Skip to content
Menu

Bruttomiete – Umstellung Nettomiete mit anderen Betriebskostenvorschüssen

Mietrechtliche Auseinandersetzung: Bruttomiete versus Nettomiete

In einem aktuellen Fall, der vor dem Landgericht Berlin verhandelt wurde, ging es um die rechtliche Zulässigkeit der einseitigen Umstellung von Bruttomiete auf Nettomiete durch den Vermieter. Dieser Sachverhalt wirft ein Licht auf die komplexe Materie des Mietrechts und die Frage, inwieweit Vermieter ihre Rechte ausdehnen können, ohne die Interessen der Mieter zu verletzen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 63 S 218/21 >>>

Die Kernproblematik: Einseitige Änderung der Mietzinsstruktur

Der Beklagte legte Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Schöneberg ein, welches am 10. September 2021 verkündet wurde. Die Kläger argumentierten, dass sie ein Feststellungsinteresse bezüglich der Änderungserklärungen und der unterschiedlichen Auffassungen zur Anlage des Mietvertrags hätten. Das Hauptproblem lag in der Frage, ob ein Recht zur einseitigen Änderung der Mietzinsstruktur wirksam begründet worden war.

Rechtliche Grundlagen und ihre Interpretation

Die Vereinbarung, die dem Vermieter das Recht einräumte, die Mietzinsstruktur einseitig zu ändern, wurde als unwirksam erachtet. Dies basierte auf dem damals gültigen § 10 in Verbindung mit § 4 MHG a.F. Eine solche einseitige Änderung könnte den Mieter benachteiligen, da er bei einer Umstellung von Bruttokaltmiete auf Nettokaltmiete mit einer höheren Gesamtmiete rechnen müsste. Bei einer Nettokaltmiete kann der Vermieter alle anfallenden Betriebskosten abrechnen, während bei einer Bruttokaltmiete die Gesamtmiete festgelegt bleibt.

Einfluss von AGB und vorherigen Zustimmungen

Ein weiterer strittiger Punkt war die Frage, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder eine „vorsorgliche“ Zustimmung der Mieter zur Umstellung der Mietzinsstruktur eine Rolle spielen würden. Das Gericht entschied, dass solche Zustimmungen den Charakter der Regelung nicht ändern würden und die einseitige Befugnis des Vermieters zur Umstellung der Mietzinsstruktur nicht rechtfertigen könnten.

Schlussbetrachtung und Urteil

Das Landgericht Berlin bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg und wies die Berufung des Beklagten zurück. Es wurde festgestellt, dass die einseitige Änderung der Mietzinsstruktur durch den Vermieter nicht zulässig ist und die Mieter in diesem Fall nicht benachteiligt werden dürfen. Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit des Schutzes der Mieterrechte und setzt klare Grenzen für die Handlungsfähigkeit der Vermieter im Mietrecht.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 63 S 218/21 – Urteil vom 07.03.2023

1.1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. September 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 5 C 61/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 15.361,08 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte die Abweisung der Klage weiter.

II.

Bruttomiete – Umstellung Nettomiete mit anderen Betriebskostenvorschüssen
Eine einseitige Umstellung der Mietzinsstruktur durch den Vermieter ist nicht zulässig. Das Landgericht Berlin betont den Schutz der Mieterrechte und setzt Grenzen für Vermieter (Symbolfoto: MIND AND I /Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Die Kläger haben ein Feststellungsinteresse für beide Anträge aufgrund der Änderungserklärungen und der unterschiedlichen Auffassungen der Parteien zu Ziffer 4 der Anlage zum Mietvertrag.

Beide Feststellungsanträge sind ferner begründet, da ein Recht zur einseitigen Änderung der Mietzinsstruktur nicht wirksam begründet worden ist.

Die Vereinbarung eines Vorbehalts zur einseitigen Änderung der Mietzinsstruktur durch den Vermieter in Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag war bereits bei ihrem Abschluss gemäß dem seinerzeit gültigen § 10 in Verbindung mit § 4 MHG a.F. unwirksam. Gemäß § 10 Abs. 1 MHG waren Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von den Vorschriften der §§ 1 bis 9 MHG abweichen, unwirksam, soweit nicht eine Zustimmung zur Mieterhöhung im Einzelfall vorlag.

§ 4 MHG sah vor, dass Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart werden müssen. Dies steht der vorliegenden einseitigen Umstellung von einer Bruttomiete auf eine Nettomiete nebst Vorschüssen und Bestimmungsrecht hinsichtlich der Vorschusshöhe entgegen (AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 8. April 2002 – 6 C 523/00).

Daneben ergibt sich der Nachteil für den Mieter daraus, dass er bei der Umstellung der Mietzinsstruktur von bruttokalt auf nettokalt mit einer höheren Gesamtmiete rechnen muss (AG Tempelhof/Kreuzberg, a.a.O; AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 20. März 1997 – 509 C 454/96). Bei einer Nettokaltmiete kann nämlich der Vermieter sämtliche angefallenen Betriebskosten abrechnen. Hingegen verbleibt es bei einer Bruttokaltmiete bei der vertraglich vereinbarten oder im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens gerichtlich festgesetzten Gesamtmiete. Eine Benachteiligung des Mieters liegt auch dann vor, wenn man im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens bei einer Bruttokaltmiete zu dem rechnerischen Nettokaltmietwert die konkret anfallenden Betriebskosten hinzurechnen würde. Auch in diesem Falle beinhaltet die in der Anlage zum Mietvertrag getroffene Vereinbarung eine Benachteiligung der Mieter, da der Vermieter im Falle einer Umstellung der Mietzinsstruktur in die Lage versetzt würde, Betriebskostenerhöhungen auch außerhalb von Mieterhöhungsverlangen jederzeit an die Beklagten weiterzugeben, § 560 Abs. 4 BGB. Dementsprechend liegt eine die Beklagten benachteiligende und damit gemäß § 10 MHG unwirksame Vereinbarung vor (AG Hamburg-Blankenese, a.a.O.).

Ferner spricht gegen die Vereinbarung eines Rechts zur einseitigen Änderung der Mietzinsstruktur, dass die Höhe der anschließenden Nettokaltmiete nach Umstellung der Struktur nicht von vornherein feststeht und es somit der Vermieter in der Hand hätte, gesetzeswidrig Einfluss auf die Kappungsgrenze gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 MHG bzw. § 558 Abs. 3 BGB zu nehmen (vgl. LG München I, Urteil vom 24.09.1997 – 14 S 4962/97 -).

Auf das Vorliegen von AGB kommt es danach nicht an.

Entgegen der Auffassung der Berufung ändert es an der Unwirksamkeit der Klausel nichts, dass die Mieter in Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag der zukünftigen Umstellung bereits „vorsorglich“ zugestimmt haben. Zum einen war nicht bestimmt, welchem Inhalt sie zustimmten, da der „dann geltende Betriebskostenvorschuss“ nicht bezeichnet und die Zusammensetzung der geschuldeten Betriebskostenarten nicht geklärt wurde (etwa durch Bezugnahme auf § 4 Nr. 3a des Mietvertrages). Zum anderen ändert sich durch die vorsorgliche Zustimmung nicht der Charakter der Regelung in Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag als Vorbehalt einer einseitigen Befugnis des Vermieters zur Umstellung der Mietzinsstruktur.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich ferner aus der von ihm zitierten Entscheidung BGH, Beschluss vom 23. Februar 2010 – VIII ZR 199/09, nichts Abweichendes.

Zunächst hat der BGH die Möglichkeit einer stillschweigenden Änderung der Mietzinsstruktur, d.h. durch zweiseitige Vereinbarung, bestätigt. Eine solche liegt hier jedoch nicht vor.

Soweit der BGH im Weiteren von der Zulässigkeit eines vertraglichen Vorbehalts zur Umstellung der Mietzinsstruktur ausgeht, so bezieht sich dies allein auf die im dortigen Fall preisgebundene Wohnung und die Anwendbarkeit von § 25b NMV, § 10 WobindG. Entsprechende Vorschriften gibt es jedoch nicht für den – hier vorliegenden – preisfreien Wohnraum.

§ 556a Abs. 2 BGB ist damit nahezu die einzige Ausnahme, derzufolge der Vermieter einseitig die Mietzinsstruktur ändern darf, indem er einen Teil der bisher mit der Bruttomiete abgegoltenen Betriebskosten ausgegliedert und hierfür abzurechnende Vorauszahlungen erhebt, wenn und soweit es sich um eine Umstellung auf neu nach Verbrauch oder Verursachung zu erfassende Betriebskosten handelt.

Klauseln, die den Vermieter berechtigen, bisher mit der Nettomiete abgegoltene Betriebskostenleistungen künftig als Pauschale oder im Wege der Abrechnung auf den Mieter umzulegen, ändern die Mietstruktur und sind nur dann unbedenklich, wenn sie inhaltlich mit § 556a Abs. 2 BGB übereinstimmen, der dem Vermieter den Übergang auf eine verbrauchsabhängige Abrechnung ohne eine Mehrbelastung des Mieters ermöglicht (Bub/Treier MietR-HdB, Kapitel II. Abschluss, Inhalt und Änderung des Mietvertrages Rn. 1195, beck-online).

Die vorliegende Umstellung auf eine Nettokaltmiete nebst Betriebskostenvorauszahlungen betrifft jedoch nicht nur solche Betriebskosten, die nach Verbrauch erfasst werden, sondern soll weitere Betriebskostenarten erfassen. Dies ist nach dem Vorgesagten nicht zulässig.

Eine einmal vereinbarte Mietstruktur ist danach grundsätzlich bindend (Schach/Riecke, Mietrecht, § 4 Der Prozess im Wohnraummietrecht Rn. 181, beck-online). Ausnahmen dazu gibt es lediglich nach

  • § 556a Abs. 2 BGB, der hier nicht einschlägig ist,
  • § 2 HeizkostenV, der mangels Streit um Heizkosten nicht einschlägig ist,
  • § 10 WobindG, der mangels Preisbindung nicht eingreift,
  • § 4 Abs. 4 MHG a.F., der nicht einschlägig ist, da damit seinerzeit der Vermieter eine Direktabrechnung des Mieters mit dem Versorger bestimmen konnte.

Die Änderungserklärung ist unwirksam gemäß § 556a Abs. 3 BGB. Auf die Frage der Rückwirkung des § 556a BGB auf Altverträge kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an, da die Klausel bereits bei Inkrafttreten aufgrund § 10 MHG unwirksam war (s.o.).

Die Vorschrift des § 556a BGB ist durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Sie ist nach Art. 11 Mietrechtsreformgesetz seit dem 1. September 2001 anwendbar. Nach den allgemeinen Grundsätzen bedeutet dies, dass die Vorschrift des § 556a BGB auch auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Mietverhältnisse anzuwenden ist, soweit in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 EGBGB keine anderweitige Regelung getroffen ist (BT-Drucks. 14/4553, S. 75; Staudinger/Weitemeyer, aaO Rn. 5, § 549 Rn. 10 f.). Da der Gesetzgeber zu § 556a Abs. 2 BGB – anders als in Art. 229 § 3 Abs. 4 EGBGB zu § 560 BGB – keine besondere Übergangsvorschrift geschaffen hat, verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Die Vorschrift des § 556a Abs. 2 BGB ist somit seit Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1. September 2001 uneingeschränkt anwendbar (BGH, Versäumnisurteil vom 21. September 2011 – VIII ZR 97/11).

Laut BGH (Versäumnisurteil vom 21. September 2011 – VIII ZR 97/11) hat der Vermieter das Recht auch im Hinblick auf laufende Altverträge aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Vorschrift eine einseitige Mietstrukturänderung vorzunehmen, freilich nur gemäß § 556a Abs. 2 BGB hin zu einer verbrauchsabhängigen Abrechnung, um die es hier jedoch nicht geht. Aus der von dem Beklagten in Bezug genommenen BT-Drucks ergibt sich nichts Abweichendes bzw. diese bestätigt lediglich die vorstehende Auffassung des BGH, soweit es in BT-Drucks. 14/4553, Seite 51, u.a. heißt:“Sie findet aber wie bisher auch dann Anwendung, wenn die Parteien bislang gar keine oder nur eine teilweise gesonderte Umlage der Betriebskosten vereinbart hatten, so zum Beispiel bei einer Brutto- oder Teilinklusivmiete oder bei einer Betriebskostenpauschale.“

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, gemäß 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!