Widersprüchliche Aussagen und Eigenbedarf: Landgericht Berlin bestätigt Kündigung gegenüber 18-Jährigem
Im Mittelpunkt dieses Urteils steht die Frage, ob eine Eigenbedarfskündigung für einen unerfahrenen 18-Jährigen zulässig ist. Das Landgericht Berlin hat entschieden, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg zurückzuweisen, womit die Eigenbedarfskündigung als zulässig erachtet wird. Die Entscheidung begründet sich darauf, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderte.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Landgericht Berlin bestätigt die Zulässigkeit einer Eigenbedarfskündigung für einen 18-Jährigen.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg wurde zurückgewiesen.
- Die Entscheidung basiert auf der Einschätzung, dass die Berufung keine Erfolgsaussicht hatte.
- Es gab keine Notwendigkeit für eine mündliche Verhandlung über die Berufung.
- Die Beklagten müssen die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
- Das Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
- Es wurden keine hinreichenden Gründe für eine Änderung der Entscheidung des Amtsgerichts gefunden.
- Widersprüchliche Aussagen der Beklagten trugen zur Entscheidung bei.
Eigenbedarfskündigung für unerfahrenen 18-Jährigen: Was ist erlaubt?
Viele junge Menschen ziehen nach ihrem Schulabschluss zum ersten Mal in eine eigene Wohnung. Doch was passiert, wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet? Kann der Mieter dann einfach gekündigt werden, auch wenn er erst 18 Jahre alt ist und noch keine Berufserfahrung hat?
In diesem Artikel erklären wir Ihnen, welche Rechte und Pflichten Mieter und Vermieter bei einer Eigenbedarfskündigung haben. Wir erläutern die rechtlichen Rahmenbedingungen und geben Tipps, wie Sie sich als Mieter in dieser Situation verhalten können.
Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich zulässig ist. Der Vermieter muss allerdings ein berechtigtes Interesse daran haben, die Wohnung selbst zu nutzen oder sie einem Familienangehörigen zu überlassen.
Bei einer Eigenbedarfskündigung gegenüber einem unerfahrenen 18-Jährigen Mieter muss der Vermieter einige Besonderheiten beachten. So muss er zum Beispiel darlegen, warum er die Wohnung selbst nutzen will und warum er nicht auf eine andere Wohnung ausweichen kann.
Der Mieter hat verschiedene Möglichkeiten, sich gegen eine Eigenbedarfskündigung zu wehren. Er kann zum Beispiel Widerspruch einlegen oder auf eine Härtefallklausel pochen.
In diesem Beitrag finden Sie alle wichtigen Informationen rund um die Eigenbedarfskündigung. Wir erklären Ihnen, welche Fristen Sie beachten müssen, welche Unterlagen Sie benötigen und wie Sie Ihre Rechte als Mieter geltend machen können.
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob eine Eigenbedarfskündigung gegenüber einem unerfahrenen 18-Jährigen rechtens ist. Das Landgericht Berlin hatte sich mit diesem Fall zu befassen, nachdem die Beklagten gegen ein früheres Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg Berufung eingelegt hatten. Das Amtsgericht hatte zuvor entschieden, dass die Kündigung rechtmäßig war, eine Entscheidung, die die Beklagten nicht akzeptieren wollten.
Der Streitfall: Eigenbedarfskündigung vor dem Landgericht Berlin
Die Kläger hatten die Kündigung auf Eigenbedarf begründet, weil der Sohn des Beklagten, ein junger Erwachsener von gerade 18 Jahren, die Wohnung für sich beanspruchte. Die Beklagten argumentierten, der Sohn sei bereits seit seinem 16. Lebensjahr in der Lage, einen eigenen Haushalt zu führen. Das Gericht musste also prüfen, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt war.
Die rechtliche Prüfung: Eigenbedarf und Unerfahrenheit
Die Richter am Landgericht Berlin stützten sich in ihrer Entscheidung maßgeblich auf den Sach- und Streitstand, wie er bereits im Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg dargestellt wurde. Die Berufung wurde zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht einen sinnentstellenden Schreibfehler im Hinweisbeschluss korrigierte, der die Annahme einer „widerleglichen Vermutung“ statt einer „unwiderleglichen Vermutung“ betraf. Dies unterstreicht, dass die Gerichte sehr genau in der Auslegung von Sachverhalten und rechtlichen Begrifflichkeiten sind.
Widersprüchliche Aussagen und ihre Konsequenzen
Ein entscheidender Punkt in der Urteilsbegründung waren die widersprüchlichen Aussagen der Beklagten hinsichtlich der Wohnsituation und der Unabhängigkeit ihres Sohnes. Einerseits behaupteten sie, der Sohn habe bereits umfassende Erfahrungen im selbstständigen Wohnen gesammelt, andererseits räumten sie ein, dass er zum Zeitpunkt der Kündigung in einer Einzimmerwohnung „trainierte“, um sich auf ein selbstständiges Leben in einer größeren Wohnung vorzubereiten. Diese Inkonsistenzen schwächten die Position der Beklagten erheblich.
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin und ihre Begründung
Letztlich folgte das Landgericht Berlin der Argumentation des Amtsgerichts Kreuzberg und wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Entscheidung beruhte auf der Auffassung, dass die vorgebrachten Argumente und Beweismittel der Beklagten die Kündigung nicht als unrechtmäßig erscheinen ließen. Zudem wurden die Beklagten zur Übernahme der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet, und das Urteil des Amtsgerichts wurde ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen und konsistenten Sachverhaltsdarstellung in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Es zeigt außerdem, wie Gerichte die Glaubwürdigkeit und Plausibilität von Argumenten bewerten, insbesondere in Fällen, in denen der Eigenbedarf einer Wohnung geltend gemacht wird.
In diesem spezifischen Fall bestätigte das Landgericht Berlin die Rechtmäßigkeit der Eigenbedarfskündigung und unterstrich damit die Wichtigkeit der Beweisführung und Argumentation in mietrechtlichen Streitigkeiten.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was ist eine Eigenbedarfskündigung?
Eine Eigenbedarfskündigung ist eine spezielle Form der Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Vermieter die bisher vermietete Wohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder für Personen, die zu seinem Haushalt gehören, benötigt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Deutschland regelt in § 573 Abs. 2 Nr. 2, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs möglich ist, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Für eine rechtlich wirksame Eigenbedarfskündigung müssen bestimmte formelle und inhaltliche Anforderungen erfüllt sein. Dazu gehört, dass der Vermieter im Kündigungsschreiben den Eigenbedarf konkret begründet. Er muss angeben, für welche Person der Eigenbedarf besteht und einen konkreten Sachverhalt darlegen, auf den das berechtigte Interesse dieser Person gestützt wird. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzestextes oder eine allgemeine Behauptung des Eigenbedarfs ohne konkrete Begründung ist nicht ausreichend.
Es gibt viele mögliche Gründe für eine Eigenbedarfskündigung, wie beispielsweise den Bedarf der Wohnung für den Vermieter selbst, für Familienangehörige oder für eine zu seinem Haushalt gehörende Person wie eine Pflegekraft. Der Vermieter muss den Eigenbedarf nachweisen können, und die Gründe für den Eigenbedarf müssen bereits im Kündigungsschreiben ausführlich erläutert werden. Eine nachträgliche Ergänzung der Gründe ist nicht zulässig.
Eine Eigenbedarfskündigung ist jedoch nicht in jedem Fall zulässig. So ist eine sogenannte Vorratskündigung, bei der der Eigenbedarf lediglich möglich erscheint, aber noch nicht sicher ist, immer unwirksam. Zudem kann der Mieter Widerspruch gegen die Kündigung einlegen, wenn diese für ihn eine unzumutbare Härte darstellen würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Falls der Vermieter den Eigenbedarf nur vortäuscht, um den Mieter aus der Wohnung zu bekommen, und sich später herausstellt, dass kein tatsächlicher Eigenbedarf bestand, stehen dem Mieter Schadensersatzansprüche zu.
Wie wird die Unerfahrenheit eines Mieters im Kontext einer Eigenbedarfskündigung bewertet?
Die Unerfahrenheit eines Mieters kann im Kontext einer Eigenbedarfskündigung relevant werden, wenn es um die Bewertung von möglicherweise sittenwidrigen oder ausbeuterischen Verhaltensweisen des Vermieters geht. Im Mietrecht ist es grundsätzlich so, dass alle Parteien, also sowohl Mieter als auch Vermieter, ihre Rechte und Pflichten kennen und diese im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ausüben sollten.
Wenn ein Vermieter beispielsweise die Unerfahrenheit eines Mieters ausnutzt, um eine Eigenbedarfskündigung durchzusetzen, die nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht, könnte dies als sittenwidrig oder ausbeuterisch angesehen werden. Unerfahrenheit kann sich auf einen Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung beziehen, sodass der Mieter gegenüber dem Durchschnittsmenschen benachteiligt ist.
In der Praxis bedeutet das, dass ein Mieter, der aufgrund seiner Unerfahrenheit die Tragweite einer Eigenbedarfskündigung nicht vollständig erfassen kann, möglicherweise besonderen Schutz genießen könnte. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der Vermieter versucht, den Mieter durch eine nicht gerechtfertigte Eigenbedarfskündigung aus der Wohnung zu drängen oder wenn der Mieter nicht in der Lage ist, seine Rechte im Falle einer solchen Kündigung angemessen zu verteidigen.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Unerfahrenheit eines Mieters allein nicht automatisch dazu führt, dass eine Eigenbedarfskündigung unwirksam ist. Die Kündigung muss immer noch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und der Vermieter muss den Eigenbedarf nachweislich begründen können. Wenn ein Mieter Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer erhaltenen Eigenbedarfskündigung hat, sollte er sich fachkundigen Rat einholen, um seine Situation und seine Rechte zu klären.
Welche Rolle spielen widersprüchliche Aussagen im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung?
Widersprüchliche Aussagen des Vermieters im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung können erhebliche Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit und damit auf die Wirksamkeit der Kündigung haben. Ein zentrales Element bei der Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung durch die Gerichte ist der Nachweis des Nutzungswillens des Vermieters. Wenn der Vermieter widersprüchliche Angaben macht, insbesondere bezüglich seiner Absichten hinsichtlich der Nutzung der Wohnung, kann dies ernsthafte Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Nutzungswillens aufwerfen.
Ein konkretes Beispiel hierfür ist ein Fall, in dem der Kläger widersprüchliche Angaben bezüglich seiner Verkaufsabsichten der Wohnung machte. Solche Widersprüche können dazu führen, dass Gerichte die Glaubwürdigkeit des Vermieters in Frage stellen und somit die Kündigung als unbegründet ansehen. Das Gericht prüft in solchen Fällen eingehend, ob die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung tatsächlich erfüllt sind. Ohne einen glaubhaften und konsistenten Nutzungswillen kann die Kündigung unwirksam sein.
Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung widersprüchlicher Aussagen findet sich in einem Fall, der vor dem Landgericht Berlin verhandelt wurde. Hier machten der Eigentümer und sein Sohn widersprüchliche Angaben, was dazu führte, dass das Gericht die Räumungsklage wegen der Widersprüche abwies. Die Unfähigkeit, einen typischen Tagesablauf in der angeblich gemeinsam bewohnten Wohnung detailreich zu schildern, untergrub die Glaubwürdigkeit des behaupteten Eigenbedarfs.
Diese Beispiele unterstreichen, dass die Konsistenz und Glaubwürdigkeit der Aussagen des Vermieters von entscheidender Bedeutung sind. Widersprüchliche Aussagen können die Rechtsposition des Vermieters erheblich schwächen und dazu führen, dass eine Eigenbedarfskündigung als rechtlich unwirksam angesehen wird. Für Mieter bietet dies eine gewisse Sicherheit, da es zeigt, dass Gerichte die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung genau prüfen und die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens des Vermieters bewerten.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 522 Abs. 2 ZPO: Regelung zur Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit. Im Kontext des Urteils wurde die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts auf dieser Grundlage zurückgewiesen.
- § 97 Abs. 1 ZPO: Bestimmung zur Kostenpflicht im Falle des Unterliegens. Dieser Paragraph wurde angewendet, um die Beklagten als Gesamtschuldner zur Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens zu verpflichten.
- § 708 Nr. 10 ZPO: Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils ohne Sicherheitsleistung. Aufgrund dieses Paragraphen ist das Urteil des Amtsgerichts vorläufig vollstreckbar erklärt worden.
- §§ 47, 48 GKG: Vorschriften zur Bestimmung des Streitwerts in gerichtlichen Verfahren. Diese Paragraphen wurden herangezogen, um den Streitwert für das Berufungsverfahren festzusetzen.
- BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu Eigenbedarfskündigungen (nicht spezifisch im Text genannt, aber für den Kontext relevant): Regelt die Voraussetzungen, unter denen Vermieter Mietverhältnisse wegen Eigenbedarfs kündigen können. Im vorliegenden Fall war die Zulässigkeit einer Eigenbedarfskündigung der zentrale Streitpunkt.
- Hinweis auf mangelnde „substantiiert vorgetragene und rechtserheblich bestrittene entscheidungserhebliche Tatsachen“: Obwohl nicht direkt ein Paragraph, zeigt dieser Hinweis die Wichtigkeit der Beweisführung und substantiierten Argumentation im gerichtlichen Verfahren. Im Urteil wird betont, dass der Sachvortrag der Beklagten diese Anforderungen nicht erfüllt.
Das vorliegende Urteil
LG Berlin – Az.: 66 S 38/23 – Beschluss vom 09.11.2023
In dem Rechtsstreit (…) hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 66 – am 09.11.2023 beschlossen:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg vom 17.01.2023, Aktenzeichen 13 C 104/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 45.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg vom 17.01.2023 Bezug genommen. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg vom 17.01.2023, Aktenzeichen 13 C 104/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen. zum Hinweisbeschluss ist lediglich anzumerken, dass sich darin (wie aus dem Kontext erkennbar) ein sinnentstellender Schreibfehler eingeschlichen hat, weil es in der 1. Zeile auf Seite 2 anstelle des Wortes „unwiderlegliche Vermutung“ richtigerweise „widerlegliche Vermutung“ heißen musste. Wie die dann folgenden Ausführungen im Hinweisbeschluss zeigen, ist die Kammer davon auch tatsächlich ausgegangen, denn nachfolgend hat sie untersucht (und verneint), ob der durch die Nichtrealisierung des Eigenbedarfs begründete Eindruck zulasten der Beklagten durch plausible und nachvollziehbare Darstellungen der Hintergründe von ihrer Seite beseitigt oder jedenfalls erschüttert worden ist. Daran fehlte (und fehlt) es.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Ein Gehörsverstoß der Kammer steht nicht im Raum. Das rechtliche Gehör erfordert es nicht, dass das Gericht Zeugen vernimmt (oder andere Beweismittel auswertet), obwohl der Sachvortrag keine substantiiert vorgetragenen und rechtserheblich bestrittenen entscheidungserheblichen Tatsachen bietet. Ob also der von den Beklagten angeführte Zeuge aussagen möchte, ist prozessual nicht erheblich. Die Erwägungen der Kammer aus dem Hinweisbeschluss beruhen auch nicht darauf, wie sich der angebotene Zeuge verhalten hat oder wie dessen tatsächliche Verhältnisse und Planungen zu welcher genauen Zeit gewesen sind. Diese Fragen konnte schon das Amtsgericht nicht beantworten (und hat es auch nicht getan), weil es den entsprechenden Darstellungen der Beklagten nicht nachgegangen ist (und prozessual auch nicht nachgehen musste). Nichts anderes gilt in 2. Instanz für die Berufungskammer. Der entscheidende Grund für diese Verfahrensweise liegt im Vortrag der Beklagten. Auch im Lichte der Gegenerklärung hält die Kammer daran fest, dass dieses Vorbringen in grober Weise wechselhaft und widersprüchlich ist, wozu grundsätzlich erneut auf die mit teilweise wörtlichem Zitat im amtsgerichtlichen Urteil angeführten Umstände Bezug genommen werden kann.
Die Beklagten zeigen sich in der Gegenerklärung mit Vehemenz über die Annahme erstaunt, dass im Ausgangspunkt eine Unerfahrenheit der (zur Zeit der Kündigung gerade 18 Jahre alten) Bedarfsperson vorgelegen und naheliegende Zweifel an der Fähigkeit zu einem eigenständigen Leben in einer mehr als 130 qm großen Wohnung begründet gewesen sein könnten. Der Sohn des Beklagten zu 1 soll nun seit seinem 16. Lebensjahr einen umfassend selbst verantworteten eigenen Hausstand geführt haben. Die daran geknüpfte Frage, wie das Amtsgericht (und ihm folgend die Kammer) auf gegenteilige Annahmen verfallen kann, kann am deutlichsten mit der bereits im angefochtenen Urteil angeführten Passage aus dem Sachvortrag der Beklagten selbst beantwortet werden. Im Schriftsatz vom 13.06.2022 heißt es (u.a.) insoweit wörtlich:
„…Hatte er sich, solange die konkrete Situation des Umzuges noch nicht bevorstand, sicher gefühlt, die Herausforderungen die eine eigenständige Lebensführung in einer Vierzimmerwohnung an ihn herangetragen hätte (…) zu meistern, so bröckelte diese Zuversicht zunehmend (…). Der Zeuge XXX „trainiert“ ein selbstständiges Wohnen nunmehr in einer Einzimmerwohnung, um sich die notwendige Selbstständigkeit anzueignen (…)“.
Kein günstigeres Bild ergeben die Ausführungen betreffend die mangelnde Kenntnis und eigene Anschauung der Bedarfsperson von der vorgeblich für den Sohn frei gekündigten Wohnung. In der nun vorgelegten Gegenerklärung wollen die Beklagten glauben machen, eine solche Kenntnis des Sohnes habe sehr wohl vorgelegen, denn der Beklagte zu 1 habe beim Ankauf der Wohnung ein umfangreiches Video über jedes Zimmer angefertigt und dieses dem Sohn vorgeführt, um auf dieser Grundlage alles mit ihm zu besprechen.
In einem erneut nicht erklärlichen (und von den Beklagten nicht erklärten) deutlichen Widerspruch dazu hat der Beklagte zu 1 (im Termin beim Amtsgericht am 06.12.2022 persönlich angehört) zu gerichtlichem Protokoll erklärt:
„…Ich war mit meinem Sohn nach dem Auszug der Klägerin in der Wohnung. Dann hat er kalte Füße bekommen und sah sich mit der Wohnung überfordert. (…) Vor dem Besuch in der Wohnung hat mein Sohn da keine Bedenken geäußert, das hat er offenbar erst gemerkt als er in der Wohnung war. Er war vorher noch nicht in der Wohnung und kannte sie nicht. Mein Sohn hatte vorher eine Einzimmerwohnung, in der er immer noch wohnt. (…) als ich ihm gesagt habe, dass ich eine größere Wohnung für ihn und seine damalige Freundin habe, hat er sich sehr gefreut…“.
Auf ausdrückliche weitere Fragen gab der Beklagte zu 1 weiter an:
„…Ich habe meinem Sohn vorher Fotos von der Wohnung gezeigt und ihm die Anzahl der Zimmer mitgeteilt….“.
Die Kammer hat (nicht zuletzt erneut durch die Inhalte der Gegenerklärung) den Eindruck gewonnen, dass die Unvereinbarkeiten und Widersprüche im Vortrag der Beklagten darauf zurückzuführen sind, dass das tatsächliche Vorbringen in nicht unerheblichen Umfang aus nachträglich gesuchten Ausflüchten besteht. Für die Kammer bleibt es danach dabei, dass das Amtsgericht den Vortrag der Beklagten überzeugend gewürdigt und die Entscheidungen zum Verfahren und zur Sache zutreffend gefällt hat. Ein Grund für eine Beanstandung oder gar eine Abänderung des Urteils besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.