der Anleihe als auch die unrechtmäßig abgebuchte Vergütung. Sie klagte gegen ihre ehemalige Verwalterin und das Unternehmen, das die Anleihen ausgegeben hatte, auf Schadensersatz.

Welche Pflichten hat ein Verwalter bei der Geldanlage?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, muss man die rechtlichen Spielregeln für WEG-Verwalter verstehen. Ihre Befugnisse sind klar im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt.

Der zentrale Dreh- und Angelpunkt ist § 27 Absatz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Diese Norm ermächtigt den Verwalter, eigenständig Maßnahmen zu treffen, die von „untergeordneter Bedeutung“ sind und die Gemeinschaft nicht zu „erheblichen Verpflichtungen“ führen. Das betrifft Routineaufgaben wie kleinere Reparaturen oder den Abschluss von Versorgerverträgen. Größere Entscheidungen, insbesondere solche mit erheblichen finanziellen Konsequenzen, erfordern hingegen immer einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft.

Darüber hinaus leitet sich aus dem Verwaltervertrag und dem Gesetz eine grundlegende Treuepflicht ab. Der Verwalter muss das ihm anvertraute Vermögen der WEG sorgfältig und im besten Interesse der Eigentümer verwalten. Für die Geldanlage der Erhaltungsrücklage hat die Rechtsprechung daraus einen besonders strengen Maßstab entwickelt: die sogenannte Mündelsicherheit. Dieser Begriff stammt aus dem Vormundschaftsrecht und beschreibt eine Anlageform, bei der Wertverluste praktisch ausgeschlossen sind. Ein Verwalter muss die Rücklage also so sicher anlegen, als würde er das Geld eines schutzbedürftigen Mündels verwalten. Typische Beispiele sind Tagesgeldkonten oder Festgelder bei Banken mit hoher Bonität und Einlagensicherung.

Verletzt ein Verwalter diese Pflichten schuldhaft, greifen die allgemeinen Haftungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach § 280 Absatz 1 BGB muss derjenige Schadensersatz leisten, der eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt. Das Gesetz vermutet dabei, dass der Verwalter die Pflichtverletzung zu vertreten hat; er müsste also beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Geht die Pflichtverletzung so weit, dass sie den Straftatbestand der Untreue erfüllt, kommt eine noch schärfere Haftung hinzu: Nach § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 266 Strafgesetzbuch (StGB) haftet auch, wer gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt.

Warum musste die Verwalterin den vollen Betrag erstatten?

Das Amtsgericht Böblingen gab der Klage der WEG weitgehend statt. Die Richter zerlegten die Argumente der Verwalterin Stück für Stück und kamen zu einem klaren Ergebnis: Die Verwalterin hatte ihre Befugnisse massiv überschritten und muss für den entstandenen Schaden geradestehen.

War die Geldanlage eine „untergeordnete Maßnahme“?

Die Verwalterin argumentierte, die Anlage sei im Rahmen ihrer Verwaltungsbefugnisse nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG zulässig gewesen und habe keiner Beschlussfassung bedurft. Das Gericht widersprach vehement. Eine Kapitalanlage von 89.000 Euro mit einer Laufzeit von über vier Jahren sei alles andere als eine Maßnahme von „untergeordneter Bedeutung“. Die lange Bindung des Kapitals und die potenziellen Verluste bei einer vorzeitigen Kündigung stellten eine „erhebliche Verpflichtung“ für die Gemeinschaft dar. Eine solch unübliche und weitreichende Entscheidung hätte zwingend eines Beschlusses der Eigentümer bedurft.

Fehlte der Anlage die erforderliche „Mündelsicherheit“?

Das Kernproblem sah das Gericht in der fehlenden Sicherheit der Anlage. Die Verwalterin verteidigte sich damit, die Anleihen seien sicher. Es gebe ja Kündigungsrechte und in der Praxis würde oft der volle Betrag zurückgezahlt. Das Gericht ließ dieses Argument nicht gelten. Entscheidend ist nicht eine vage „Praxis“, sondern der rechtliche Anspruch, der sich aus den Anleihebedingungen ergibt. Und diese sahen bei einer vorzeitigen Kündigung klar einen Verlust von 2 % des Kapitals sowie den kompletten Zinsverlust vor.

Eine Anlageform, die ein solches vertraglich festgeschriebenes Verlustrisiko birgt, kann niemals als mündelsicher gelten. Der Zweck der Erhaltungsrücklage ist die jederzeitige Verfügbarkeit für unvorhergesehene, dringende Reparaturen. Eine Kündigungsfrist von sechs Monaten und die Androhung von Verlusten bei vorzeitigem Zugriff widersprechen diesem Zweck fundamental.

Boten Treuhand und Grundschuld keine absolute Sicherheit?

Ein weiteres Argument der Verwalterin war, die Gelder seien über einen Treuhänder geflossen und durch erstrangige Grundschulden auf Immobilien abgesichert. Dadurch seien sie vor einer Insolvenz des Unternehmens geschützt. Auch hier folgte das Gericht nicht. Selbst eine erstrangige Grundschuld bietet keine hundertprozentige Garantie dafür, dass bei einer Zwangsverwertung der Immobilie der volle investierte Betrag wieder eingespielt wird. Ein Restrisiko verbleibt immer. Da der Maßstab der Mündelsicherheit aber praktisch risikofreie Anlagen fordert, genügten auch diese Sicherungsmechanismen den strengen Anforderungen des Gerichts nicht.

Warum sah das Gericht sogar den Straftatbestand der Untreue als erfüllt an?

Das Gericht ging noch einen Schritt weiter und bewertete das Handeln der Verwalterin als Verstoß gegen den Untreue-Paragraphen (§ 266 StGB). Untreue durch Missbrauch liegt vor, wenn jemand im Außenverhältnis zwar wirksam handeln kann (die Verwalterin konnte die Anleihen wirksam zeichnen), im Innenverhältnis zu demjenigen, dessen Vermögen er betreut (die WEG), aber seine Befugnisse überschreitet.

Genau das war hier der Fall: Die Verwalterin hatte die Macht, das Geld zu investieren, aber nicht die Erlaubnis der Eigentümer. Da diese Anlageform dem Zweck der Rücklage widersprach und das Einverständnis der WEG fehlte, sah das Gericht die Kriterien des Missbrauchs als erfüllt an. Dies begründete den zusätzlichen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB. Ein wichtiger Nebeneffekt: Gegen Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung kann der Schädiger nicht mit eigenen Ansprüchen aufrechnen (§ 393 BGB).

Weshalb war auch die vorzeitige Abbuchung der Vergütung unzulässig?

Die eigenmächtige Abbuchung der Verwaltervergütung für ein halbes Jahr im Voraus, nachdem sie bereits abberufen war, wertete das Gericht ebenfalls als klare Pflichtverletzung. Die Vergütung war vertragsgemäß zu Monatsbeginn fällig, nicht ein halbes Jahr im Voraus. Die einseitige Entnahme des Geldes begründete einen sofortigen Rückzahlungsanspruch der WEG.

Das Urteil verpflichtete die Verwalterin daher, die gesamten 89.000 Euro zurückzuzahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an den Anleihen an sie. Lediglich die Zinsen, die die WEG im Jahr 2022 bereits erhalten hatte, wurden vom Schadensbetrag abgezogen. Auch die zu Unrecht eingezogene Vergütung von 2.513,28 Euro und die vorgerichtlichen Anwaltskosten musste sie erstatten.

Was bedeutet das Urteil für Ihre Eigentümergemeinschaft?

Dieses Urteil ist eine klare Mahnung an alle WEG-Verwalter, die Grenzen ihrer Befugnisse zu respektieren, insbesondere beim Umgang mit der Erhaltungsrücklage. Für Wohnungseigentümer liefert es wichtige Anhaltspunkte, um die Arbeit ihres Verwalters zu kontrollieren und ihr gemeinschaftliches Vermögen zu schützen.

Checkliste: So schützen Sie die Erhaltungsrücklage Ihrer WEG

  • 1. Verwaltervertrag prüfen: Überprüfen Sie, ob Ihr Verwaltervertrag klare Regelungen zur Anlage der Erhaltungsrücklage enthält. Gibt es Vorgaben zur Anlageform (z.B. nur Tages- oder Festgeldkonten)?
  • 2. Jährlichen Finanzstatus einfordern: Lassen Sie sich vom Verwalter jährlich einen detaillierten Nachweis über die Anlage der Rücklagen geben. Wo und wie genau ist das Geld investiert? Verlangen Sie Kontoauszüge oder Depotauszüge als Beleg.
  • 3. Anlageform kritisch hinterfragen: Handelt es sich um ein einfaches Bankkonto bei einem deutschen Kreditinstitut mit Einlagensicherung? Oder sind es komplexere Produkte wie Anleihen, Fonds oder Aktien? Letztere sind für eine Erhaltungsrücklage in aller Regel unzulässig.
  • 4. Auf Beschlussfassung bestehen: Bei jeder Entscheidung, die über die Anlage auf einem einfachen Sparkonto hinausgeht, muss die Eigentümerversammlung per Beschluss zustimmen. Ein Verwalter darf niemals eigenmächtig eine langfristige oder riskante Anlageform wählen.
  • 5. Transparenz einfordern: Der Verwalter ist verpflichtet, die Konten der WEG als offene Fremdgeldkonten (sogenannte WEG-Eigenkonten) zu führen. So ist sichergestellt, dass das Geld klar vom Vermögen des Verwalters oder anderer Gemeinschaften getrennt ist.
  • 6. Bei Verdacht handeln: Wenn Sie Unregelmäßigkeiten vermuten, zögern Sie nicht. Fordern Sie über den Verwaltungsbeirat eine sofortige und lückenlose Aufklärung. Im Zweifel sollten Sie rechtlichen Rat einholen und eine außerordentliche Eigentümerversammlung einberufen.

Die Urteilslogik

Ein WEG-Verwalter muss das Gemeinschaftsvermögen mit höchster Treuepflicht verwalten und darf niemals sein eigenes Ermessen über die kollektive Beschlussfassung der Eigentümer stellen.

  • Grenzen der Verwalterbefugnis: Ein Verwalter überschreitet seine Macht, wenn er eigenständig finanzielle Maßnahmen von erheblicher Tragweite durchführt, da unübliche oder größere Investitionen in die Erhaltungsrücklage stets die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft benötigen.
  • Absolutes Gebot der Mündelsicherheit: Wer die Erhaltungsrücklage verwaltet, muss sie praktisch risikofrei und jederzeit verfügbar anlegen; jede Anlageform, die vertraglich ein Kapitalverlustrisiko oder eine langfristige Bindung beinhaltet, verstößt gegen diesen strengen Sorgfaltsmaßstab.
  • Persönliche Haftung bei Pflichtverletzung: Ein Verwalter haftet der Eigentümergemeinschaft persönlich für den entstandenen Schaden, wenn er schuldhaft gegen seine Treuepflichten verstößt, wobei der Missbrauch seiner Verwaltungsvollmacht gegenüber der WEG den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllt.

Die kompromisslose Einhaltung der Grundsätze der Mündelsicherheit und der kollektiven Beschlussfassung ist unerlässlich, um das Vermögen der Eigentümergemeinschaft zu schützen.


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Hat Ihr WEG-Verwalter Rücklagen ohne Beschluss unzulässig angelegt? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Beurteilung Ihres Sachverhalts.


Experten Kommentar

Wer als Verwalter die Erhaltungsrücklage sieht und versucht, die Zinsen mit langfristigen Anleihen zu „pimpen“, sollte dieses Urteil genau studieren. Das Amtsgericht Böblingen zieht eine klare rote Linie: Die Rücklage dient der Notfallversorgung und muss jederzeit ohne jeden Abzug oder lange Kündigungsfrist zugänglich sein. Schon ein vertraglich festgehaltener Verlust von zwei Prozent bei vorzeitigem Zugriff zerstört die zwingend notwendige Mündelsicherheit. Was diesen Fall besonders scharf macht, ist die Einstufung des eigenmächtigen Handelns als Untreue. Damit zeigt das Gericht, dass die Missachtung der Anlagevorschriften nicht nur ein Fehler ist, sondern ein vorsätzlicher Missbrauch der Vermögensbetreuungspflicht, der zur vollen persönlichen Haftung führt.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie muss mein WEG-Verwalter die Erhaltungsrücklage sicher und rechtlich anlegen?

Der Verwalter muss das Vermögen der WEG nach dem strengen Maßstab der Mündelsicherheit anlegen. Das bedeutet, er muss die Erhaltungsrücklage so investieren, dass Wertverluste praktisch ausgeschlossen sind. Die Mittel müssen außerdem jederzeit ohne Zinsverlust oder Kündigungsabschläge verfügbar sein.

Dieser hohe Sicherheitsstandard ist erforderlich, weil die Rücklage ausschließlich für Instandhaltungsmaßnahmen und Notfälle dient. Für unvorhergesehene, dringende Reparaturen, wie einen plötzlich auftretenden Wasserschaden, muss das Geld sofort zugänglich sein. Juristisch zulässig sind daher nur einfache Anlageformen wie Tagesgeldkonten oder Festgelder bei bonitätsstarken Kreditinstituten, die der gesetzlichen Einlagensicherung unterliegen. Die Anlage darf kein vertraglich festgeschriebenes Verlustrisiko bergen.

Komplexere Anlageprodukte wie Aktien, Investmentfonds oder Anleihen sind in aller Regel unzulässig. Solche Investitionen erlauben dem Verwalter eine unerlaubte Spekulation mit dem Gemeinschaftsvermögen. Entscheidend ist die jederzeitige Verfügbarkeit. Bereits feste Laufzeiten, die eine Kapitalbindung über mehrere Jahre nach sich ziehen, oder Kündigungsfristen von sechs Monaten gelten als Verstoß gegen die Pflicht zur sicheren Anlage.

Fordern Sie Ihren Verwalter auf, Ihnen den neuesten jährlichen Finanzstatus und die zugehörigen Kontoauszüge als direkten Beleg für die konkrete Anlageform vorzulegen.


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Wann haftet der WEG-Verwalter persönlich für Verluste der Rücklage?

Die persönliche Haftung des WEG-Verwalters tritt ein, wenn er seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Die Grundlage hierfür ist in der Regel § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung). Verwalter tragen die Verantwortung, das Gemeinschaftsvermögen nach dem strengen Maßstab der Mündelsicherheit anzulegen. Verstößt die Anlage gegen die erforderliche Sicherheit oder Verfügbarkeit, haftet der Verwalter direkt mit seinem Privatvermögen für den entstandenen Schaden.

Die Regel: Verwalter müssen streng die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft einhalten. Wenn der Verwalter Gelder ohne notwendigen Beschluss in langfristige oder riskante Produkte wie Anleihen investiert, liegt bereits eine schwere Pflichtverletzung vor. Entscheidend ist dabei nicht nur ein tatsächlicher Verlust des angelegten Kapitals. Vielmehr entsteht ein Schaden bereits durch die unrechtmäßige Kapitalbindung. Die WEG kann über ihr Geld nicht frei verfügen, wenn die Anlage eine feste Laufzeit von mehreren Jahren oder hohe Kündigungsabschläge vorsieht.

Gerichte sehen die Haftung besonders streng, wenn der Verwalter seine Befugnisse vorsätzlich missbraucht. Das Amtsgericht Böblingen stufte die eigenmächtige Anlage der Rücklage sogar als Verstoß gegen den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) ein. Diese Einstufung begründet einen zusätzlichen, schärferen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB). Ein entscheidender juristischer Vorteil für die WEG: Wurde der Verwalter wegen Untreue verurteilt, kann er dem Rückzahlungsanspruch der Gemeinschaft keine eigenen Forderungen (wie ausstehende Vergütung) entgegenhalten (§ 393 BGB).

Lassen Sie die Situation sofort juristisch prüfen, ob die eigenmächtige Anlage als vorsätzliche Pflichtverletzung einzustufen ist, um maximale Schadensersatzansprüche geltend zu machen.


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Braucht der WEG-Verwalter für die Investition der Rücklage immer einen Beschluss?

Ja, für fast jede Form der Geldanlage ist zwingend ein Eigentümerbeschluss notwendig. Der WEG-Verwalter darf Vermögensentscheidungen nur eigenständig treffen, wenn diese von untergeordneter Bedeutung sind und die Gemeinschaft nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen. Das Gesetz (§ 27 Abs. 1 WEG) schränkt die Befugnisse des Verwalters beim Umgang mit der Erhaltungsrücklage hier stark ein.

Eine Maßnahme gilt nur dann als untergeordnet, wenn sie eine reine Routineverwaltung darstellt, etwa die Führung des WEG-Kontos oder die Verlängerung kleinerer Versorgerverträge. Sobald es sich um eine tatsächliche Investition handelt, wird ein Beschluss erforderlich. Die Rücklage dient der Instandhaltung und muss jederzeit verfügbar sein, um unvorhergesehene, dringende Reparaturen zu finanzieren. Lange Kapitalbindung, feste Laufzeiten oder Kündigungsfristen widersprechen diesem zentralen Zweck fundamental.

Gerichte stufen bereits mittelgroße Investitionen als erhebliche Verpflichtungen ein, die das Verwaltermandat überschreiten. Ein konkretes Beispiel: Eine Kapitalanlage von 89.000 Euro mit einer Laufzeit von über vier Jahren ohne vorherige Zustimmung der Eigentümergemeinschaft wurde als klar unzulässig gewertet. Entscheidend ist dabei nicht allein der investierte Betrag, sondern in erster Linie die Dauer der Bindung. Kann die WEG das Geld nur unter Verlust oder mit monatelanger Kündigungsfrist abrufen, gilt die Anlage niemals als untergeordnet.

Überprüfen Sie Ihren Verwaltervertrag auf spezifische finanzielle Grenzwerte; alles, was darüber liegt oder das Kapital langfristig bindet, ist als beschlusspflichtig einzustufen.


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Was tun, wenn mein Verwalter die Erhaltungsrücklage falsch oder riskant angelegt hat?

Handeln Sie unverzüglich, sobald Sie eine unzulässige Anlage der Erhaltungsrücklage feststellen. Diese eigenmächtige, riskante Investition stellt eine derart schwere Pflichtverletzung dar, die das notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Fordern Sie über den Verwaltungsbeirat sofortige Aufklärung und die Rückführung der Gelder. Leiten Sie umgehend die fristlose Abberufung des Verwalters ein.

Die Anlage in spekulative Produkte wie langfristige Anleihen oder spekulative Fonds verstößt gegen den strengen Maßstab der Mündelsicherheit. Die Rücklage muss jederzeit ohne Kapitalverlust und ohne lange Kündigungsfristen verfügbar sein, um dringende Reparaturen finanzieren zu können. Liegt ein vertraglich festgeschriebenes Verlustrisiko vor, etwa ein Kapitalabschlag bei vorzeitiger Kündigung, ist die fehlende Mündelsicherheit belegt. Sammeln Sie alle Belege und fordern Sie die vollständigen Anlagebedingungen als Beweis an.

Berufen Sie parallel zur Beweissicherung eine außerordentliche Eigentümerversammlung ein, wofür Sie die Unterschriften von Eigentümern, die mehr als ein Viertel der Miteigentumsanteile vertreten, benötigen. Der Tagesordnungspunkt muss die sofortige Abberufung und die Geltendmachung von Schadensersatz umfassen. Ist das Vertrauensverhältnis zerbrochen, besteht die Gefahr, dass der Verwalter kurz vor seiner Entlassung unrechtmäßige Abbuchungen vornimmt, beispielsweise die Vorschusszahlung seiner Vergütung. Bereiten Sie rechtliche Schritte vor, um den gesamten investierten Betrag auf Basis des Schadensersatzanspruchs nach § 280 BGB zurückzufordern.

Sichern Sie die Unterstützung der Gemeinschaft, um die Abberufung und die juristische Rückforderung der Gelder schnellstmöglich durchzusetzen.


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Wie schütze ich als Eigentümer die WEG-Rücklage vor eigenmächtigen Entscheidungen des Verwalters?

Der wirksamste Schutz Ihrer WEG-Rücklage basiert auf vertraglicher Vorsorge und maximaler Transparenz. Sie sollten im Verwaltervertrag exakt festlegen, welche Anlageformen zulässig sind – idealerweise nur mündelsichere Produkte wie Tagesgeld. Verlangen Sie zudem jährlich die direkten Kontoauszüge, um die Einhaltung dieser Vorgaben lückenlos zu kontrollieren. Diese präventiven Maßnahmen verhindern, dass der Verwalter das Kapital eigenmächtig in riskante Produkte investiert.

Die Grundlage für Sicherheit ist die klare Vermögenstrennung. Eigentümer sollten unbedingt darauf bestehen, dass der Verwalter die Gelder der Gemeinschaft ausschließlich als offene Fremdgeldkonten führt. Diese sogenannten WEG-Eigenkonten garantieren eine juristische Trennung vom Vermögen des Verwalters und dem Geld anderer verwalteter Gemeinschaften. Fehlt diese klare Trennung, riskieren Sie bei einer Insolvenz des Verwalters, dass das Geld der WEG möglicherweise in die Insolvenzmasse fällt.

Die größte Schwachstelle in der Praxis ist die unzureichende Kontrolle der tatsächlichen Anlageform. Akzeptieren Sie den jährlichen Finanzstatus nicht als ausreichenden Beleg für die Sicherheit des Kapitals. Stattdessen müssen Sie die physischen Konto- oder Depotauszüge sichten, um zu prüfen, ob die Rücklage wirklich jederzeit verfügbar ist und nicht in spekulative Wertpapiere gebunden wurde. Konkret: Der Verwaltervertrag muss die Anlage in langfristigen Festgeldern, Anleihen oder komplexen Produkten explizit verbieten, um eigenmächtige Fehlinvestitionen zu verhindern.

Suchen Sie den Verwaltervertrag heraus und überprüfen Sie, ob dort konkrete, sichere Anlageformen für die Erhaltungsrücklage bindend festgelegt wurden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erhebliche Verpflichtungen

Als erhebliche Verpflichtungen gelten im Wohnungseigentumsrecht alle Maßnahmen des Verwalters, die über die Routineverwaltung hinausgehen und die Eigentümergemeinschaft finanziell stark oder langfristig binden. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) zieht diese klare Grenze, um sicherzustellen, dass wichtige oder risikoreiche Entscheidungen wie große Investitionen oder Sanierungen immer der demokratischen Zustimmung der Eigentümer bedürfen.
Beispiel: Die Verwalterin schloss ohne Beschluss eine Anleihe mit vierjähriger Kapitalbindung ab; das Amtsgericht Böblingen sah darin klar eine erhebliche Verpflichtung, die ihre Befugnisse nach § 27 Abs. 1 WEG überschritt.

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Mündelsicherheit

Mündelsicherheit ist der strenge rechtliche Maßstab für die Anlage von Gemeinschaftsvermögen, der vorschreibt, dass Wertverluste und eine langfristige Bindung des Kapitals praktisch ausgeschlossen sein müssen. Das Gesetz überträgt diesen Sicherheitsmaßstab aus dem Vormundschaftsrecht auf die Erhaltungsrücklagen der WEG, weil diese Mittel jederzeit für unvorhergesehene Instandhaltungsmaßnahmen verfügbar sein müssen.
Beispiel: Weil die Anleihe im vorliegenden Fall bei vorzeitiger Kündigung einen vertraglich festgeschriebenen Verlust von zwei Prozent vorsah, erfüllte die riskante Kapitalanlage keinesfalls die Anforderungen der Mündelsicherheit.

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Treuepflicht

Die Treuepflicht verpflichtet den WEG-Verwalter, das ihm anvertraute Vermögen der Gemeinschaft sorgfältig und ausschließlich im besten Interesse der Eigentümer zu verwalten. Diese grundlegende Pflicht leitet sich sowohl aus dem Verwaltervertrag als auch aus den gesetzlichen Bestimmungen ab und soll das Vertrauen der Eigentümer in die Integrität und Kompetenz des Verwalters schützen.
Beispiel: Durch die eigenmächtige Investition der Erhaltungsrücklage in langfristige Anleihen verletzte die ehemalige Verwalterin ihre Treuepflicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft schwerwiegend.

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Unerlaubte Handlung (§ 823 BGB)

Juristen sprechen von einer unerlaubten Handlung, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig gegen ein Gesetz verstößt, das dem Schutz eines anderen dient, und dadurch zum Schadensersatz verpflichtet wird. Dieser Paragraf des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dient dem umfassenden Schutz wichtiger Rechtsgüter und ermöglicht es Geschädigten, Ersatz zu fordern, auch wenn kein direkter Vertrag verletzt wurde.
Beispiel: Da das Gericht die eigenmächtige Anlage als Verstoß gegen den Straftatbestand der Untreue wertete, haftete die Verwalterin zusätzlich aus unerlaubter Handlung, was die Aufrechnung eigener Forderungen gegen den Rückzahlungsanspruch der WEG verhinderte.

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Untreue (§ 266 StGB)

Untreue ist ein Straftatbestand, der vorliegt, wenn eine Person ihre Befugnis, über das Vermögen eines anderen zu verfügen, missbraucht und diesem dadurch einen finanziellen Nachteil zufügt. Das Strafgesetzbuch (StGB) schützt hierbei das Vermögen vor dem gezielten Missbrauch eines bestehenden Vertrauensverhältnisses, wie es zwischen WEG und Verwalter besteht.
Beispiel: Das Amtsgericht Böblingen sah die Kriterien des Missbrauchs als erfüllt an, weil die Verwalterin die Anleihen zwar wirksam zeichnen konnte, aber dabei die internen, zwingenden Beschlussvorgaben der Eigentümergemeinschaft vorsätzlich ignorierte.

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Das vorliegende Urteil


AG Böblingen – Az.: 23 C 866/24 WEG – Urteil vom 28.01.2025


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