Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein Restaurant brennt nieder – muss der Mieter trotzdem die volle Miete zahlen?
- Was war die ungewöhnliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter?
- Was geschah nach dem Brand und worüber stritten die Parteien?
- Warum war der Mieter überzeugt, keine Miete mehr schuldig zu sein?
- Wie lautete die Sichtweise des Vermieters?
- Welche Pflicht hatte der Vermieter laut Gericht wirklich?
- Wer verhinderte die Reparatur des Gebäudes – und warum war das entscheidend?
- Wie entschied das Gericht am Ende über die Mietzahlungen?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie wirkt sich der Grundsatz aus, dass man aus einer selbst herbeigeführten Situation keine Vorteile ziehen darf, auf vertragliche Pflichten?
- Was ist der grundlegende Unterschied zwischen der Überlassungspflicht und der Instandhaltungspflicht eines Vermieters im Mietrecht?
- Wie können individuelle vertragliche Regelungen zur Errichtung und Instandhaltung von Einbauten das Risiko bei Schäden in Gewerbemietverträgen verteilen?
- Unter welchen Umständen kann das Recht eines Mieters zur Mietminderung trotz eines Mangels der Mietsache eingeschränkt oder ausgeschlossen sein?
- Welche Bedeutung haben unabhängige Sachverständigengutachten für die Klärung von Sachverhalten in Gerichtsverfahren, insbesondere bei Gebäudeschäden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 O 30/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Wiesbaden
- Datum: 04.10.2022
- Aktenzeichen: 8 O 30/22
- Verfahren: Zivilstreit über Mietzahlungen
- Rechtsbereiche: Mietrecht (Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern), Zivilprozessrecht (Regeln für Gerichtsverfahren)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Vermieter einer Gewerbefläche. Er forderte die Zahlung ausstehender Mieten nach einem Brandschaden.
- Beklagte: Der Mieter der Gewerbefläche, der dort ein Restaurant betreiben wollte. Er verweigerte Mietzahlungen und berief sich auf eine Mietminderung wegen des Brandschadens.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Gewerbemieter stellte nach einem Brand in seinem Restaurant die Mietzahlung ein. Er argumentierte, das Objekt sei unbenutzbar und der Vermieter sei seiner Instandhaltungspflicht nicht nachgekommen.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Musste der Mieter nach einem Brand weiterhin die volle Miete für seine Gewerbefläche zahlen, obwohl er sie nicht mehr als Restaurant nutzen konnte und die Gebäudesubstanz Schäden aufwies?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Der Beklagte (Mieter) wurde zur Zahlung der vollen ausstehenden Miete verurteilt.
- Zentrale Begründung: Der Mieter war zur Zahlung der vollen Miete verpflichtet, weil der Vermieter die ursprünglich geschuldete leere Ladenfläche zur Verfügung gestellt hatte und die nach dem Brand notwendigen Reparaturen am Gebäude vom Mieter selbst durch das Nichtentfernen seiner beschädigten Einbauten verhindert wurden.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Mieter muss die gesamte ausstehende Miete sowie die Prozesskosten zahlen.
Der Fall vor Gericht
Ein Restaurant brennt nieder – muss der Mieter trotzdem die volle Miete zahlen?
Ein verheerender Brand verwandelt ein gut laufendes Restaurant in eine verkohlte Ruine. Für den Betreiber scheint die Sache klar: Wo kein Geschäft mehr möglich ist, muss auch keine Miete mehr gezahlt werden. Doch der Vermieter sieht das anders und verlangt weiterhin die volle Summe, Monat für Monat.

Ein Streit über mehr als 125.000 Euro landet vor dem Landgericht Wiesbaden, das eine fundamentale Frage des Mietrechts klären muss: Wer trägt das finanzielle Risiko, wenn ein Unglück die Geschäftsgrundlage zerstört – und wer ist für den Wiederaufbau verantwortlich? Die Antwort des Gerichts lag in den Details eines ungewöhnlichen Mietvertrags.
Was war die ungewöhnliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter?
Der Kern des gesamten Falles lag nicht im Feuer selbst, sondern in dem Vertrag, den die beiden Parteien Jahre zuvor, am 8. März 2014, unterzeichnet hatten. Der Mieter übernahm keine fertigen Restauranträume. Stattdessen mietete er eine leere Ladenfläche, die sich im Zustand einer Einkaufspassage befand. Der Vertrag legte ihm eine umfassende Verantwortung auf, die weit über das übliche Maß hinausging.
Im Mietvertrag war festgelegt, dass der Mieter die Passage auf eigene Kosten zu einem voll funktionsfähigen Restaurant umbauen musste. Das glich eher dem Kauf eines leeren Grundstücks, auf dem man ein Haus baut, als dem Mieten einer fertigen Wohnung. Alle Kosten für diesen Umbau – von den Strom- und Wasserleitungen über die Heizung bis hin zu den Genehmigungen vom Bauamt – trug allein der Mieter. Er war verpflichtet, den Umbau durch Fachfirmen durchführen und von Statikern und Brandschutzbeauftragten abnehmen zu lassen.
Entscheidend war eine weitere Klausel: Da der Mieter sämtliche Einbauten wie die Elektroinstallation, die Heizungsanlage, Fenster, Türen und sogar die Lichtkuppel selbst vorgenommen hatte, war er auch allein für deren Wartung, Instandhaltung und Pflege verantwortlich. Die Pflicht, etwas in einem funktionstüchtigen Zustand zu erhalten, nennt man im Juristendeutsch Instandhaltungspflicht. Hier wurde sie für alle Einbauten vollständig auf den Mieter übertragen.
Was geschah nach dem Brand und worüber stritten die Parteien?
Im Juli 2019 brach das Feuer aus. Die vom Mieter mühsam aufgebaute Restauranteinrichtung wurde schwer beschädigt oder zerstört. Ab Januar 2020 stellte der Mieter seine Mietzahlungen in Höhe von monatlich 5.593,00 Euro vollständig ein. Als das Mietverhältnis im April 2021 endete, war ein Mietrückstand von insgesamt 125.269,29 Euro aufgelaufen.
Der Vermieter zog vor Gericht. Zunächst erwirkte er ein sogenanntes Vorbehaltsurteil. Dies ist ein schnelles Urteil in einem speziellen Verfahren, das dem Beklagten aber die Möglichkeit lässt, seine Argumente in einem anschließenden Hauptverfahren, dem Nachverfahren, vollständig prüfen zu lassen. Genau das tat der Mieter.
Der Streit drehte sich um eine zentrale Frage: War das Mietobjekt nach dem Brand so mangelhaft, dass der Mieter keine Miete mehr zahlen musste? Oder lag die Verantwortung für die Folgen des Brandes beim Mieter selbst?
Warum war der Mieter überzeugt, keine Miete mehr schuldig zu sein?
Die Argumentation des Mieters stützte sich auf das Recht zur Mietminderung. Dieses Recht erlaubt es einem Mieter, die Miete zu kürzen, wenn die gemietete Sache einen Mangel aufweist, der ihre Nutzung einschränkt. Ist die Nutzung komplett unmöglich, kann die Miete sogar auf null sinken.
Aus Sicht des Mieters war der Fall klar: Das Restaurant war eine Ruine und damit für seinen Zweck unbenutzbar. Er behauptete außerdem, das Gebäude sei nach dem Brand akut einsturzgefährdet gewesen. Er habe es daher nicht betreten können, um aufzuräumen oder seine zerstörten Einbauten zu entfernen.
Seine Schlussfolgerung war logisch: Der Vermieter habe die Pflicht, das Gebäude instand zu halten und die Brandschäden an der Bausubstanz zu beseitigen. Solange der Vermieter dieser Pflicht nicht nachkomme und das Gebäude unbenutzbar sei, sei die Miete kraft Gesetzes auf null gemindert. Er müsse also nichts zahlen.
Wie lautete die Sichtweise des Vermieters?
Der Vermieter zeichnete ein völlig anderes Bild. Er argumentierte, dass der Brand weit überwiegend die Einbauten des Mieters betroffen habe – also genau die Teile, für deren Instandhaltung der Mieter laut Vertrag selbst verantwortlich war. Schäden an der eigentlichen Gebäudesubstanz seien gering gewesen.
Vor allem aber brachte er einen entscheidenden Punkt vor: Selbst wenn es Schäden am Gebäude gegeben hätte, die er hätte reparieren müssen, sei er daran gehindert worden. Denn um die Bausubstanz zu sanieren, hätte der Mieter zuerst seinen verbrannten Schutt und die Reste seiner Einbauten entfernen müssen. Das sei jedoch nie vollständig geschehen. Der Mieter blockiere also selbst die Lösung des Problems.
Der Vermieter war der Ansicht, dass der Mieter nicht einfach die Mietzahlung einstellen könne, wenn er die Behebung der Mängel selbst verhinderte.
Welche Pflicht hatte der Vermieter laut Gericht wirklich?
Das Landgericht Wiesbaden folgte der Argumentation des Vermieters und verurteilte den Mieter zur Zahlung der gesamten ausstehenden Miete. Die richterliche Begründung folgte einer klaren juristischen Logik, die beim Mietvertrag begann.
Zunächst unterschied das Gericht zwischen zwei grundlegenden Pflichten des Vermieters: der einmaligen Überlassungspflicht zu Beginn des Mietverhältnisses und der laufenden Instandhaltungspflicht während der Mietzeit.
Die Überlassungspflicht hatte der Vermieter erfüllt, indem er dem Mieter 2014 die vereinbarte leere Ladenfläche übergeben hatte. Er schuldete vertraglich kein fertiges Restaurant. Die Tatsache, dass der Restaurantbetrieb nach dem Brand unmöglich war, stellte daher keinen Mangel an der vom Vermieter geschuldeten Mietsache dar. Die Pflicht, ein Restaurant zu ermöglichen, lag ja beim Mieter.
Damit konzentrierte sich alles auf die zweite Pflicht: die Instandhaltung der Gebäudesubstanz. Hätte der Vermieter hier versagt?
Wer verhinderte die Reparatur des Gebäudes – und warum war das entscheidend?
Die Behauptung des Mieters, das Gebäude sei einsturzgefährdet gewesen, war der Dreh- und Angelpunkt seiner Verteidigung. Um diese Frage zu klären, hörte das Gericht einen sachverständigen Zeugen – einen Experten, der das Gebäude nach dem Brand begutachtet hatte.
Die Aussage dieses Zeugen brachte die Wende. Er erklärte überzeugend und klar, dass das Gebäude zu keinem Zeitpunkt einsturzgefährdet war. Die tragenden Elemente seien nicht beschädigt worden. Zwar habe es Rußschäden gegeben und eine Brandschutzdecke hätte ausgetauscht werden müssen, aber die Statik des Gebäudes sei intakt gewesen. Der Mieter hätte die Räume also sehr wohl betreten können, um aufzuräumen.
Mehr noch: Der Experte bestätigte, dass die notwendigen Reparaturen am Gebäude – wie der Austausch der Brandschutzdecke – erst dann hätten durchgeführt werden können, wenn der Mieter seine darunterliegende, zerstörte abgehängte Decke und andere Einbauten vollständig entfernt hätte.
Damit stand für das Gericht fest: Der Vermieter war an der Erfüllung seiner Instandhaltungspflicht gehindert worden, und zwar durch das Verhalten des Mieters. Ein Mieter kann sich aber nicht auf einen Mangel berufen und die Miete mindern, wenn er die Beseitigung dieses Mangels selbst verzögert oder verhindert. Es ist ein fundamentaler Grundsatz, dass man aus einer Situation, die man selbst herbeiführt, keine Vorteile ziehen darf. Der Mieter hätte zuerst seine Sachen entfernen müssen, um dann den Vermieter zur Reparatur auffordern zu können.
Wie entschied das Gericht am Ende über die Mietzahlungen?
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Pflicht des Mieters zur Zahlung der vollen Miete niemals erloschen war. Der Anspruch des Vermieters auf die ausstehenden 125.269,29 Euro war vollständig begründet.
Die zentrale Begründung lässt sich in drei Schritten zusammenfassen:
- Vertragsgegenstand war die leere Fläche: Der Vermieter schuldete kein funktionierendes Restaurant, sondern nur die Gebäudehülle. Diese war im Kern intakt und nutzbar.
- Keine Einsturzgefahr: Ein Sachverständiger widerlegte die Behauptung des Mieters. Das Betreten der Räume zur Räumung war für den Mieter möglich und zumutbar.
- Verhinderung der Mängelbeseitigung: Der entscheidende Punkt. Da der Mieter seine zerstörten Einbauten nicht entfernte, blockierte er die notwendigen Reparaturen am Gebäude durch den Vermieter. Wer die Reparatur verhindert, kann sich nicht auf den Mangel berufen, um die Miete zu mindern.
Der Mieter wurde daher verurteilt, die gesamten Mietrückstände nebst Zinsen zu zahlen und auch die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
Wichtigste Erkenntnisse
Vertragspartner können sich nicht erfolgreich auf Mängel berufen, die sie selbst durch ihr Verhalten verursachen oder deren Beseitigung sie blockieren.
- Vertragsinhalt bestimmt Leistungsumfang: Ein Vermieter schuldet nur das, was vertraglich vereinbart wurde – nicht die Funktionsfähigkeit zusätzlicher Einbauten, die der Mieter selbst vorgenommen hat.
- Mitwirkungspflicht bei Schadensbehebung: Wer Reparaturen durch seine eigenen Gegenstände verhindert, verliert das Recht zur Mietminderung wegen dieser Mängel – selbst dann, wenn der Vermieter theoretisch zur Reparatur verpflichtet wäre.
- Sachverständigenaussage entscheidet über Sicherheitsbedenken: Behauptungen über Einsturzgefahr oder Unbetretbarkeit müssen durch Experten belegt werden – subjektive Einschätzungen reichen für eine Mietminderung nicht aus.
Mieter tragen das volle finanzielle Risiko, wenn sie durch unterlassene Mitwirkung die Lösung von Problemen selbst blockieren, auf die sie sich zur Rechtfertigung ihrer Verweigerung berufen.
Benötigen Sie Hilfe?
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Das Urteil in der Praxis
Wie viel Risiko ist ein Unternehmer bereit zu tragen? Dieses Urteil des Landgerichts Wiesbaden liefert eine knallharte Antwort, die Mieter aufhorchen lassen sollte. Es zeigt unmissverständlich, dass weitreichende Instandhaltungs- und Umbaupflichten im Mietvertrag das gesamte Gefüge der Risiko- und Verantwortungsverteilung massiv verschieben – selbst bei Katastrophen wie einem Brand. Entscheidend war hier nicht nur, wer was baute, sondern auch, wer die Mängelbeseitigung aktiv verhinderte, indem er seinen eigenen Pflichten nicht nachkam. Dies ist ein Weckruf für jeden, der gewerbliche Mietverträge verhandelt: Das Kleingedruckte definiert die wahre Haftung – und die kann im Ernstfall existenziell sein.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie wirkt sich der Grundsatz aus, dass man aus einer selbst herbeigeführten Situation keine Vorteile ziehen darf, auf vertragliche Pflichten?
Eine Vertragspartei kann sich nicht auf Mängel berufen oder Vorteile aus einer Situation ziehen, die sie selbst durch ihr Verhalten verursacht oder deren Behebung sie verhindert hat. Dieser wichtige Rechtsgrundsatz schützt das Vertrauen in faire Geschäftsbeziehungen.
Man kann sich das so vorstellen: Wenn ein Käufer ein Produkt mit einem angeblichen Mangel reklamiert, aber dem Verkäufer die notwendige Überprüfung oder Reparatur verweigert, zum Beispiel indem er keinen Zugang zur Ware ermöglicht, dann kann der Käufer sich später nicht mehr erfolgreich auf diesen Mangel berufen. Es ist dem Verkäufer ja unmöglich gemacht worden, den Mangel zu überprüfen oder zu beheben.
Dieser Grundsatz ist ein wichtiger Pfeiler des deutschen Rechts und leitet sich vom Prinzip von „Treu und Glauben“ ab. Er soll verhindern, dass jemand eigene Rechte missbraucht, indem er durch sein Verhalten die Erfüllung der Pflichten der Gegenseite bewusst behindert oder eine ungünstige Situation selbst herbeiführt, um daraus einen Vorteil zu ziehen.
Diese Regelung stellt sicher, dass Vertragsparteien stets kooperativ handeln müssen, um Problemlösungen zu ermöglichen, da sie sonst ihre eigenen Rechte verlieren können.
Was ist der grundlegende Unterschied zwischen der Überlassungspflicht und der Instandhaltungspflicht eines Vermieters im Mietrecht?
Die Überlassungspflicht betrifft den Zustand der Mietsache bei Beginn des Mietverhältnisses, während die Instandhaltungspflicht die fortlaufende Erhaltung dieses Zustands während der Mietzeit sicherstellt. Die Überlassungspflicht ist die einmalige Pflicht des Vermieters, die Mietsache in dem vertraglich vereinbarten, gebrauchstauglichen Zustand zu übergeben. Die Instandhaltungspflicht ist dagegen die laufende Pflicht des Vermieters, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten.
Man kann dies mit einem Kauf vergleichen: Die Überlassungspflicht ist wie der erste Kauf eines neuen Produkts, das funktionieren muss. Die Instandhaltungspflicht ist wie der Service des Herstellers, der dafür sorgt, dass es über die Zeit weiter funktioniert.
Der genaue Umfang beider Pflichten hängt stark vom Mietvertrag ab. Hat ein Vermieter beispielsweise eine leere Ladenfläche vermietet, liegt seine Überlassungspflicht darin, genau diese leere Fläche zu übergeben. Er schuldet dann kein voll ausgestattetes Restaurant. Wurde vertraglich vereinbart, dass der Mieter die Mietsache selbst umbaut und instand hält, so ist der Vermieter von der Instandhaltungspflicht für diese spezifischen Einbauten befreit. Diese vertraglichen Vereinbarungen sind entscheidend für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt und ob eine Mietminderung gerechtfertigt ist.
Diese genaue Unterscheidung hilft zu klären, wer zu welchem Zeitpunkt für den Zustand der Mietsache verantwortlich ist und damit, ob ein Anspruch auf Mietminderung besteht.
Wie können individuelle vertragliche Regelungen zur Errichtung und Instandhaltung von Einbauten das Risiko bei Schäden in Gewerbemietverträgen verteilen?
Individuelle vertragliche Vereinbarungen in Gewerbemietverträgen können die Standard-Risikoverteilung bei Schäden an Einbauten erheblich ändern und die Verantwortung vollständig auf den Mieter verlagern. Dies trifft besonders auf Fälle zu, in denen Mieter leere Gewerbeflächen anmieten, um diese selbst umzubauen.
Dies gleicht dem Bau eines eigenen Hauses auf einem gemieteten Grundstück: Man ist selbst für alles verantwortlich, was man errichtet, und auch für dessen Zustand und Instandhaltung.
Mietet jemand eine leere Gewerbefläche, um diese auf eigene Kosten umfassend umzubauen, etwa zu einem Restaurant, übernimmt er typischerweise die volle Verantwortung für alle dabei entstehenden Einbauten. Dazu zählen beispielsweise Elektroinstallationen, Heizungsanlagen, Fenster, Türen oder Wände. Der Mietvertrag kann festlegen, dass der Mieter nicht nur die Kosten für den Umbau, sondern auch für die Wartung und Instandhaltung dieser selbst geschaffenen Elemente trägt.
Entsteht ein Schaden an solchen Einbauten, zum Beispiel durch einen Brand, liegt die primäre Verantwortung für deren Reparatur oder Beseitigung beim Mieter. Das bedeutet, dass der Mieter auch bei schwerwiegenden Schäden weiterhin zur vollen Mietzahlung verpflichtet bleiben kann, wenn der Vermieter seine grundlegende Überlassungspflicht an der leeren Fläche erfüllt hat und an der Behebung von etwaigen Gebäudeschäden durch den Mieter gehindert wird.
Solche individuellen Vereinbarungen können erhebliche finanzielle Folgen haben und unerwartet hohe Kosten verursachen, wenn Schäden an diesen Einbauten entstehen.
Unter welchen Umständen kann das Recht eines Mieters zur Mietminderung trotz eines Mangels der Mietsache eingeschränkt oder ausgeschlossen sein?
Das Recht eines Mieters zur Mietminderung kann eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn die Mieterin oder der Mieter die Beseitigung eines Mangels durch den Vermieter aktiv verhindert oder verzögert. Grundsätzlich kann man die Miete bei Mängeln mindern, die die Nutzung der Mietsache beeinträchtigen; dieses Recht entfällt jedoch, wenn man die Mängelbeseitigung selbst blockiert.
Stellen Sie sich vor, man hat eine kaputte Lampe in der Wohnung, weigert sich aber, den Elektriker des Vermieters hereinzulassen. Dann ist es nicht möglich, die Miete zu mindern, weil die Lampe nicht repariert wird.
Im vorliegenden Fall verhinderte der Mieter die notwendigen Reparaturen am Gebäude durch den Vermieter, indem er seine eigenen zerstörten Einbauten nach einem Brand nicht entfernte. Ein Sachverständiger bestätigte, dass die Räume nicht einsturzgefährdet waren und der Mieter seine Räumung hätte durchführen können, um dem Vermieter die Instandsetzung zu ermöglichen. Da der Mieter die für die Mängelbeseitigung notwendigen Handlungen nicht vornahm, konnte er sich nicht auf das Recht zur Mietminderung berufen.
Diese Regelung stellt sicher, dass ein Mieter aus einem Mangel, dessen Beseitigung er selbst erschwert, keine Vorteile ziehen kann und fördert die Kooperation bei der Instandhaltung der Mietsache.
Welche Bedeutung haben unabhängige Sachverständigengutachten für die Klärung von Sachverhalten in Gerichtsverfahren, insbesondere bei Gebäudeschäden?
Unabhängige Sachverständigengutachten sind in Gerichtsverfahren von entscheidender Bedeutung, um technische oder komplexe Sachverhalte objektiv zu klären und Gerichten eine fundierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Bei Fragen wie der Ursache oder dem Umfang eines Schadens oder der Statik eines Gebäudes sind Richter oft auf das Wissen dieser unabhängigen Experten angewiesen.
Ein Sachverständiger ist wie ein Spezialarzt, der eine genaue Diagnose stellt, wo die Parteien nur Mutmaßungen anstellen.
Die Aussage eines Sachverständigen kann in einem Gerichtsverfahren den Dreh- und Angelpunkt bilden. Im vorliegenden Fall konnte die zentrale Behauptung der Einsturzgefahr nur durch die Begutachtung und die überzeugende Erklärung eines Experten widerlegt werden. Er stellte fest, dass das Gebäude zu keinem Zeitpunkt einsturzgefährdet war und die tragenden Elemente intakt blieben.
Diese Expertenmeinung half dem Gericht, die objektiven Fakten festzustellen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Da Sachverständige neutral agieren und auf speziellem Fachwissen basieren, haben ihre Gutachten eine hohe Beweiskraft. Das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ist oft maßgeblich für den Ausgang eines Verfahrens, daher sollten Parteien stets mit der Beauftragung solcher Gutachten rechnen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Instandhaltungspflicht
Die Instandhaltungspflicht ist die Verpflichtung, etwas dauerhaft in einem funktionsfähigen Zustand zu erhalten. Im Mietrecht ist normalerweise der Vermieter dafür verantwortlich, das vermietete Objekt während der gesamten Mietzeit in dem Zustand zu halten, in dem es übergeben wurde. Mietverträge können diese Pflicht jedoch ganz oder teilweise auf den Mieter übertragen.
Beispiel: Im Restaurant-Fall hatte der Mieter alle Einbauten wie Elektroinstallation, Heizung und Fenster selbst vorgenommen. Daher war er laut Vertrag auch allein für deren Wartung, Instandhaltung und Pflege verantwortlich.
Mietminderung
Mietminderung bedeutet, dass ein Mieter weniger Miete zahlen kann, wenn die gemietete Sache einen Mangel hat, der die Nutzung einschränkt. Dieses Recht soll den Mieter davor schützen, die volle Miete für etwas zu zahlen, was nicht richtig funktioniert. Bei schweren Mängeln kann die Miete sogar komplett auf null sinken.
Beispiel: Der Restaurant-Mieter argumentierte, dass er nach dem Brand keine Miete mehr zahlen müsse, weil das Gebäude für ihn als Restaurant unbenutzbar geworden war.
Nachverfahren
Ein Nachverfahren ist ein Gerichtsverfahren, das nach einem Vorbehaltsurteil stattfindet und dem unterlegenen Beklagten die Chance gibt, seine Argumente vollständig vorzubringen. Es ermöglicht eine umfassende Prüfung des Falls, nachdem zunächst ein schnelles Urteil ergangen ist. Der Beklagte kann hier alle seine Einwände und Beweise präsentieren.
Beispiel: Nachdem der Vermieter ein Vorbehaltsurteil gegen den Restaurant-Mieter erwirkt hatte, nutzte der Mieter das Nachverfahren, um seine Argumente zur Mietminderung ausführlich darzulegen.
Überlassungspflicht
Die Überlassungspflicht ist die einmalige Verpflichtung des Vermieters, die Mietsache zu Beginn des Mietvertrags in dem vereinbarten Zustand zu übergeben. Diese Pflicht ist erfüllt, sobald der Vermieter dem Mieter genau das überlassen hat, was im Vertrag vereinbart wurde – nicht mehr und nicht weniger.
Beispiel: Der Vermieter hatte seine Überlassungspflicht erfüllt, indem er 2014 die vereinbarte leere Ladenfläche übergeben hatte. Er schuldete kein fertiges Restaurant, sondern nur die leere Fläche.
Vorbehaltsurteil
Ein Vorbehaltsurteil ist ein schnelles Gerichtsurteil in einem vereinfachten Verfahren, das dem Beklagten aber das Recht einräumt, anschließend ein vollständiges Verfahren zu verlangen. Es dient dazu, offensichtliche Forderungen schnell durchzusetzen, ohne dem Beklagten die Chance auf eine umfassende Verteidigung zu nehmen.
Beispiel: Der Vermieter erwirkte zunächst ein Vorbehaltsurteil gegen den Restaurant-Mieter, woraufhin dieser sein Recht auf ein Nachverfahren nutzte, um seine Einwände zur Mietminderung geltend zu machen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Vertragsinhalt und Parteivereinbarung
Der Inhalt eines Vertrages bestimmt maßgeblich, welche Leistungen die Parteien einander schulden und welche Risiken sie tragen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der ungewöhnliche Mietvertrag sah vor, dass der Mieter die leere Fläche selbst zum Restaurant ausbauen und für dessen Bestandteile sorgen musste, wodurch der Vermieter kein funktionierendes Restaurant, sondern nur die unveränderte Gebäudehülle schuldete.
Mietminderung (§ 536 BGB)
Mieter können die Miete kürzen oder ganz einstellen, wenn die gemietete Sache einen Mangel aufweist, der ihre Nutzung einschränkt oder unmöglich macht.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Mieter wollte seine Mietzahlung einstellen, weil das Restaurant nach dem Brand unbenutzbar war; das Gericht lehnte dies ab, da der Brand vorwiegend die vom Mieter selbst verantworteten Einbauten betraf und nicht die vom Vermieter geschuldete, leere Mietsache.
Instandhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB)
Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Mieter argumentierte, der Vermieter sei für die Beseitigung der Brandschäden am Gebäude verantwortlich; das Gericht stellte jedoch klar, dass diese Pflicht sich nur auf die Gebäudesubstanz bezog und der Vermieter durch die nicht entfernten Einbauten des Mieters an der Erfüllung gehindert wurde.
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Jeder Beteiligte muss sich im Rechtsverkehr fair und anständig verhalten und darf keine Vorteile aus einem Zustand ziehen, den er selbst herbeigeführt oder dessen Lösung er verhindert hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verurteilte den Mieter, da er die Beseitigung der Brandschäden am Gebäude durch den Vermieter verhinderte, indem er seine zerstörten Einbauten nicht entfernte und sich somit nicht auf einen Mangel berufen konnte.
Das vorliegende Urteil
LG Wiesbaden – Az.: 8 O 30/22 – Urteil vom 04.10.2022
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