Obwohl die Klagefrist bereits abgelaufen war, gab ein Eigentümer in einer Beschlussanfechtungsklage ein Anerkenntnis für die gesamte Gemeinschaft ab. Damit stand nicht mehr der formale Fehler im Raum, sondern die Frage, ob ein einziges Wort einen ganzen Prozess heilen kann.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Wer vertritt die verwalterlose Zwei-Personen-WEG?
- Wie wird eine verwalterlose WEG vor Gericht vertreten?
- Ist ein Anerkenntnis trotz verfristeter Klage wirksam?
- Kann man ein gerichtliches Anerkenntnis widerrufen?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer vertritt meine Zwei-Personen-WEG ohne Verwalter vor Gericht?
- Ist das gerichtliche Anerkenntnis eines Miteigentümers für die gesamte WEG bindend?
- Wie wird eine Klage an die verwalterlose WEG rechtsgültig zugestellt?
- Kann ich ein Anerkenntnis im WEG-Prozess wegen Irrtums oder mangelnder Beratung widerrufen?
- Kann ich mich auf eine verfristete Anfechtungsklage berufen, wenn der Anspruch anerkannt wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 2-13 S 71/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
- Datum: 04.12.2025
- Aktenzeichen: 2-13 S 71/25
- Verfahren: Berufung in einer Beschlussanfechtungsklage
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestand nur aus zwei Eigentümern und hatte keinen Verwalter. Die nicht klagende Eigentümerin erkannte in der Verhandlung den Anspruch der Gegenseite an. Später rügte die Gemeinschaft, diese Eigentümerin sei gar nicht zur Vertretung befugt gewesen.
- Die Rechtsfrage: Darf der eine Eigentümer eine verwalterlose Zwei-Personen-Gemeinschaft umfassend vor Gericht vertreten und bindende Entscheidungen treffen? Und ist ein solches Anerkenntnis ungültig, wenn die ursprüngliche Klage zu spät eingereicht wurde?
- Die Antwort: Nein, die Berufung wurde abgewiesen. Die nicht klagende Miteigentümerin war vertretungsberechtigt und das abgegebene Anerkenntnis ist wirksam und bindend. Ein Anerkenntnis kann nicht wegen der Fristversäumnis der eigentlichen Klage oder wegen Irrtums widerrufen werden.
- Die Bedeutung: Das Urteil bestätigt die weitreichende Vertretungsbefugnis des verbleibenden Eigentümers in einer verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaft. Ein gerichtliches Anerkenntnis ist eine reine Prozesshandlung und entfaltet seine Bindungswirkung unabhängig davon, ob die Klage inhaltlich verfristet oder unbegründet gewesen wäre.
Hier ist die Analyse des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, aufbereitet als verständlicher Rechtsartikel.
Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 04.12.2025 – Aktenzeichen 2-13 S 71/25
Wer vertritt die verwalterlose Zwei-Personen-WEG?
Konflikte in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) sind oft zermürbend, doch wenn die Gemeinschaft nur aus zwei Parteien besteht, wird es besonders kompliziert. Wenn sich diese beiden Eigentümer streiten und kein externer Verwalter existiert, stellt sich sofort die Frage: Wer nimmt die Post an und wer spricht für die Gemeinschaft vor Gericht? Genau diese Konstellation musste das Landgericht Frankfurt am Main klären.

Der Fall drehte sich um eine verwalterlose Zwei-Personen-WEG. Eine Eigentümerin klagte gegen die Gemeinschaft (GdWE), um einen Beschluss über die Jahresabrechnung anzufechten. Der Streitwert lag bei knapp 14.000 Euro. Da die klagende Eigentümerin sich nicht selbst verklagen kann, musste die andere Eigentümerin die Gemeinschaft vertreten. Was folgte, war eine Kette von Missverständnissen: Eine chaotische Zustellung der Klagepost und schließlich ein Gerichtstermin, in dem die vertretende Eigentümerin den Anspruch der Klägerin sofort anerkannte. Später bereute die Gemeinschaft dieses „Ja“ und legte Berufung ein. Sie argumentierte, die Vertretung sei unbefugt gewesen, die Klage sei eigentlich verfristet und die Zustellung fehlerhaft. Das Gericht musste entscheiden, ob das einmal gegebene „Ja“ (das Anerkenntnis) bindend bleibt.
Wie wird eine verwalterlose WEG vor Gericht vertreten?
Um diesen Fall zu verstehen, muss man zwei juristische Mechanismen kennen: die sogenannte „Kupierte Gesamtvertretung“ und die Heilung von Zustellungsmängeln. Normalerweise wird eine WEG durch ihren Verwalter vertreten (§ 9b WEG). Gibt es keinen, vertreten alle Eigentümer gemeinsam. Wenn aber ein Eigentümer die WEG verklagt, kann er nicht gleichzeitig auf der Beklagtenseite stehen. Er ist in seiner Vertretungsmacht beschränkt.
Hier greift die Rechtsfigur der kupierten Gesamtvertretung. Das bedeutet, dass die übrigen Eigentümer – in einer Zweier-WG also der eine verbleibende Miteigentümer – die Gemeinschaft allein vertreten. Dazu bedarf es keines formellen Beschlusses der Versammlung; diese Befugnis ergibt sich direkt aus dem Gesetz, um die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft zu sichern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist § 189 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dieser Paragraph ist pragmatisch: Er besagt, dass ein Dokument, das formell falsch zugestellt wurde, in dem Moment als wirksam zugestellt gilt, in dem es dem Empfänger tatsächlich zugeht. Das Gesetz stellt hier die Realität über die Formalität.
Ist ein Anerkenntnis trotz verfristeter Klage wirksam?
Das Herzstück der Entscheidung des Landgerichts ist die Analyse, warum die Gemeinschaft aus der Nummer nicht mehr herauskam. Die Kammer musste prüfen, ob die verfahrensrechtlichen Fehler schwerwiegend genug waren, um das Anerkenntnisurteil zu kippen.
War die Zustellung im falschen Briefkasten gültig?
Der erste Angriffspunkt der Berufung war die Zustellung der Klage. Der Postbote hatte den Namen der Klägerin übersetzt und die Post für die Gemeinschaft versehentlich in den Briefkasten der Klägerin statt der vertretenden Miteigentümerin geworfen. Die Klägerin fischte den Brief heraus und warf ihn eigenhändig in den Briefkasten ihrer Nachbarin (der Vertreterin). Das Gericht urteilte hier sehr lebensnah. Zwar war die ursprüngliche Zustellung an einen längst abberufenen Verwalter unwirksam und auch der Einwurf beim Kläger falsch. Da aber feststand, dass die vertretende Miteigentümerin die Dokumente am Ende tatsächlich in den Händen hielt, griff § 189 ZPO. Der Mangel wurde geheilt. Ob der Briefumschlag dabei schon geöffnet war oder nicht, spielte für das Gericht keine Rolle. Entscheidend war allein der tatsächliche Zugang. Damit war die Klage rechtshängig.
Darf ein Miteigentümer ohne Beschluss die WEG vertreten?
Ein weiteres Argument der Beklagtenseite war, dass die vertretende Eigentümerin gar nicht befugt gewesen sei, für die WEG zu sprechen, da es keinen expliziten Ermächtigungsbeschluss gab und ihr die juristische Sachkunde fehle. Das Landgericht erteilte dieser Ansicht eine klare Absage. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. BGH NJW 2022, 3577) stellten die Richter klar, dass in einer verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaft der andere Eigentümer „automatisch“ vertretungsbefugt ist. Besondere Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich. Wer die Macht hat, die Gemeinschaft zu vertreten, darf auch prozessuale Handlungen vornehmen – inklusive eines Anerkenntnisses. Dass die Vertreterin vielleicht nicht wusste, was sie tat, ändert nichts an ihrer rechtlichen Macht, es zu tun.
Schadet die Versäumung der Klagefrist dem Anerkenntnis?
Der wohl spannendste Punkt betraf die Frist. Beschlussanfechtungsklagen müssen innerhalb eines Monats erhoben werden (§ 45 WEG). Die Beklagte argumentierte, die Klage sei verfristet gewesen und hätte daher abgewiesen werden müssen; ein Anerkenntnis könne diesen materiellen Fehler nicht heilen. Das Gericht sah das anders. Ein Anerkenntnis ist eine reine Prozesshandlung. Wenn eine Partei sagt „Ich erkenne den Anspruch an“, dann beendet sie den Streit über die Fakten. Das Gericht muss dann nicht mehr prüfen, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder ob Fristen versäumt wurden. Selbst wenn die Klage bei einer normalen Prüfung wegen der Fristversäumnis abgewiesen worden wäre, „überschreibt“ das Anerkenntnis diesen Mangel. Die Partei unterwirft sich dem Anspruch freiwillig – mit allen Konsequenzen.
Kann man ein gerichtliches Anerkenntnis widerrufen?
Die Konsequenz dieses Urteils ist hart, aber eindeutig: Ein einmal abgegebenes prozessuales Anerkenntnis ist in der Regel unumstößlich. Das Landgericht bestätigte die strenge Linie des Bundesgerichtshofs. Ein Widerruf wegen Irrtums („Ich wusste nicht, dass die Klage verfristet war“) ist nicht möglich.
Die Rechtslage ist nun so, dass ein Anerkenntnis nur in extremen Ausnahmefällen beseitigt werden kann, etwa wenn ein Restitutionsgrund nach § 580 ZPO vorliegt – das wäre zum Beispiel der Fall, wenn das Anerkenntnis durch eine Straftat wie Erpressung oder Betrug erwirkt worden wäre. Bloße Reue, mangelnde anwaltliche Beratung im ersten Termin oder die späte Erkenntnis, dass man den Prozess eigentlich hätte gewinnen können, reichen nicht aus. Für Wohnungseigentümer in kleinen Gemeinschaften bedeutet dies: Wer für die WEG im Gerichtssaal steht, trägt die volle Verantwortung. Ein „Ja“ vor dem Richter ist so bindend wie ein Urteil.
Streit in Ihrer Eigentümergemeinschaft?
Gerade in kleinen Eigentümergemeinschaften kann ein unbedachter Schritt vor Gericht weitreichende finanzielle Folgen haben, wie das Urteil zeigt. Unsere Rechtsanwälte analysieren Ihre Situation, klären die Vertretungsbefugnis und entwickeln eine Strategie, um Ihre Interessen wirksam zu schützen. Vermeiden Sie kostspielige Fehler, bevor sie passieren.
Experten Kommentar
Aus der Praxis kenne ich diese Situation nur zu gut: Der Richter fragt im Termin eindringlich, ob der Anspruch nicht eigentlich berechtigt sei, und der juristische Laie fühlt sich unter Druck gesetzt. Genau hier passiert der entscheidende Fehler. Viele nicken das ab, um „kooperativ“ zu wirken, ohne zu ahnen, dass ein prozessuales Anerkenntnis viel schärfer wirkt als ein bloßes Schweigen. Wäre die Beklagte hier einfach passiv geblieben, hätte das Gericht die Fristversäumnis von Amts wegen prüfen müssen. Mein Rat für solche „Alleingänge“: Im Zweifel lieber gar nichts sagen oder eine Vertagung erbitten, statt vorschnell „Ja“ zu rufen – denn dieses eine Wort heilt oft Fehler der Gegenseite, die man sonst hätte nutzen können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer vertritt meine Zwei-Personen-WEG ohne Verwalter vor Gericht?
Wenn Sie als Eigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) verklagen, übernimmt der verbleibende zweite Eigentümer automatisch die gerichtliche Vertretung. Diese gesetzliche Regelung gewährleistet die Handlungsfähigkeit der WEG, auch wenn kein Verwalter bestellt ist. Richter nennen dieses Prinzip die kupierte Gesamtvertretung, da die Vertretungsmacht des Klägers für diesen spezifischen Prozess entfällt.
Die Vertretungsmacht ergibt sich unmittelbar aus dem Wohnungseigentumsgesetz; dafür ist kein formaler Beschluss der Eigentümerversammlung nötig. Normalerweise vertreten alle Eigentümer eine verwalterlose WEG gemeinsam. Sobald jedoch ein Eigentümer als Kläger ausscheidet, tritt der verbleibende Miteigentümer kraft Gesetzes in die volle Vertretungsmacht ein. Diese Mechanik sichert, dass die Gemeinschaft (GdWE) vor Gericht stets handlungsfähig bleibt.
Die juristische Sachkunde des vertretenden Miteigentümers spielt für die Wirksamkeit der Vertretung keine Rolle. Wer die Macht besitzt, die Gemeinschaft zu vertreten, darf alle prozessualen Handlungen vornehmen. Dies schließt weitreichende Entscheidungen wie ein Anerkenntnis des Anspruchs oder den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit ein. Die gesetzliche Vertretung verschafft Ihnen volle Prozessmacht.
Erhalten Sie als Vertreter die Klagepost, dokumentieren Sie sofort das Datum und den Klagegrund und suchen Sie unverzüglich einen Fachanwalt für WEG-Recht auf.
Ist das gerichtliche Anerkenntnis eines Miteigentümers für die gesamte WEG bindend?
Ja, das Anerkenntnis eines vertretungsbefugten Miteigentümers ist für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft unumstößlich bindend. Dieser juristische Akt gilt als finale Prozesshandlung. Er beendet den Rechtsstreit sofort und unwiderruflich, selbst wenn das „Ja“ versehentlich oder aus Unkenntnis erfolgte. Ein nachträglicher Widerruf wegen Irrtums ist praktisch ausgeschlossen.
Das Anerkenntnis ist juristisch betrachtet eine vollständige Unterwerfung unter den gegnerischen Anspruch. Wenn der Vertreter der WEG diesen Schritt einmal geht, muss das Gericht den Sachverhalt nicht mehr materiell prüfen. Die Vertretungsmacht, die dem Miteigentümer im Prozess zusteht, beinhaltet automatisch das Recht, solche weitreichenden Handlungen vorzunehmen. Die Gerichte stellen klar, dass die juristische Tragweite oder ein mangelnder Sachverstand des Vertreters für die Gültigkeit des Anerkenntnisses keine Rolle spielen.
Das resultierende Urteil wird durch diesen Akt sofort rechtskräftig, wodurch es keinen regulären Weg zurück in den Prozess gibt. Die einzige juristische Möglichkeit zur Beseitigung ist der extrem seltene Restitutionsgrund nach § 580 ZPO. Dies setzt eine schwere Straftat voraus, beispielsweise dass das Anerkenntnis durch Nötigung, Erpressung oder Betrug des Gegners erwirkt wurde. Bloße Reue oder die späte Erkenntnis eines vermeidbaren Prozessfehlers reichen dafür definitiv nicht aus.
Wenn Sie von einem Anerkenntnis betroffen sind, prüfen Sie sofort minutiös, ob Beweise für eine Straftat vorliegen, da dies der einzige juristische Angriffspunkt bleibt.
Wie wird eine Klage an die verwalterlose WEG rechtsgültig zugestellt?
Viele Eigentümer, die Klagepost über Umwege erhalten, hoffen, dass formelle Zustellfehler die Klage unwirksam machen. Die Regelung in der Zivilprozessordnung ist hier jedoch sehr pragmatisch. Eine Klage gilt als rechtsgültig und wirksam zugestellt, sobald die zur Vertretung befugte Person das Dokument tatsächlich in den Händen hält. Fehler in der Zustellung werden durch diesen tatsächlichen Zugang geheilt, wie es § 189 ZPO vorschreibt.
Der Gesetzgeber priorisiert die Kenntnisnahme des Inhalts über die Einhaltung formaler Zustellvorschriften. Das Dokument muss den Empfänger lediglich erreichen, damit der Mangel der fehlerhaften Zustellung geheilt wird. Dies betrifft auch massive formelle Fehler, wie die versehentliche Zustellung in den Briefkasten des Klägers selbst. Der genaue Weg, den das Schriftstück nimmt – ob durch den Postboten oder den Kläger – ist unerheblich. Entscheidend ist allein der physische Besitz des Papiers durch den Vertreter der WEG.
Mit diesem Zugang gilt die Klage sofort als rechtshängig und bindend. In diesem Moment beginnt die Notfrist zur Klageerwiderung sofort zu laufen. Es wäre ein folgenschwerer Irrglaube, sich auf die formale Unwirksamkeit der ursprünglichen Zustellung zu verlassen und die Fristen zu ignorieren. Nehmen wir an: Die Klagepost wurde fälschlicherweise beim Kläger eingeworfen, der sie anschließend selbst an den Vertreter weiterleitete; die Frist begann mit dieser Weiterleitung.
Wenn Sie als Vertreter die Klagepost erhalten, dokumentieren Sie das genaue Datum und die Uhrzeit des physischen Eingangs in Ihren Händen, da dies der juristisch relevante Startpunkt für alle gerichtlichen Fristen ist.
Kann ich ein Anerkenntnis im WEG-Prozess wegen Irrtums oder mangelnder Beratung widerrufen?
Ein einmal vor Gericht abgegebenes gerichtliches Anerkenntnis ist juristisch betrachtet unumstößlich und kann nicht widerrufen werden. Selbst wenn Sie den Anspruch aus Unwissenheit oder Reue anerkennen, bleibt das „Ja“ bindend wie ein Urteil. Mangelnde anwaltliche Beratung oder ein nachträglich erkannter Irrtum spielen dabei keine Rolle. Die juristische Reue ist für das Verfahren bedeutungslos.
Der Widerruf eines Anerkenntnisses aufgrund von Irrtum oder der späten Erkenntnis eigener Siegchancen ist kategorisch ausgeschlossen. Das Landgericht bestätigte die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Prozesshandlung. Sobald die Erklärung vor dem Richter abgegeben wurde, manifestiert sie die vollständige Unterwerfung unter den gegnerischen Anspruch. Dies beendet den Rechtsstreit sofort und ersetzt die materielle Prüfung durch das Gericht vollständig.
Eine Beseitigung dieses bindenden Urteils kommt nur in extrem seltenen Fällen in Betracht. Konkret: Das Anerkenntnis muss durch einen sogenannten Restitutionsgrund nach § 580 ZPO erwirkt worden sein. Hierzu zählt zum Beispiel, wenn eine Straftat wie Betrug, Nötigung oder Erpressung kausal für die Abgabe des Anerkenntnisses war. Die fehlende juristische Sachkunde des vertretenden Miteigentümers ist jedoch unerheblich für die Gültigkeit der Handlung.
Vermeiden Sie in einem Rechtsstreit einen Alleingang und lassen Sie Prozesshandlungen immer von einem Fachanwalt für WEG-Recht prüfen.
Kann ich mich auf eine verfristete Anfechtungsklage berufen, wenn der Anspruch anerkannt wurde?
Nein, Sie können diesen Einwand nachträglich nicht mehr geltend machen. Obwohl die Beschlussanfechtungsklage zwingend innerhalb der Monatsfrist nach § 45 WEG erfolgen muss, „überschreibt“ ein gerichtliches Anerkenntnis diesen materiellen Fehler vollständig. Das Anerkenntnis gilt als finale Prozesshandlung, welche die weitere juristische Prüfung des Rechtsstreits sofort beendet.
Das Anerkenntnis führt im Prozess zu einer sogenannten prozessualen Sperre. Indem die beklagte Gemeinschaft den Anspruch des Klägers annimmt, verzichtet sie implizit auf alle ihr zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel. Dazu gehört die Argumentation, dass die Klage wegen Versäumung der gesetzlichen Monatsfrist hätte abgewiesen werden müssen. Das Gericht muss nach Abgabe dieses Willensaktes die materielle Begründetheit des Anspruchs oder die Einhaltung der Fristen nicht mehr prüfen.
Dieses Vorgehen manifestiert die freiwillige Unterwerfung unter den geltend gemachten Anspruch. Die vertretene WEG übernimmt damit die volle Verantwortung für diese weitreichende Prozesshandlung. Selbst wenn die Klagefrist objektiv verpasst wurde und die Klage bei einer normalen Verhandlung gescheitert wäre, neutralisiert das Anerkenntnis diesen Mangel. Versuche, das Anerkenntnis nachträglich wegen der verfristeten Klage für unwirksam zu erklären, sind in der Berufung regelmäßig erfolglos.
Prüfen Sie deshalb vor Betreten der mündlichen Verhandlung akribisch die Einhaltung der Fristen und bringen Sie Fristverstöße sofort als zentrales Verteidigungsmittel zu Protokoll.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anerkenntnis
Ein Anerkenntnis ist die offizielle Erklärung vor Gericht, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch vollständig akzeptiert wird. Juristen betrachten diese Prozesshandlung als eine freiwillige Unterwerfung, die den Rechtsstreit sofort und unwiderruflich beendet. Das Gericht muss dann nicht mehr prüfen, ob die Klage inhaltlich berechtigt war oder Fristen eingehalten wurden.
Beispiel: Obwohl die Klage eigentlich verfristet war, erklärte die vertretende Miteigentümerin im Gerichtstermin das Anerkenntnis und besiegelte damit die Niederlage für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Heilung von Zustellungsmängeln
Die Heilung von Zustellungsmängeln bedeutet, dass ein formell fehlerhaft zugestelltes Dokument in dem Moment rechtlich wirksam wird, in dem der Empfänger es tatsächlich erhält. Diese Regelung aus § 189 der Zivilprozessordnung stellt den tatsächlichen Zugang über formale Korrektheit. Sie soll verhindern, dass sich eine Partei auf reine Formalien berufen kann, obwohl sie den Inhalt der Klage längst kennt.
Beispiel: Im Frankfurter Fall wurde die Klage zunächst falsch zugestellt, doch der Zustellungsmangel wurde geheilt, als die Klägerin den Brief in den Briefkasten der vertretenden Eigentümerin warf und diese ihn erhielt.
Kupierte Gesamtvertretung
Juristen nennen es kupierte Gesamtvertretung, wenn in einer verwalterlosen WEG ein Eigentümer die Gemeinschaft verklagt und dadurch seine eigene Vertretungsmacht für diesen Prozess verliert. Die übrigen Eigentümer – bei einer Zweier-WEG also der einzig verbleibende – vertreten die Gemeinschaft dann allein. Dieser Mechanismus sichert die Handlungsfähigkeit der WEG, damit sie sich vor Gericht verteidigen kann.
Beispiel: Da die Klägerin nicht gleichzeitig für und gegen die WEG auftreten konnte, griff die kupierte Gesamtvertretung und machte die andere Eigentümerin automatisch zur alleinigen Vertreterin vor Gericht.
Rechtshängigkeit
Rechtshängigkeit beschreibt den Zustand, in dem eine Klage offiziell bei Gericht anhängig ist, nachdem sie dem Beklagten wirksam zugestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt können dieselben Parteien denselben Streitgegenstand nicht bei einem anderen Gericht erneut verhandeln lassen. Die Rechtshängigkeit markiert also den offiziellen Startpunkt des Gerichtsverfahrens.
Beispiel: Die Klage wurde im vorliegenden Fall rechtshängig, als die Vertreterin der WEG die Klageschrift tatsächlich in den Händen hielt, obwohl die ursprüngliche Zustellung fehlerhaft war.
Restitutionsgrund
Ein Restitutionsgrund ist ein extrem seltener Ausnahmefall, der es erlaubt, ein bereits rechtskräftiges Urteil durch eine spezielle Restitutionsklage erneut anzugreifen. Das Gesetz (§ 580 ZPO) listet diese Gründe abschließend auf, zum Beispiel wenn ein Urteil durch eine Straftat wie Prozessbetrug oder Erpressung erwirkt wurde. Damit soll die Gerechtigkeit in Fällen schwersten prozessualen Unrechts wiederhergestellt werden.
Beispiel: Das Landgericht stellte klar, dass das Anerkenntnis nur hätte aufgehoben werden können, wenn ein Restitutionsgrund wie Nötigung vorgelegen hätte – der bloße Irrtum der Vertreterin reichte dafür nicht aus.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 71/25 – Urteil vom 04.12.2025
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